11Os21/20b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Mai 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Wolfgang As***** und Mag. Hubert I***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Wolfgang As***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend beide Angeklagte gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 28. März 2019, GZ 12 Hv 14/18z 223, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten Wolfgang As***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil (das einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Mag. Hubert I***** und rechtskräftige Freisprüche beider Angeklagten enthält) wurde – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Wolfgang As***** je eines Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 15 StGB (I) und der [grob] fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 5 Z 3 und 5 iVm § 161 Abs 1 StGB (II) sowie des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er
(I) als faktischer Geschäftsführer der E***** GmbH (kurz E*****) und der A***** GmbH (kurz A*****) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen Personen zu Handlungen zu verleiten versucht (Punkt 15) und verleitet, die diese – weil Zahlungen nicht oder nicht vollständig erfolgten (Punkte 3, 7, 11 und 13) oder Teilleistungen nicht erbracht wurden (Punkte 8 und 9) – am Vermögen schädigten, und zwar
3) zeitnah vor dem 15. November 2012, teilweise vor dem 5. September 2012 in K***** Wolfgang K***** durch die wahrheitswidrige Vorgabe, die E***** sei zahlungsfähig und -willig, zur Lieferung und Montage von Einrichtungsgegenständen, Badezimmerteilen und Ölheizkesselanlagen (Schaden 52.139,72 Euro);
7) in V***** Verantwortliche der Ö***** GmbH (nunmehr H*****) zeitnah
a) bis zum 12. Dezember 2013 durch die wahrheitswidrige Vorgabe, die E***** sei zahlungsfähig und -willig, zur Lieferung von Waren (Schaden 10.548,13 Euro),
b) vor Mitte Mai 2014 durch die wahrheitswidrige Vorgabe, die E***** und die A***** seien zahlungsfähig und -willig, zur Lieferung von Waren (Schaden 57.893,50 Euro);
8) im Oktober 2013 in V***** Hubert L***** durch die wahrheitswidrige Vorgabe, die E***** sei willig und fähig, die mit Vertrag vom 7. Oktober 2013 geschuldeten Leistungen zu erbringen, zur Bezahlung des vertraglich vereinbarten Preises (Schaden 10.516,10 Euro);
9) zeitnah bis zum 13. Jänner 2014 in F***** Herbert B***** durch die wahrheitswidrige Vorgabe, die E***** sei willig und fähig, die mit Vertrag vom 13. Jänner 2014 geschuldeten Leistungen zu erbringen, zur Bezahlung des vereinbarten Preises (Schaden 9.667 Euro);
11) zu nicht exakt bestimmbaren Zeitpunkten bis April 2014 in K***** Verfügungsberechtigte der C***** GmbH (Joachim S*****) durch die wahrheitswidrige Vorgabe, die E***** und A***** seien trotz kurzfristiger Liquiditätsprobleme zahlungsfähig und -willig, zur Lieferung und Montage von Fenstern und Türen (Schaden 74.525,52 Euro);
13) am 26. Mai 2014 in M***** Heinz Kr***** durch die wahrheitswidrige Vorgabe, die E***** sei zahlungsfähig und -willig, zur Erbringung von Verputzarbeiten (Schaden 2.570 Euro);
15) zeitnah bis zum 7. Juli 2014 in V***** Karin und Leonhard N***** durch die wahrheitswidrige, im Ersturteil näher beschriebene Vorgabe, die A***** sei willig und fähig, die mit Vertrag vom 7. Juli 2014 geschuldeten Leistungen zu erbringen, zur Bezahlung von 30.750 Euro (Versuch hinsichtlich 11.950 Euro);
(II) von 3. April 2013 bis Ende Mai 2014 in V***** und an anderen Orten als faktischer Geschäftsführer der E***** gemeinsam mit Mag. Hubert I***** als deren handelsrechtlicher Geschäftsführer grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) durch kridaträchtiges Handeln deren spätestens Ende Mai 2014 eingetretene Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt, dass sie entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens übermäßigen, mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens (seinen Vermögensverhältnissen) in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieben, indem sie sich übermäßige Gehalts- und Provisionszahlungen genehmigten sowie den Jahresabschluss für das Jahr 2013, zu dessen Erstellung sie verpflichtet waren, zu erstellen unterlassen haben, sodass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wurde;
(III) von 4. Juni bis 31. Oktober 2014 in V***** als faktischer Geschäftsführer der A***** gemeinsam mit Mag. Hubert I***** als deren handelsrechtlicher Geschäftsführer das Vermögen der A***** verringert und dadurch die Befriedigung deren Gläubigern vereitelt oder geschmälert, indem sie im Wissen um die Uneinbringlichkeit der dadurch gegenüber der E***** aufgebauten Forderungen Zahlungen und Leistungen über 76.248 Euro im Zusammenhang mit der Fertigstellung von Bauvorhaben der E***** veranlassten und damit deren Verbindlichkeiten erfüllten.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang As*****.
