JudikaturOGH

4Ob98/20w – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. August 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Hon. Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Dr. K***** H*****, vertreten durch Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte B***** GmbH, *****, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten 1. A***** GmbH, *****, vertreten durch MMag. Dr. Gerd Konezny, Rechtsanwalt in Wien, 2. B*****GmbH, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Weilguni, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.028.146,05 EUR sA und Feststellung (Streitwert 50.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. April 2020, GZ 5 R 158/19w 116, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der Zweitnebenintervenientin auf Seiten der Beklagten auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin erwarb 2011 von der Beklagten eine Liegenschaft mit einem Wohnhaus, bei dem die Beklagte 2007/2008 einen Dachgeschoßausbau hatte durchführen lassen. Nach Beschwerden einer Mieterin Ende 2014 traten 2015 im Zuge einer Öffnung der Dachgeschoßkonstruktion erstmals Errichtungsmängel zutage, deren Behebung die Beklagte verweigerte.

Rechtliche Beurteilung

1. Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS Justiz RS0112106 [T1, T6, T14]). Steht die Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, kommt doch der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RS0042776). Die einzelfallbezogene Beurteilung rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechtfertigt eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs nur dann, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit die Korrektur einer unhaltbaren, durch die Missachtung fundamentaler Auslegungsregeln zustande gekommenen Entscheidung geboten ist (RS0042776 [T22]). Dies ist hier nicht der Fall.

2. Die Revision wendet sich gegen die Auslegung der Kaufvertragsvereinbarung, die Beklagte leiste Gewähr dafür, dass durchgeführte Umbauten dem Baukonsens entsprechen , durch die Vorinstanzen dahingehend, dass damit nur die Einhaltung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne und der Baubewilligung gewährleistet werde, nicht aber die mangelfreie Ausführung. In dieser Vertragsauslegung kann aus nachfolgenden Gründen keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung erkannt werden.

Das Erstgericht stellte fest, dass unter dem Begriff Baukonsens allgemein die (Entsprechung mit der) einer Bauführung zugrunde liegende(n) Baubewilligung verstanden wird, hingegen nicht die Ausführungsqualität der errichteten Bauten. Dass dies im vorliegenden Fall anders gewesen sein sollte, haben die Vorinstanzen vertretbar verneint, denn würde man den Vertragsparteien das von der Revisionswerberin argumentierte Verständnis des Worts Baukonsens im Sinne einer mangelfreien Ausführung unterstellen, hätte dies eine zeitlich unbegrenzte Gewährleistungspflicht der Beklagten für alle Ausführungsmängel des in ihrem Auftrag errichteten Dachgeschoßausbaus zur Folge, was dem grundsätzlich vereinbarten Haftungsausschluss zuwiderlaufen würde.

3. Auch bei der Frage, ob ein Verzicht auf Schadenersatzansprüche vereinbart wurde, unterlief den Vorinstanzen keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Vertrag vom Ehemann der Klägerin, der Rechtsanwalt ist, formuliert wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die unterschiedliche Wortwahl ( haften und Gewähr leisten ) unbeabsichtigt war und eigentlich dasselbe gemeint sein sollte. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Gesamtkontext des Kaufvertrags – worin zunächst ein allgemeiner Haftungsausschluss und sodann die Gewährleistung ausschließlich für einzelne genannte Umstände festgelegt wird – eindeutig, dass nur für bestimmte taxativ aufgezählte Fälle Gewähr geleistet und nicht auch für Schadenersatz gehaftet werden sollte.

4. Wenn die Revisionswerberin ausführt, dass die Beklagte für die die Umbauarbeiten durchführenden Professionisten im Verhältnis zur Klägerin nach § 1313a ABGB hafte, übersieht sie, dass sich die Beklagte bei ihrer Vertragserfüllung gegenüber der Klägerin nicht dieser Professionisten bedient hat. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass für die Beurteilung der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB maßgebend ist, ob der Gehilfe bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners tätig war, ob er also in das Interessenverfolgungsprogramm des Schuldners und damit in dessen Risikobereich einbezogen war (RS0028425). Um das schuldhafte Verhalten eines Dritten dem Geschäftsherrn nach § 1313a ABGB zuzurechnen, ist es daher erforderlich, dass der Geschäftsherr das Verhalten des Dritten im Kontext mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlasste (RS0121745). Dies war hier nicht der Fall. Die Umbauarbeiten (Dachbodenausbau) standen in keinem Zusammenhang mit dem (späteren) Kaufvertrag zwischen den Streitteilen.

Die wegen des Mangels an erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO unzulässige Revision ist zurückzuweisen.

Die – ohne entsprechende Freistellung – von der Zweitnebenintervenientin auf Seiten der Beklagten eingebrachte Revisionsbeantwortung war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht erforderlich, weshalb dafür kein Kostenersatz zuzusprechen ist.

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