11Os28/20g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2020 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, Dr. Bachner Foregger, Mag. Fürnkranz und Dr. Oberressl als weitere Richter im Verfahren zur Unterbringung des Arpad S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. Dezember 2019, GZ 42 Hv 88/19w-54, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Arpad S***** – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – wegen Taten, die als das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB und die Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB jeweils mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil meldete der durch einen
Wahlverteidiger vertretene Betroffene am 12. Dezember 2019 „volle Berufung wegen Schuld und Strafe, Berufung wegen Nichtigkeit“ an (ON 58). Urteil und Hauptverhandlungsprotokoll wurden dem Verteidiger am 30. Jänner 2020 zugestellt. Am 3. Februar 2020 gab er bekannt, dass das Vollmachtsverhältnis aufgelöst werde (ON 61), worauf dem Betroffenen gemäß § 61 Abs 2 StPO eine Verfahrenshilfeverteidigerin beigegeben wurde (ON 62), der das Urteil und das Hauptverhandlungsprotokoll am 10. Februar 2020 zugestellt wurden. Eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wurde schließlich am 5. März 2020 eingebracht.
Diese Rechtsmittelschrift, in der die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO geltend gemacht werden, ist verspätet.
Nach der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde hat der Beschwerdeführer das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung einer Urteilsabschrift eine Ausführung seiner Beschwerdegründe bei Gericht zu überreichen (§ 285 Abs 1 StPO). Diese vierwöchige Frist begann mit der Zustellung der Urteilsausfertigung an den
Wahlverteidiger am 30. Jänner 2020 und endete demzufolge (vgl § 84 Abs 1 StPO) mit Ablauf des 27. Februar 2020. Durch die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zum
Wahlverteidiger und neuerliche Urteilszustellung an die nachfolgend bestellte Verfahrenshilfeverteidigerin wurde diese Frist nicht beeinflusst (§ 63 Abs 2 StPO; RIS Justiz RS0125686, RS0116182; Soyer/Schuhmann , WK StPO § 63 Rz 29 f; Murschetz , WK StPO § 84 Rz 4). Die erst am 5. März 2020 eingebrachte Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde ist daher verspätet.
Die darin geltend gemachten Nichtigkeitsgründe haften dem Urteil im Übrigen ebenso wenig an wie von Amts wegen wahrzunehmende.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war, weil auch bei deren Anmeldung keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurden, ebenso sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO), wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die verbleibende Berufung (§ 285i StPO).