Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Dr. Harald Burmann em. – Dr. Peter Wallnöfer – Mag. Eva Suitner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.290,15 EUR brutto sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 7. Februar 2020, GZ 15 Ra 4/20f 17, den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Beklagte bestreitet, für Nachzahlungsansprüche der nach § 18 PTSG übergeleiteten Vertragsbedienstenen – wie der Klägerin – passiv legitimiert zu sein, weil die Nachzahlungspflicht gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht verstoße.
1. Diesem Einwand hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 8 Ob 79/19d entgegengehalten, dass es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Nachzahlungsansprüchen um keine der Beklagten als Sonderbelastung übertragene Verpflichtung handelt. Diese Ansprüche ergeben sich schlicht daraus, dass die Beklagte – so wie ihre Rechtsvorgängerin – Dienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr unionsrechtswidrig nicht angerechnet hat. Warum die Beklagte als Dienstgeberin der Klägerin als Dienstnehmerin nicht für das (diskriminierungsfrei berechnete) Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung haften soll, lässt sich der Revision nicht entnehmen.
2. Die Beklagte meint, dass die Nachzahlungsverpflichtung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße, erkennt aber selbst, dass die von ihr diesbezüglich ins Treffen geführten Entscheidungen des EuGH jeweils staatliche Sonderrechte in Bezug auf die organisatorische Gesellschaftsverfassung zu beurteilen hatten. Die Belastung mit dem „zusätzlichen Entgelt“ ergibt sich hier nicht aus einer staatlichen Maßnahme, sondern aus dem Verbot von Altersdiskriminierung. Der Vorwurf der Beklagten, der Bund habe die Nachzahlung durch die Schaffung eines diskriminierenden Besoldungssystems verursacht, blendet aus, dass bei einem von Anfang an diskriminierungsfreien Besoldungssystem (unter Berücksichtigung der Vordienstzeiten) die Zahlungen ebenfalls zu leisten gewesen wären.
Im Übrigen hat bereits das Berufungsgericht richtig darauf verwiesen, dass die Übernahme von Arbeitnehmern zu den für den Rechtsvorgänger verbindlichen Konditionen bei einem Betriebsübergang sowohl nach dem AVRAG als auch nach der BetriebsübergangsRL 2001/03/EG (früher RL 77/187/EWG) in der Regel zwingend ist und die Verpflichtung dazu im Rahmen einer Ausgliederung kein Abgehen von normalerweise für Gesellschaften geltende Regelungen darstellt.
3. Des Weiteren macht die Beklagte eine Verletzung des Grundrechts auf unternehmerische Freiheit geltend und möchte aus der Entscheidung des EuGH C 426/11, Alemo Herron , ableiten, dass eine übermäßige Belastung ausgegliederter Rechtsträger mit öffentlichem Dienstrecht einen Verstoß gegen dieses Grundrecht darstellt.
Auch mit diesem Argument hat sich der Oberste Gerichtshof schon zu 8 ObA 79/19d auseinandergesetzt und dort ausgeführt, dass aus der EuGH Entscheidung nur zu schließen sei, dass der Erwerber nicht durch einen dynamischen Verweis auf nach dem Übergang des Unternehmens verhandelte und geschlossene Kollektivverträge gebunden werden dürfe, wenn ihm verwehrt sei, in den betreffenden Tarifverhandlungsorganen mitzuwirken.
Eine solche Einschränkung enthält das PTSG jedoch nicht. Der Beklagten wurde nach § 19 Abs 3 PTSG ausdrücklich Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt, womit sie die Möglichkeit hat, den Inhalt zukünftiger Kollektivverträge unmittelbar mitzugestalten.
4. Da es der Revision daher nicht gelingt, unionsrechtliche Bedenken zu wecken, muss auf die Frage, ob bei Vorliegen einer Unionswidrigkeit die Zahlungspflicht der Beklagten gegen ihre Arbeitnehmer entfallen würde oder allfällige Ansprüche nur im Verhältnis zum Bund geltend gemacht werden könnten, nicht weiter eingegangen werden.
5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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