Die Kritik (Z 4) an der Abweisung mehrerer in der Hauptverhandlung gestellter Anträge scheitert an nicht prozessförmiger Ausführung, weil trotz umfangreichen Aktenmaterials (70 Aktenbände, das Protokoll der Hauptverhandlung dokumentiert 14 Verhandlungstage) die (jeweiligen) Fundstellen der – als argumentative Basis der Nichtigkeitsbeschwerde dienenden – Antragstellung nicht konkret bezeichnet werden (RIS Justiz RS0124172; Ratz , WK StPO § 281 Rz 302).
Im Übrigen waren die Tatrichter ohnedies von der durch die Antragstellung auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Neurologie sowie der „Einvernahme der drei Zeugen vom Finanzamt“ unter Beweis zu stellenden (eingeschränkten) Dispositionsfähigkeit des Mag. Hubert I***** (vgl US 53) und davon überzeugt (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO), dass der Beschwerdeführer in die interne E Mail Kommunikation im „behaupteten Umfang nicht eingebunden war“ (US 119, vgl auch US 113 und US 117). Zudem lief der Antrag auf „Verlesung des E-Mail-Komplexes von etwa 30.000 Aktenseiten“, zum Nachweis, dass der Angeklagte „in die Geschäftsführeragenden […] im Ausmaß des E-Mail-Umfanges, das heißt der Kommunikation intern, nicht einbezogen“ war, auf Erkundungsbeweisführung hinaus (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 330 f).
Ergänzendes Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde unterliegt dem sich aus dem Wesen des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO ergebenden Neuerungsverbot und ist schon deshalb unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618, RS0099117).
Soweit die Rüge (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) zum Schuldspruch I/3 unter Hinweis auf Urteilsannahmen zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der E***** im Herbst 2012 (US 54 – vgl US 12: Ende Juli 2012) und darauf, dass „der offizielle Herbstbeginn mit 22. September 2012 datiert gewesen ist“ das Fehlen von Feststellungen zur Kenntnis des Angeklagten von der Zahlungsunfähigkeit „zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses“ und „dementsprechend“ von „ausreichenden Feststellungen in Bezug auf die subjektive Tatseite“ reklamiert, macht sie nicht juristisch nachvollziehbar klar, inwieweit eine solche Kenntnis angesichts der (unbekämpft) konstatierten, für die Erbringung von Leistungen und Lieferungen durch das Installationsunternehmen K***** (mit-)kausalen Täuschung des Wolfgang K***** (auch) über die Zahlungswilligkeit der E***** (US 19, 47, 55 f, 58) eine – für die Schuld- oder Subsumtionsfrage – entscheidende Tatsache betreffen und somit einer Feststellung bedürfen sollte (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 33, 49, 52, 55; Flora in Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 4 § 146 Rz 10, 28; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 391 f, 398 f).
Die thematisierte Aussage des Wolfgang K*****, wonach der Angeklagte mit Geld von Neukunden „quasi in der Folge Löcher stopfte“, haben die Tatrichter berücksichtigt (US 19). Dass aus den formell einwandfreien Prämissen für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, die Erkenntnisrichter sich aber dennoch mit formell korrekter Begründung für eine für den Angeklagten ungünstigere Variante entschieden haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0098400 [T8] – vgl im Übrigen Flora in Leukauf/Steiniger/Tipold , StGB 4 § 146 Rz 26).
Soweit die Rüge zu den beanstandeten Schuldspruchpunkten I/3, I/7 und I/11 jeweils nachträgliche teilweise Schadensgutmachung behauptet, spricht sie keine entscheidende Tatsache (vgl RIS-Justiz RS0117499) an (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 84; zum Charakter nachträglicher Schadensgutmachung vgl RIS-Justiz RS0094277, RS0094617, RS0094217, RS0094131).
Der Rüge (Z 5 zweiter Fall) zum Schuldspruch I/11 zuwider haben die Tatrichter Angaben des Zeugen S***** zu Zahlungsversprechen des Mag. Hubert I***** nach Mitteilung seitens der C***** GmbH im Februar 2014 zu künftig unterbleibender Leistungserbringung ohne entsprechende Besicherung nicht „völlig außer Acht gelassen“. Sie haben diese vielmehr – als nach der jeweiligen Auftragserteilung durch den Beschwerdeführer Ende 2013/Anfang 2014 (vgl US 39) erfolgt – in ihre Erwägungen (im Übrigen anders als der Rechtsmittelwerber unter konkreter Anführung der diesbezüglichen Fundstelle in den Akten – US 85) – einbezogen. Gleiches gilt für den Umstand, dass sich die am 2. Juni 2015 eingebrachte Sachverhaltsdarstellung der C***** GmbH ausschließlich gegen Mag. Hubert I***** richtete (US 84).
