JudikaturOGH

14Os148/19z – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Dr. Ondreasova in der Strafsache gegen Bernhard J***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. August 2019, GZ 46 Hv 73/19v 85, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bernhard J***** – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./A./1./), der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (I./A./2./) sowie des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB (V./A./ und B./) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und aus Anlass der zu V./ begangenen Taten gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Nach den zuvor genannten Schuldsprüchen hat er in W*****

I./ Nachgenannte am Körper

A./ verletzt, und zwar am 18. Jänner 2019

1./ indem er aggressiv auf Bilal B***** und Tibor P***** losging und wild um sich schlug, wodurch B***** eine Prellung des rechten Daumens und P***** eine Zerrung der Sehne des rechten Ringfingers sowie eine Verletzung der Gelenkskapsel erlitt;

2./ durch die zu V./B./ beschriebene Tat einen Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben, wodurch Marcus W***** eine Prellung und Zerrung des linken Fußknöchels erlitt;

(...)

V./ am 18. Jänner 2019 Beamte mit Gewalt an Amtshandlungen zu hindern versucht, nämlich

A./ Bernhard K*****, Manuel S*****, Michael Sc*****, W*****, N. T***** und Matthias E***** an der Durchsuchung seiner Kleidung, indem er gegen diese trat und schlug;

B./ S*****, K***** und W***** an seiner Verbringung in die Arrestzelle, indem er in ihre Richtung schlug und trat und sich mit seinem Körper auf die Beine von W***** fallen ließ, wodurch dieser mit seinem Fuß nach außen knickte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Voranzustellen ist, dass die Anordnung einer Maßnahme nach § 21 StGB einen Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 3 StPO darstellt, der (neben einer Anfechtung mit Berufung) nur insoweit mit Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO bekämpft werden kann, als das Schöffengericht seine Anordnungsbefugnis überschritten (Z 11 erster Fall, allenfalls in Verbindung mit Z 2 bis 5a), oder die gesetzlichen Kriterien für die Gefährlichkeitsprognose verkannt hat, indem es eine der zwingend zu berücksichtigenden Erkenntnisquellen (die Person des Rechtsbrechers, seinen Zustand und die Art der Tat) übergangen oder aus diesen einen unvertretbaren Schluss gezogen hat (Z 11 zweiter Fall). Die dem Ermessensbereich zuzuordnende Gefährlichkeitsprognose ist hingegen ausschließlich mit Berufung bekämpfbar (vgl RIS Justiz RS0118581, RS0113980; Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 21-25 Rz 8 f).

Die Sanktionsrüge (nominell Z 11 erster Fall, der Sache nach Z 11 zweiter Fall) behauptet, die gegenständlichen Anlasstaten seien von geringer Intensität, weil sie „weder eine besondere Aggression, noch eine besondere Koordinierung oder besondere (schwere) Verletzungsabsicht“ zeigen würden und im Versuchsstadium geblieben seien. In der Person oder im Zustand des Angeklagten gelegene, die Einweisung dennoch rechtfertigende Umstände seien jedoch „nicht vorhanden respektive wurde[n] diese vom Erstgericht nicht ausreichend festgestellt“. Damit zeigt sie keine rechtsfehlerhafte Bewertung der Prognosekriterien iSd Z 11 zweiter Fall auf, welche somit die Annahme einer hohen Wahrscheinlichkeit für die Begehung von „Taten wie die gegenständlichen und darüber hinaus auch Taten, die schwere Folgen nach ziehen, wie schwere Körperverletzungen“ (US 11), willkürlich erscheinen lässt, sondern erstattet lediglich ein Berufungsvorbringen. Dies gilt auch für die Behauptung, eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Taten mit schweren Folgen liege nicht vor.

Entgegen der weiteren Beschwerde hat das Schöffengericht bei der Gefährlichkeitsprognose erkennbar (auch) die zu V./ genannten Taten berücksichtigt (arg „leitet sich aus den Taten ab, bei denen Tibor P***** und RevInsp. Marcus W***** erheblich und mit langwierigen Folgen verletzt worden sind“ [US 16]) und somit das Prognosekriterium der Art der Tat nicht außer Acht gelassen. Im Übrigen ist das zu I./A./1./ beschriebene Verhalten des Angeklagten im Krankheitszustand auch als in der Person des Rechtsbrechers und in seinem Zustand gelegener Umstand zu bewerten, weshalb das Schöffengericht – der Beschwerde zuwider – das (gesamte) Verhalten des Angeklagten am Nachmittag des 18. Jänner 2019, somit auch die (der Anlasstat vorangegangene) Verletzung des Opfers P*****, bei der Gefährlichkeitsprognose berücksichtigen durfte.

Entgegen der Beschwerde (Z 11 erster Fall) hat das Schöffengericht durch die Konstatierung, wonach der Angeklagte „eine ausgeprägt emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit hoher Impulsivität“ aufweist, „welche für die strafbaren Handlungen relevant war, weil sie die Steuerungsfähigkeit herabsetzt“ (US 11), den Einfluss des auf geistiger oder seelischer Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustandes auf die Anlasstaten hinreichend deutlich festgestellt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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