Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Angela Taschek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch die Stögerer Preisinger Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, 1080 Wien, Josefstädterstraße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 28. Jänner 2020, GZ 9 Rs 127/19s 14, mit dem das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 10. September 2019, GZ 15 Cgs 97/19t 7, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Die Klägerin ist südkoreanische Staatsangehörige und seit 2014 mit einem österreichischen Diplomaten verheiratet. Die beiden gemeinsamen Söhne wurden ***** 2015 und ***** 2017 geboren. Von März 2014 bis einschließlich August 2018 war der Vater an der Österreichischen Botschaft in Südafrika tätig. Die Familie wohnte in dieser Zeit in Pretoria. Ab September 2018 lebte die Familie im neuen Dienstort Helsinki.
Im Revisionsverfahren ist strittig, ob die Klägerin und das jüngere Kind, für das Kinderbetreuungsgeld von 11. 7. 2017 bis 10. 7. 2018 begehrt wird, den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich haben (§ 2 Abs 1 Z 4 KBGG).
Die Vorinstanzen verneinten diese Anspruchsvoraussetzung und wiesen das Begehren auf Zuspruch von Kinderbetreuungsgeld ab. Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil der Oberste Gerichtshof die Frage noch nicht beantwortet habe, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 Abs 3 BAO ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld der mitversicherten Ehefrau bestehe.
Die – beantwortete – Revision der Klägerin ist entgegen dem nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts im Hinblick auf jüngere höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht zulässig.
1. Der Anspruch eines Elternteils auf Kinderbetreuungsgeld setzt unter anderem voraus, dass der Elternteil und das Kind den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben (§ 2 Abs 1 Z 4 KBGG).
2. Die Rechtsprechung nimmt den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet dann an, wenn sich eine Person ständig in Österreich aufhält und die Gesamtabwägung aller Umstände erbringt, dass diese Person zu Österreich die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (RIS Justiz RS0130844; 10 ObS 180/19x). Bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, besteht die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort, an dem sie mit ihrer Familie leben (10 ObS 65/06s SSV NF 20/47; 10 ObS 180/19x mwN). Im Anspruchszeitraum (und darüber hinaus) lebte die Klägerin mit ihrer Familie unstrittig nicht in Österreich, sondern am auswärtigen Dienstort ihres Mannes, eines österreichischen Diplomaten.
3. Nach § 26 Abs 3 BAO werden in einem Dienstverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts stehende österreichische Staatsbürger, die ihren Dienstort im Ausland haben (Auslandsbeamte), wie Personen behandelt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am Ort der die Dienstbezüge anweisenden Stelle haben. Das gleiche gilt für deren Ehegatten, sofern die Eheleute in dauernder Haushaltsgemeinschaft leben, und für deren minderjährige Kinder, die zu ihrem Haushalt gehören.
4. Auslandsbeamte und ihre Familienangehörigen unterliegen demnach der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich, auch wenn sie ihren Wohnsitz in Österreich aufgegeben haben. Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin, bei Auslandsbeamten und deren Familienangehörigen einen gewöhnlichen Aufenthalt zu fingieren, um eine unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich zu begründen. Nur im Weg dieser Fiktion bleibt daher eine wirtschaftliche Beziehung zum Bundesgebiet erhalten, wenngleich die persönliche Beziehung zum Ausland besteht (10 ObS 180/19x; 10 ObS 2/20x).
5. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst ausführlich begründet zu 10 ObS 180/19x und 10 ObS 2/20x klargestellt, dass die Fiktion des Inlandsaufenthalts in § 26 Abs 3 BAO nicht auf den Anwendungsbereich des KBGG übertragbar ist und daher bei der Prüfung, ob die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 4 KBGG verwirklicht ist, nicht zu berücksichtigen ist. Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlass, diese Rechtsansicht nicht aufrecht zu halten.
6. Die vom Berufungsgericht gestellte Frage hat der Oberste Gerichtshof entgegen dem Standpunkt der Klägerin beantwortet. Deren Revision ist somit mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.
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