JudikaturOGH

12Os60/20w – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Juni 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in der Strafsache gegen Ayub B***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 26. September 2019, GZ 37 Hv 85/19f 18, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ayub B***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 5. April 2019 in S***** (vgl US 1, 3 f) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei unbekannten Mittätern Markus Z***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem sie ihm mehrere Faustschläge gegen dessen Kopf versetzten, wodurch der Genannte zu Boden stürzte, und sie anschließend (US 4) mit mehreren kräftigen Fußtritten gegen den Kopf des am Boden Liegenden traten, wodurch das Opfer eine Orbitabodenfraktur mit Impressionen des Fragments in den Sinus maxillaris sowie zahlreiche Hämatome am Kopf erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere zur Absicht, eine schwere Körperverletzung zuzufügen, ist nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientiert, weil er die (dislozierten) beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter auf US 6 f unberücksichtigt lässt. Solcherart ist die Mängelrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0119370).

Soweit die Rüge mit dem Hinweis auf die Aussage des Angeklagten zur Dauer seiner Anwesenheit im Lokal und zu seinen dortigen Wahrnehmungen die Überzeugung des Erstgerichts von seiner Unglaubwürdigkeit als „nicht nachvollziehbar“ und „unzureichend“ kritisiert, zeigt sie keinen Begründungsmangel auf, sondern bekämpft lediglich die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld (vgl RIS-Justiz RS0106588; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 431).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt lässt (RIS-Justiz RS0118316).

Derartige Begründungsfehler werden nicht geltend gemacht.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen, die – im Übrigen keine entscheidende oder erhebliche Tatsache betreffenden und daher auch nicht gesondert erörterungsbedürftigen (vgl RIS-Justiz RS0116877) – Verfahrensergebnisse zu den Zeitpunkten des Betretens des Lokals durch den Angeklagten, des „Beobachtens eines Tumults“ durch den Zeugen Markus Z*****, des erfolgten Notrufs und des Einschaltens des Lichts seien nicht berücksichtigt worden, hat das Gericht die den Konstatierungen zugrunde gelegten Beweismittel im jeweiligen Klammerzitat angeführt (vgl US 3 f).

Der weiteren Beschwerdekritik zuwider blieben auch die Angaben des Angeklagten zum Zeitablauf nicht unerörtert (vgl US 4 f). Das Erstgericht war jedoch – dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – nicht verhalten, sich mit dem vollständigen Inhalt seiner Aussage im Einzelnen auseinanderzusetzen und darauf zu untersuchen, wieweit sie für oder gegen die Feststellungen spricht (RIS-Justiz RS0098377 [insb T17]).

Weshalb das Erstgericht auf Angaben von Zeugen, die den Angeklagten nicht identifizierten, einzugehen gehabt hätte, macht die Rüge (Z 5 zweiter Fall) nicht klar, zumal die Aussagen dieser Zeugen die Täterschaft des Angeklagten nicht ausschließen und solcherart den Feststellungen nicht entgegen stehen.

Der Tatsachenrüge (Z 5a), die erneut auf die Verantwortung des Angeklagten zur Dauer seiner Anwesenheit im Lokal, zu seinen dortigen Wahrnehmungen sowie darauf verweist, dass ihn einige Zeugen nicht identifizieren konnten, weshalb es „durchaus möglich“ sei, dass er „zum Zeitpunkt des Tumults“ das Lokal bereits wieder verlassen hatte, gelingt es nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken (RIS-Justiz RS0119583). Vielmehr wendet sich der Beschwerdeführer bloß erneut in im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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