JudikaturOGH

1Ob228/19i – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Parzmayr und Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. W***** und 2. F*****, beide *****, vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in Liezen, gegen die beklagte Partei Ö*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH, Graz, wegen 40.000 EUR sA und Feststellung, über die „außerordentliche“ Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2019, GZ 4 R 147/19y 15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 15. Juli 2019, GZ 8 Cg 68/18p 11, bestätigt wurde in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Berufungsgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Kläger sind jeweils Eigentümer einer Eigentumswohnung. Die Beklagte wird auf benachbarten Grundstücken ein von der Baubehörde bereits bewilligtes Projekt verwirklichen. Im Zusammenhang damit begehren die Kläger von ihr die Zahlung von 40.000 EUR sA „zur gesamten Hand“ und die Feststellung deren Haftung ihnen gegenüber „zur gesamten Hand“ für sämtliche zukünftige Schäden, die durch negative Immissionen durch das zu errichtende Mehrfamilienwohnhaus entstehen werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands hielt es für nicht erforderlich, weil bereits dessen in Geld bestehender Teil 30.000 EUR übersteige.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die „außerordentliche“ Revision der Kläger, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

Diese Aktenvorlage widerspricht dem Gesetz.

1. Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Streitgegenstands in zweiter Instanz wohl 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision aber jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert 5.000 EUR nicht übersteigt.

2. Ist in einem Verfahren (wie hier) Anspruchs- und gleichzeitig Parteienhäufung gegeben, sind zwar die gehäuften Ansprüche der betreffenden Partei – bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs 1 Z 1 JN – zusammenzurechnen, nicht jedoch diese Ansprüche mit jenen der übrigen formellen Streitgenossen ( Gitschthaler in Fasching/Konecny 3 I § 55 JN 23/1). Beispielsweise sind Ansprüche mehrerer Geschädigter aus demselben Unfallereignis ebenso wenig zusammenzurechnen (RIS Justiz RS0037838 [T32]) wie Unterhaltsansprüche, die sich gegen beide Elternteile richten (RS0037838 [T47]). Die Regelungen über die Zusammenrechnung nach § 55 JN sind gemäß dessen Abs 4 auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend.

Eine Zusammenrechnung der Ansprüche mehrerer Parteien (auf einer Seite) hätte nur bei Vorliegen einer materiellen Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO zu erfolgen (§ 55 Abs 1 Z 2 JN). Eine solche liegt auf Klägerseite dann vor, wenn diese in Ansehung des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt sind. Eine Berechtigung aus demselben tatsächlichen Grund im Sinne des § 11 Z 1 ZPO setzt einen einheitlichen rechtserzeugenden Tatbestand voraus, ohne dass für einen Streitgenossen etwa noch weitere rechtserzeugende Tatsachen für die Ableitung des Anspruchs hinzutreten (RS0035450).

3. Die hier vorliegende (bloß faktische) gemeinsame Nutzung (durch eine Verbindungstüre) verändert die (voneinander unabhängigen und getrennten) Eigentumsverhältnisse an den beiden Eigentumswohnungen nicht. Die bloße Behauptung der Kläger, es liege eine Gesamthandforderung vor, führt angesichts der Begehren der Wohnungseigentümer auf Zahlung als Ersatz für die angebliche Minderung des Verkehrswerts (ihrer jeweiligen Eigentumswohnungen) und auf Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden, nicht zu einer Streitgenossenschaft gemäß § 11 Z 1 ZPO. Daran kann auch ihre Behauptung, sie – also die Kläger – hätten dies miteinander so vereinbart, nichts ändern, weil eine Vereinbarung von Gläubigern verschiedener Forderungen untereinander das Rechtsverhältnis zum (behaupteten) Schuldner nicht (einseitig) verändern kann.

4. Das Berufungsgericht wird daher die fehlende getrennte Bewertung (für jeden Kläger) nachzuholen haben.

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