JudikaturOGH

10Ob49/19g – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Januar 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj E*, geboren * 2010, vertreten durch das Land Niederösterreich als Kinder und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt St. Pölten, Jugendhilfe, 3100 St. Pölten, Rathausplatz 1), wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 30. April 2019, GZ 23 R 132/19p 41, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 28. Februar 2019, GZ 2 Pu 42/15k 37, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Vater verpflichtete sich im 2015 geschlossenen Scheidungsfolgenvergleich zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 247 EUR für das 2010 geborene Kind.

Am 28. 1. 2019 beantragte das Kind, vertreten durch das Land Niederösterreich als Kinder und Jugendhilfeträger (KJHT) die Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbetrags auf 340 EUR von 1. 9. bis 31. 12. 2018 und auf 360 EUR ab 1. 1. 2019 (ON 35). Der Vater erziele ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 2.124 EUR. Ab 1. 1. 2019 habe er die Möglichkeit, zumindest die Hälfte des Familienbonus Plus für seine beiden Kinder zu beantragen. Dadurch erhöhe sich die Bemessungsgrundlage auf monatlich 2.249 EUR.

In diesem Unterhaltsverfahren, an dem sich der Vater nicht beteiligt hat, ist alleiniges Thema, ob der Familienbonus Plus die Unterhaltsbemessungsgrundlage – wie vom Kind vorgebracht – erhöht.

Das Erstgericht erhöhte den monatlichen Unterhaltsbetrag ab 1. 9. 2018 auf 340 EUR und wies das Mehrbegehren, den Unterhalt ab 1. 1. 2019 auf monatlich 360 EUR zu erhöhen, ab. Es lehnte eine Anspannung des Vaters auf jeweils 50 % des Familienbonus Plus für zwei geldunterhaltsberechtigte Kinder ab (ON 37).

Das Rekursgericht gab dem gegen die Abweisung des Erhöhungsbegehrens ab 1. 1. 2019 gerichteten Rekurs des Kindes nicht Folge (ON 41). Der Familienbonus Plus stehe nur bei voller Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung zu. Der Vater habe nach der Aktenlage in der Vergangenheit seine Unterhaltsverpflichtung nicht vollständig erfüllt, was zu Exekutionen und zur Gewährung von Unterhaltsvorschüssen geführt habe. Spanne man den Unterhaltsschuldner auf einen ihm gar nicht zustehenden Familienbonus Plus an, profitiere das Kind oder der Haushalt, in dem es lebe, doppelt. Der Unterhalt werde erhöht, der betreuende Elternteil oder dessen Partner könne den vollen Familienbonus Plus ausschöpfen. Ein derartiger doppelter Vermögensvorteil entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers. Schon aus diesem Grund sei einer unreflektierten Anwendung des Anspannungsgrundsatzes eine Absage zu erteilen.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass es zur Berücksichtigung des Familienbonus Plus keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.

Rechtliche Beurteilung

Der unbeantwortet gebliebene Revisionsrekurs des Kindes ist entgegen diesem nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1.1 Der Oberste Gerichtshof hat sich in der erst nach Beschlussfassung in zweiter Instanz ergangenen Entscheidung 4 Ob 150/19s ausführlich mit der Frage der Behandlung des Familienbonus Plus im Unterhaltsrecht auseinandergesetzt. Mit dieser Entscheidung erfolgte aus Anlass der neuen gesetzlichen Regelung zum Familienbonus Plus mit dem Jahressteuergesetz 2018, BGBl I 2018/62, eine Neuausrichtung der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung:

1.2 Der Familienbonus Plus ist – so wie der Unterhaltsabsetzbetrag – ein echter Steuerabsetzbetrag. Der Gesetzgeber hat den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch steuergesetzliche Maßnahmen herbeizuführen. Dadurch findet eine Entkoppelung von Unterhaltsrecht und Steuerrecht statt. Die verfassungsrechtlich gebotene steuerrechtliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen erfolgt nunmehr durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag. Der Familienbonus Plus ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Eine Anrechnung von Transferleistungen findet nicht mehr statt. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag bleiben damit unterhaltsrechtlich neutral.

2. Dieser Rechtsansicht hat sich der Oberste Gerichtshof mittlerweile in zahlreichen Entscheidungen angeschlossen (ua 10 Ob 71/19t; 10 Ob 65/19k). Damit liegt bereits eine gefestigte höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, die den Familienbonus Plus bei der Unterhaltsbemessung nicht berücksichtigt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen entsprechen dieser neuen unterhaltsrechtlichen Judikatur des Obersten Gerichtshofs. Eine erhebliche Rechtsfrage ist nicht mehr zu beantworten. Der Revisionsrekurs des Kindes ist somit zurückzuweisen.

Rückverweise