11Os130/19f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schrott als Schriftführerin in der Strafsache gegen F***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 30. Juli 2019, GZ 13 Hv 50/19v 27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde F***** eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I) und eines Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er vom 27. Februar 2014 bis Ende März 2014 in T*****
(I) mit einer unmündigen Person, nämlich der am ***** 2008 geborenen L*****, eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung, nämlich den Oralverkehr, unternommen und
(II) durch das zu I geschilderte Verhalten mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.
Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Nur in der Hauptverhandlung gestellte Anträge können Grundlage einer Verfahrensrüge (Z 4) sein. Anträge, die in Schriftsätzen außerhalb der Hauptverhandlung eingebracht wurden, erfüllen diese Voraussetzung nur, wenn sie vom Antragsteller in der Hauptverhandlung wiederholt (dh an den Kriterien des § 55 StPO orientiert formell gestellt) wurden. Die Erklärung, zuvor in einem Schriftsatz, nicht aber in der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge „aufrecht“ zu halten, reicht dafür nicht aus (RIS Justiz RS0099099 [insbesondere T8, T11], RS0099511 [insbesondere T1, T5, T6, T7, T8]).
Die Beschwerde beruft sich – im Übrigen ohne konkreten Aktenbezug (siehe aber RIS Justiz RS0124172) – auf einen „in der Hauptverhandlung und auch im Ermittlungsverfahren“ gestellten „Antrag“, „einen Lokalaugenschein durchzuführen“. Dazu ist aus den Verfahrensakten festzuhalten, dass der Angeklagte mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2018 (ON 18) die Durchführung eines „Lokalaugenschein[s] zur Tatrekonstruktion“ beantragte. Nach dem ungerügt gebliebenen Protokoll über die Hauptverhandlung am 30. Juli 2019 erklärte er dort (durch seinen Verteidiger), „den Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheins aufrecht“ zu halten (ON 26 S 43).
Aus dem angesprochenen Protokollsinhalt ergibt sich damit – nach dem eingangs Gesagten – (schon) keine unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 4 StPO beachtliche Antragstellung.
Daran ändert nichts, dass das Schöffengericht bezüglich dieses „Antrags“ ein – solcherart überflüssiges – abweisliches Zwischenerkenntnis (ON 26 S 44) gefasst hat (RIS Justiz RS0099511 [T9]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO, ebenso wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO), schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung gegen den Strafausspruch kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.