JudikaturOGH

9ObA110/19w – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Faber, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Gabriele Svirak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Karin Buzanich-Sommeregger, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung, in eventu 192.157,90 EUR brutto sA und Feststellung, in eventu 2.898,75 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 26. April 2019, GZ 10 Ra 12/19m 13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die im vorliegenden Fall zu behandelnden Rechtsfragen wurden bereits in der Entscheidung 8 ObA 53/19f des Obersten Gerichtshofs vom 24. 4. 2020 behandelt, die die Ansprüche eines anderen Arbeitnehmers gegen die selbe beklagte Dienstgeberin zum Inhalt hat. Dort wurde ausgeführt:

„1. Die Revision bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die ˈBetriebsvereinbarung über die Leistung eines B***** ASVG-Pensionsäquivalents 2007ˈ (‚B***** ASVG 2007‘) sich auf den Kompetenztatbestand des § 97 Abs 1 Z 18 ArbVG stützen habe können, und argumentiert, dass ˈbetriebliche Altersvorsorgeˈ nach dieser Bestimmung nur ˈZusatzversorgungˈ bedeute. Bei Fehlen einer staatlichen Altersvorsorge bestehe danach keine Ermächtigung zur Regelung von Ruhe- und Versorgungsgenüssen iSd § 5 Abs 1 Z 3 ASVG aF. Weder die genannte Betriebsvereinbarung noch die ˈÜbertragungs-BVˈ, mit der in Punktationsform die Beendigung des B***** ASVG beschlossen wurde, seien daher rechtswirksam.

Das Berufungsgericht hat hiezu aber bereits darauf hingewiesen, dass der Kläger mit seinem Hauptbegehren gerade die Feststellung der Wirksamkeit der B***** 2007 anstrebt und es Rechtsausführungen, die auf das Gegenteil hinauslaufen, in Anbetracht des angestrebten Rechtsschutzziels an Schlüssigkeit mangelt.

Wird die Entscheidung der zweiten Instanz auch auf eine selbständig tragfähige Hilfsbegründung gestützt, muss auch diese im außerordentlichen Rechtsmittel bekämpft werden (RS0118709). Die Revision des Klägers nimmt zu dieser Frage jedoch nicht näher Stellung.

2. Davon abgesehen hat der Oberste Gerichtshof die Frage, ob § 97 Abs 1 Z 18 ArbVG eine dem Sparkassenkollektivvertrag entsprechende ausreichende Grundlage für die Regelung von betrieblichen Pensions- und Ruhegeldleistungen definitiv gestellter Sparkassen-angestellter bietet, bereits in der Entscheidung 8 ObA 78/01f ausdrücklich bejaht. Damit steht die Entscheidung des Berufungsgerichts im Einklang. Sie kann sich zudem auf einschlägige Literatur stützen, wonach ˈalle denkbaren Pensions- und Ruhegeldleistungenˈ erfasst sind (Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht § 97 ArbVG Rz 144; Reiner in Jabornegg/Resch, ArbVG § 97 Rz 374; vgl allerdings Binder in Tomandl, ArbVG § 97 Rz 243), im Einklang. Auch aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zu G 132/2017 lassen sich keine konkreten Zweifel am Inhalt der Regelungskompetenz entnehmen.

3. Unter welchen Umständen Regelungen einer durch Wegfall der ursprünglich kollektivvertraglichen Grundlage ˈfreienˈ Betriebsvereinbarung eine einzelvertragliche Änderung oder Ergänzung des Arbeitsvertrags bewirken können (RS0030895), muss daher nicht weiter geprüft werden.

4. Soweit sich die Revisionsausführungen darauf berufen, dass das B***** ASVG eine unabänderliche Bestandsgarantie enthalte, stützen sie sich auf den Ausschluss der einseitigen Aufkündigung für die Dauer der Geltung der Ausnahmebestimmung des § 5 Abs 1 Z 3 ASVG. Diese gesetzliche Ausnahme besteht jedoch seit März 2016 nicht mehr.

