JudikaturOGH

15Os84/20x – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. September 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann im Verfahren zur Unterbringung des A***** K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Juni 2020, GZ 91 Hv 12/20f 74, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft Wien abgewiesen, A***** K***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, weil er am 14. Juni 2015 in Wien unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoid wahnhaften Realitätsverzerrung als Folge einer Erkrankung aus dem schizophrenen Spektrum beruhte, W***** S***** Kh***** mit dem Tod gefährlich bedroht habe, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ein Klappmesser drohend in der Hand gehalten und W***** S***** Kh***** damit verfolgt habe.

Nach den im Urteil getroffenen Feststellungen hat der Betroffene unter dem Einfluss seiner die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden psychischen Erkrankung durch die oben beschriebene Tat in objektiver und subjektiver Hinsicht den Tatbestand der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB erfüllt und damit eine Anlasstat iSd § 21 Abs 1 StGB begangen (US 6 zweiter Absatz). Eine hochgradige Wahrscheinlichkeit der Begehung einer Tat mit schweren Folgen könne jedoch – aus den im Urteil genannten Überlegungen – nicht angenommen werden (US 7 zweiter Absatz).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die ihr Ziel verfehlt.

Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO ist – soweit hier von Interesse – das Verkennen der gesetzlichen Kriterien für die Ermessensentscheidung der Gefährlichkeitsprognose. Der Sanktionsausspruch ist dann nichtig, wenn im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose eine der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) gänzlich außer Acht gelassen wird (RIS-Justiz RS0118581, RS0113980). Der Inhalt der Gefährlichkeitsprognose hingegen unter liegt einer Ermessensentscheidung des Gerichts und kann ausschließlich mit Berufung bekämpft werden (RIS-Justiz RS0113980 [T1]).

Entgegen dem Vorbringen der Sanktionsrüge, das Erstgericht habe sich zwar mit der Person des Betroffenen und seinem Zustand, nicht jedoch mit der gegenständlichen Tat auseinandergesetzt, hat das Schöffengericht die Art der – festgestellten (US 3) – Anlasstat als Beurteilungskriterium angesprochen (US 5 vorletzter Absatz, US 6 zweiter und dritter Absatz) und in seine Erwägungen zur Gefährlichkeitsprognose einbezogen (US 4 vierter Absatz).

Soweit die Staatsanwaltschaft argumentiert, aus dem Wohlverhalten seit der Tat könne – entgegen der tatrichterlichen Erwägung (US 7 erster Absatz) – keine günstige Prognose abgeleitet werden, wendet sie eine mangelhafte beweiswürdigende Fundierung der Gefährlichkeitsprognose ein und spricht solcherart lediglich einen Berufungsgrund an (RIS Justiz RS0113980 [T11, T12]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

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