11Os159/19w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schrott als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marek M***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 16. September 2019, GZ 28 Hv 58/19a 47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – Marek M***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.
Danach hat er im Frühjahr 2017 bis 6. November 2018 in Bern und Zürich zur vorschriftswidrigen Einfuhr von Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge von der Schweiz über nicht näher bestimmbare Grenzübergänge nach Österreich durch den abgesondert verfolgten Rene S***** beigetragen, wobei er die Tat in Bezug auf Suchtgift in einer das 25 Fache der Grenzmenge übersteigenden Menge beging, und zwar indem er den Transport einer Menge von insgesamt 23.130 g THC haltigem Cannabisharz mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 11 % (2.544 g reines THC, davon 92 % THCA, das sind 2.340 g entsprechend 58,51 Grenzmengen und 8 % Delta 9 THC, das sind 203,54 g entsprechend 10,17 Grenzmengen) in mehreren Teilhandlungen mit dem Flugzeug von Nepal über Delhi nach Bern oder Zürich „zum Teil selbst durchführte oder zum anderen Teil Suchtgiftkuriere für diese Aufgabe anwarb“ und das Suchtgift in Europa an den abgesondert verfolgten Rene S***** übergab, der es über unbekannte Grenzübergänge von der Schweiz nach Österreich einführte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Vor Eingehen auf die Mängelrüge (Z 5) ist zu betonen, dass mit diesem Nichtigkeitsgrund nur formelle Begründungsmängel hinsichtlich entscheidender Tatsachen geltend gemacht werden können. Tatsachen sind in diesem Sinn entscheidend, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld oder Freispruch oder – im Fall gerichtlicher Strafbarkeit – darüber beeinflusst, welche strafbaren Handlungen begründet werden (RIS Justiz RS0117264).
Mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen, wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen, zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch – im Sinn einer logischen Unverträglichkeit – besteht (RIS Justiz RS0119089).
Aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) sind die Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder einer Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben, mit anderen Worten: wenn sich im Urteil ein falsches Zitat aus den Akten findet (vgl RIS Justiz RS0099547). Die Richtigkeit von auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüssen kann unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit hingegen nicht angefochten werden (RIS Justiz RS0099524).
Die Mängelrüge kritisiert die Feststellungen zur Übergabe eines von insgesamt drei Koffern mit je ca 8 kg Cannabisharz, spricht damit aber im Hinblick auf die verbleibende Menge von rund zwei Dritteln der insgesamt inkriminierten Gesamtmenge von 23.130 Gramm brutto (2.340 Gramm THCA und 203,54 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz) gerade keine entscheidende Tatsache an.
Abgesehen davon stellt die von der Beschwerde aufgezeigte Diskrepanz zwischen den Urteilsfeststellungen zur ersten Kofferübergabe im Mai 2017 und den aktenkundigen Daten aus dem thailändischen Grenzregistrierungssystem (vgl ON 2 S 5 f) weder einen Widerspruch noch eine Aktenwidrigkeit im oben dargestellten Sinn dar. Der Sache nach bekämpft der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen („aus … lässt sich … nicht [der] Schluss ziehen“) bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die Beweiswürdigung des Erstgerichts, das diese Feststellungen primär auf die – auf dessen „Buchhaltungsunterlagen“ basierenden – belastenden Angaben des Rene S***** stützte (US 10).
Schließlich gelingt es der Beschwerde mit dem Hinweis auf die Depositionen des Angeklagten, dessen in Thailand registrierte Reisebewegungen und das Aussageverhalten des Zeugen S***** auch nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken (Z 5a) gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen zu erwecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) anzumerken, dass ein „Handeln als Beitragstäter“ (US 14) per se keinen besonderen Erschwerungsgrund darstellt, jener des § 33 Abs 1 Z 4 dritter Fall StGB aber eine „führende Beteiligung“ (an den gerade auch vom Beitragstäter zu verantwortenden Taten) verlangt. Ob eine solche vorliegt, wird das Berufungsgericht ungeachtet des Umstands, dass das Erstgericht bei der Strafbemessung (ohne nähere Begründung) von einer „untergeordneten Täterrolle“ ausgegangen ist, im Rahmen der Berufungsentscheidung zu beurteilen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.