JudikaturOGH

10Ob11/20w – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der ***** 2012 geborenen A*****, vertreten durch das Land Wien als Kinder und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirk 10, 1100 Wien, Alfred Adler-Straße 12), über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. Oktober 2019, GZ 43 R 478/19s 71, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 8. Juli 2019, GZ 34 Pu 44/14f 60, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, den Beschluss vom 20. 12. 2019 samt einer Gleichschrift des Revisionsrekurses des Bundes an Mag. S*****, Notarsubstitutin, *****, als Verlassenschaftskuratorin des Nachlasses nach dem am 24. 11. 2019 verstorbenen M*****, zur allfälligen Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zuzustellen.

Nach Erstattung der Revisionsrekursbeantwortung bzw fruchtlosem Verstreichen der Frist sind die Akten erneut dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 8. 7. 2019 gewährte das Erstgericht dem Kind für die Zeit vom 1. 7. 2019 bis zum 30. 6. 2024 Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Bundes mit Beschluss vom 2. 10. 2019 nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Bund erhob am 8. 11. 2019 Zulassungsvorstellung, verbunden mit einem Revisionsrekurs.

Das Erstgericht verfügte die Zustellung des Rechtsmittels „zur allfälligen Revisionsrekursbeantwortung“ an die Mutter, den Kinder- und Jugendhilfeträger, sowie, als Vertreter des Vaters, an den für den Vater (mit Beschluss des Bezirksgerichts *****, GZ ***** vom 15. 5. 2019) zur Besorgung finanzieller Angelegenheiten und zur Vertretung vor Gerichten, Ämtern, Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellten einstweiligen Erwachsenenvertreter. Die Zustellung an diesen Vertreter des Vaters erfolgte am 12. 11. 2019. Rechtsmittelbeantwortungen wurden nicht eingebracht.

Am 24. 11. 2019 verstarb der Vater des Kindes.

Mit Beschluss vom 20. 12. 2019 ließ das Rekursgericht den Revisionsrekurs nachträglich zu, um die Rechtssicherheit im Zusammenhang mit dem Prüfungsumfang des Gerichts hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft des Kindes zu wahren.

Das Rekursgericht verfügte die Zustellung dieses Beschlusses an den Vater durch Zustellung an den als einstweiligen Erwachsenenvertreter bestellten Rechtsanwalt; diesem wurde der Beschluss am 13. 1. 2020 zugestellt.

Rechtsmittelbeantwortungen wurden wiederum nicht eingebracht.

Mit Beschluss vom 12. 3. 2020, GZ *****, bestellte das Bezirksgericht ***** im Verlassenschaftsverfahren nach dem Vater des Kindes die Notarsubstitutin Mag. S***** gemäß § 157 Abs 4 AußStrG zur Verlassenschaftskuratorin für die unvertretene Verlassenschaft.

Rechtliche Beurteilung

Die Aktenvorlage durch das Erstgericht ist verfrüht, weil über das Rechtsmittel derzeit noch nicht entschieden werden kann.

1. Im Verfahren über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG kommt (unter anderem) dem Geldunterhaltsschuldner – hier dem Vater – Parteistellung im Sinn des § 2 Abs 1 AußStrG zu (10 Ob 17/14v).

2. Im vorliegenden Fall konnte die vom Erstgericht vorgenommene Zustellung nur des gegen die Entscheidung des Rekursgerichts erhobenen Rechtsmittels – der Zulassungsvorstellung, verbunden mit der Ausführung des Revisionsrekurses – die Revisionsrekursfrist nicht in Gang setzen, weil es dazu der Zustellung des Beschlusses des Rekursgerichts, mit dem der Revisionsrekurs nachträglich zugelassen wurde, und der Mitteilung des Rekursgerichts, dass die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt wird, bedurfte.

3. Eine wirksame Zustellung des Beschlusses des Rekursgerichts vom 20. 12. 2019 samt der Mitteilung über die Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung an den Vater hat im vorliegenden Fall nicht stattgefunden.

4.1. Gemäß § 246 Abs 1 Z 1 ABGB endet die Vertretungsbefugnis eines Erwachsenenvertreters mit dem Tod der vertretenen Person. Der Tod der vertretenen Person beendet nicht nur die Vertretungsbefugnis, sondern auch das Rechtsinstitut selbst (8 Ob 4/19z = RS0048925 [T7]). Ein gerichtlicher Einstellungsbeschluss hat nur deklarative Bedeutung (RS0048925 [T4]; 8 Ob 4/19z).

4.2. Zum Zeitpunkt der Fassung des Beschlusses des Rekursgerichts, mit dem dieses „den anderen aktenkundigen Parteien“ die Beantwortung des Revisionsrekurses freistellte, war der Vater des Kindes bereits verstorben. Damit war auch die Vertretungsbefugnis des zu Lebzeiten des Vaters als einstweiliger Erwachsenenvertreter bestellten Rechtsanwalts beendet. Diesem kommt daher auch keine Vertretungsbefugnis für den ruhenden Nachlass zu.

Damit fehlt es an einer wirksamen Zustellung des Beschlusses des Rekursgerichts an den ruhenden Nachlass als Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Unterhaltsschuldners.

5. Das Rekursgericht wird daher die aus dem Spruch ersichtliche Zustellung vorzunehmen und den Akt dem Obersten Gerichtshof neuerlich vorzulegen haben.

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