11Os1/20m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Dr. Schöll als Schriftführer in der Strafsache gegen Abdessamad M***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 21. November 2019, GZ 36 Hv 104/19t 37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Hirsch zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und insoweit in der Sache selbst erkannt:
Abdessamad M***** wird für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG und das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im Übrigen wird verworfen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Abdessamad M***** des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (1) sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (2) schuldig erkannt.
Danach hat er in S***** und andernorts vorschriftswidrig im Zeitraum von zumindest
1) Sommer 2018 bis 21. August 2019 zumindest 240 Gramm Kokain (Wirkstoff: Cocain) zum persönlichen Gebrauch erworben und bis zum Eigenkonsum besessen;
2) 12. Oktober 2018 bis 17. August 2019 Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einer Vielzahl von Suchtgiftabnehmern überlassen, und zwar 796,5 Gramm Kokain (Wirkstoff: Cocain) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 49,44 % und 90 Gramm Kokain (Wirkstoff: Cocain) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 20 %.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich jeweils aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Letzterer macht zudem Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO geltend.
Mit der – gegen den Schuldspruch (2) gerichteten – Behauptung (Z 5 fünfter Fall), das Erstgericht „kann“ seine Feststellungen zur Qualität des Suchtgifts (US 3 f) nicht auf die Angaben des Angeklagten stützen, sondern hätte den Reinheitsgehalt entsprechend seiner Aussage, wonach Tomislav K***** ihm „sowieso nicht so gute Qualität gebracht“ habe (ON 36 S 8), im Zweifel unter 49,44 % ansetzen müssen, spricht die Rüge von ihr reklamierte – die unrichtige oder unvollständige Wiedergabe des Inhalts einer Aussage oder eines anderen Beweismittels voraussetzende (RIS Justiz RS0099547) – Aktenwidrigkeit nicht an.
Ebenso wenig wird mit dem Einwand fehlender Auseinandersetzung damit, dass die Annahme eines Reinheitsgehalts von „immer zumindest 49,44 %“ jeder Logik widerspreche, ein Begründungsmangel aufgezeigt, vielmehr bloß unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffensenats bekämpft (RIS Justiz RS0098471).
Dem Vorwurf von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider waren die Tatrichter dem Gebot zu bestimmter, aber gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, die erwähnte Passage der Aussage des Angeklagten gesondert zu erörtern (vgl RIS Justiz RS0116504, RS0106642, RS0106295) . Denn bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Beweisergebnisse (vgl ON 2 S 6) und der sonstigen Verantwortung des Angeklagten, der bloß unspezifisch von unterschiedlicher Qualität des Suchtgifts sprach (vgl ON 8 S 3 und ON 36 S 3 f) und darlegte, er habe von Tomislav K***** nichts gekauft, wenn dieser schlechte Qualität gehabt habe (ON 36 S 4, S 6 und S 8), handelt es sich dabei um kein Beweisergebnis, das den Feststellungen zum Reinheitsgehalt (US 3) und der ohnehin angenommenen günstigsten Variante (US 4) entgegensteht.
Die Kritik, es sei unberücksichtigt geblieben, dass der Angeklagte einen Teil des Suchtgifts unentgeltlich weitergegeben habe (inhaltlich Z 10), lässt die gebotene Ableitung aus dem Gesetz vermissen (RIS Justiz RS0116565), inwiefern dies für die Annahme der Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG von Bedeutung sein sollte (vgl Schwaighofer in WK² SMG § 28a Rz 6 iVm § 27 Rz 39).
In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zu verwerfen.
Zutreffend hingegen zeigen der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf, dass das Erstgericht bei der Strafzumessung irrig (vgl US 5) von einer Strafbefugnis von fünf bis zu fünfzehn Jahren und nicht von jener des hier maßgeblichen § 28a Abs 4 SMG von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen ist.
Diese Überschreitung der Strafbefugnis bewirkt – unabhängig davon, ob die konkret verhängte Strafe wie hier innerhalb des zulässigen Strafrahmens liegt – Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO (RIS Justiz RS0099852, RS0099762, RS0116127 [T1]).
Demgemäß war – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben und in diesem Umfang wie aus dem Spruch ersichtlich in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).
Bei der durch die Aufhebung des Strafausspruchs erforderlichen Strafneubemessung waren mildernd das reumütige Geständnis und die Tatsache zu werten, dass der Angeklagte durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB), als erschwerend war das Zusammentreffen eines Vergehens mit einem Verbrechen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) zu veranschlagen.
Davon ausgehend erweist sich eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Jahren und sechs Monaten als tat und schuldangemessen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen (§ 400 Abs 1 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.