JudikaturOGH

7Ob110/20g – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** AG, *****, vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG i.A., *****, vertreten durch Dr. Andreas Foglar Deinhardstein, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.750.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. März 2020, GZ 4 R 131/19t 29, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Beklagte bestreitet das wirksame Zustandekommen des gegenständlichen Vergleichs, weil ihre beiden Abwickler Dr. O***** S*****, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten und Geschäftsführer der Alleinaktionärin der Beklagten (in Hinkunft: Vertreter) – rechtsgeschäftlich – bloß „Verhandlungsvollmacht“ erteilt hätten, diesem somit lediglich die Befugnis eingeräumt worden sei, mit der Klägerin Vergleichsverhandlungen zu führen und Vergleichsbedingungen zu besprechen. Die Klägerin beruft sich dagegen darauf, dass die dem Vertreter von den Abwicklern eingeräumte Befugnis auch jene umfasste, den Vergleich namens der Beklagten abzuschließen.

1.2 Vor diesem Hintergrund stellt sich im vorliegenden Verfahren die Frage nach dem Inhalt der dem Vertreter von den Abwicklern – unstrittig – eingeräumten Befugnisse.

1.3 Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen beschlossen die Abwickler – nach bisher ergebnislos geführten Vergleichsgesprächen –, dass sich der Vertreter mit den Vertretern der Klägerin treffen sollte, um eine Einigung zur Bereinigung der Angelegenheit zu finden. Sie erteilten ihm Vollmacht für den Abschluss eines Vergleichs, wobei ihm keine Vorgaben in Bezug auf die Höhe des Vergleichsbetrags gemacht wurden. Klar war allen, dass der Vertreter in faktischer Hinsicht entscheidungsbefugt ist.

1.4 Dass das Erstgericht verkürzt innerhalb seiner Feststellungen den Rechtsbegriff „Abschlussvollmacht“ verwendete, schadet hier nicht, weil sich aus der Gesamtheit des teilweise auch disloziert in der Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalts die entsprechende Tatsachengrundlage ergibt, dass die dem Vertreter von den Abwicklern übertragenen Befugnisse auch jene umfasste, namens der Beklagten den beabsichtigten Vergleich abzuschließen. Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlen somit auch keine Feststellungen zur Beurteilung, ob dem Vertreter (konkludent) Abschlussvollmacht erteilt wurde.

2. Die Anfechtung der Vollmachtserteilung durch die Beklagte wegen Erklärungsirrtums scheidet schon deshalb aus, weil ihren Abwicklern nach den Feststellungen kein Irrtum unterlaufen ist.

3.1 Richtig ist, dass das Geschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, grundsätzlich absolut nichtig ist, sodass sich jedermann, ohne dass es einer besonderen Anfechtung bedürfte, auf die Nichtigkeit berufen kann (RS0016432).

3.2 Soweit die Beklagte vertritt, dass der Vergleich strafrechtswidrig und daher nichtig gemäß § 879 ABGB sei, weil er den Tatbestand der Untreue (§ 153 StGB) erfülle, fehlt es schon an jeglichen konkreten Tatsachenbehauptungen zum Vorliegen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen des genannten Straftatbestands bei den Abwicklern oder dem Vertreter.

4. Ob der Schuldner für die Zahlungsverzögerung „verantwortlich“ im Sinn des § 456 UGB ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0116030 [T1]) und stellt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar. Stützt sich der Schuldner – wie im vorliegenden Fall – auf unzutreffende Tatsachenbehauptungen, kann dies an dem Anspruch auf Zinsen nach § 456 UGB nichts ändern (RS0116030, 2 Ob 30/19d).

5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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