Zu einer expliziten Erörterung des aus dem Zusammenhang gerissenen Details der Aussage des Zeugen S*****, wonach er und „Herr As*****“ „mit offenen Karten gespielt“ hätten, waren die Tatrichter dem Gebot zu voller Bestimmtheit, aber gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend (RIS Justiz RS0106642, RS0098377) nicht gehalten, wobei die Rüge zudem die konkrete Fundstelle wiederum nicht nennt (RIS Justiz RS0124172).
Zum Schuldspruch I/7/b reklamiert die Rüge (nominell Z 10) unter Hinweis auf Konstatierungen zu Abtretungserklärungen zugunsten der Ö***** GmbH über 39.692,21 Euro vom Juni 2014 (aufgrund derer im Übrigen lediglich 12.000 Euro bezahlt wurden – US 30 ff) und Überlegungen zum Wesen derartiger Vereinbarungen, es sei „maximal von einem Betrugsversuch auszugehen“. Solcherart spricht sie eine Strafzumessungstatsache (Z 11 zweiter Fall – vgl RIS Justiz RS0122137; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 645, 712) an, ohne jedoch methodengerecht darzulegen, weshalb Abtretungserklärungen nach täuschungsbedingter Leistungserbringung – hier vor Mitte Mai 2014 (US 2, 30 f) – für die Abgrenzung von versuchter und vollendeter Betrugsstrafbarkeit entscheidend (vgl RIS Justiz RS0117499) sein sollten (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 66, 74, 89, 92, 130).
Die bloße Behauptung, der zum Schuldspruch I/7/b verbleibenden Betrag von 18.201,29 Euro ließe sich auf Lieferungen im Zeitraum „vom 10. Juni 2014 bis 07. August 2014“ zurückführen, orientiert sich erneut ohne Aktenbezug nicht am (im Übrigen mängelfrei unter anderem auf das Gutachten des beigezogenen Sachverständigen gegründeten – US 71 ff) Urteilssachverhalt (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 581; RIS Justiz RS0099810).
Inwiefern mangelnde Feststellungen zu Täuschungshandlungen im „Rechnungszeitraum 4. Juni 2014 bis 31. Juli 2014“ „allenfalls unter dem Nichtigkeitsgrund gem. § 281 Abs. 1 Z 5 zu beachten wären“, bleibt unklar. Der unzutreffende (US 72) Einwand (Z 5 vierter Fall), es werde „lediglich auf die OP-Liste“ von Ö***** GmbH Bezug genommen, bekämpft bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld ( Ratz , WK StPO Vor §§ 280–296a Rz 11, 13).
Entgegen der Kritik von Begründungsmängeln (Z 5 vierter Fall) zu den Schuldspruchpunkten II und III in Bezug auf die „subjektive Tatzeit“ (ersichtlich gemeint: Tatseite) ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wissen oder Wollen (US 126) nicht zu beanstanden und bei leugnenden Angeklagten in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 452; RIS Justiz RS0116882, RS0098671).
Die Konstatierungen zum objektiven Tatgeschehen haben die Tatrichter in Übereinstimmung mit den Kriterien folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen jeweils im Wesentlichen auf das nachvollziehbare Gutachten des beigezogenen Sachverständigen gegründet (US 120 ff) und den zum Schuldspruch III reklamierten (im Übrigen nicht erheblichen) Umstand, dass der Zeuge S***** Rechnungen nicht vorlegen konnte, berücksichtigt (US 125 – vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 409, 421).
Soweit die Rüge schließlich Widersprüche (vgl zum Wesen Ratz , WK StPO § 281 Rz 436 ff) behauptet, weil der „Erstangeklagte hier zum Faktum I.7.) allein tätig gewesen sein soll“ (betreffend Schuldspruch II) und „lediglich der Erstangeklagte zu Faktum I.11.) verurteilt“ wurde (betreffend Schuldspruch III), sowie angesichts „der Funktionsverteilung im gegenständlichen Unternehmen“ und zum Schuldspruch II als übergangen (Z 5 zweiter Fall) kritisierte Beweisergebnisse zur mangelnden Kenntnis des Beschwerdeführers von der Finanzgebarung nicht nennt (vgl demgegenüber die eingehenden Erwägungen des Erstgerichts zu Aussagen von Zeugen zum maßgeblichen Einfluss des Beschwerdeführers in den Unternehmen – US 97 f, US 100 f, US 102 ff, US 109, US 110, US 113 f), bekämpft sie bloß erneut unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.