5. Soweit der Revisionswerber die Verfassungswidrigkeit der Änderung des § 5 Abs 1 Z 3 ASVG aufgrund eines rückwirkenden Eingriffs in das Eigentumsrecht an den Anwartschaftsrechten behauptet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs hinzuweisen, dass keine Verfassungsvorschrift einen uneingeschränkten Schutz wohlerworbener Rechte gewährleistet. Es fällt grundsätzlich in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern. Die Aufhebung oder Abänderung von Rechten, die der Gesetzgeber zunächst eingeräumt hat, muss sachlich begründbar sein, weil ohne solche Rechtfertigung der Eingriff dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz widerspräche (RS0008687). Auch verschlechternde Regelungen sind daher unangreifbar, wenn sie den Grundsätzen der Sachlichkeit und Verhältnismäßigkeit entsprechen (RIS Justiz RS0008687 [T36]). Dabei ist der Gesetzgeber (vom Verbot rückwirkender Strafgesetze gemäß Art 7 Abs 1 MRK abgesehen) auch nicht gehindert, ein Gesetz mit rückwirkender Kraft zu erlassen, soweit diese Rückwirkung mit dem Gleichheitsgebot vereinbar ist (RS0058464; RS0008686). Auch dem dynamischen Charakter des Sozialrechts wurde Bedeutung zugemessen (RS0008687 [T15]).

6. Ein besonderer Vertrauensschutz auf das weitere Bestehen einer Begünstigung zum ASVG-Regime kommt den Dienstnehmern schon insofern nicht zu, als die B***** ASVG nicht nur gerade auf den Vergleichsmaßstab des ASVG verwies (zusätzliche Betriebspensionsansprüche wurden auch in gesonderten Betriebsvereinbarungen vorgesehen), sondern auch einen Änderungsvorbehalt enthielt und der Kündigungsverzicht auch nur für die Dauer der Geltung der Ausnahmebestimmung des ASVG vereinbart war.

7. Soweit der Kläger in der Revision neuerlich auf eine Unionsrechtswidrigkeit der Novelle BGBl 2016/18 wegen Verstoßes gegen das Beihilfenverbot Bezug nimmt, hielt dem bereits das Berufungsgericht zutreffend das Neuerungsverbot entgegen, weil er dazu in erster Instanz kein Vorbringen erstattet hat.

Der Behauptung einer Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten und (daher) von Frauen hielt bereits das Berufungsgericht entgegen, dass der Kläger als Vollzeitbeschäftigter insofern nicht diskriminiert ist. Selbst bei Vorliegen einer Diskriminierung wäre daraus nur ein die Gleichbehandlung herstellender Ausgleichsanspruch der diskriminierten Gruppe dieser Teilzeitbeschäftigten abzuleiten (8 ObA 11/15y).

8. Eine Änderung einschließlich einer Verschlechterung der in einer Betriebsvereinbarung begründeten Ansprüche ist aufgrund einer Absprache zwischen Arbeitgeber und Belegschaftsvertretung nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich möglich (RS0028611 hinsichtlich echter Betriebsvereinbarung; RS0120009 hinsichtlich ˈfreierˈ Betriebsvereinbarung). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass dabei die Grenzen der Verhältnismäßigkeit und der Sachlichkeit beachtet werden müssen (RS0028611 [T4]; RS0038552 [T21]) und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs bei kollektivrechtlichen Änderungen grundsätzlich zu vermuten ist, weil sie nur unter Mitwirkung der zur Wahrung der Interessen der Arbeitnehmer berufenen Gewerkschaft bzw des Betriebsrats erfolgen können (RS0038552 [T19, T22]). Insbesondere stellen die vom unmittelbar an die Grundrechte gebundenen Bundesgesetzgeber im ASVG und im Pensionsrecht der Beamten vorgenommenen Änderungen für diese Beurteilung beachtliche Wertungen dar (RS0038552 [T11]). Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs hat auf Grund der Gegenüberstellung der Interessen der Arbeitnehmer mit den betrieblichen Interessen zu erfolgen und kann daher immer nur unter Beachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgen (RS0038552 [T17]).

Die Revision lässt die oben (Pkt. 6) dargestellten Besonderheiten der Betriebsvereinbarung außer Acht, wenn sie auf dem Standpunkt steht, dass die von der Beklagten geleisteten Kompensationszahlungen ˈungenügendˈ seien und in den Eventualbegehren den Anspruch erhebt, finanziell im Ergebnis so gestellt zu werden, wie wenn es zu der Übertragungs-BV nie gekommen wäre. Sie geht auch nicht konkret auf die Argumentation des Berufungsgerichts ein.“

Der Kläger, dessen Revisionsvorbringen inhaltlich mit den bereits in der Entscheidung 8 ObA 53/19f behandelten Rechtsmittelausführungen übereinstimmt, ist auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Revision zeigt damit keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rückverweise