11Os147/19f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Josef Karl P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 17. September 2019, GZ 38 Hv 77/19v 41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde die Unterbringung des Josef-Karl P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
Danach hat er am 1. April 2019 in I***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich eines manisch psychotischen Zustandbilds im Rahmen einer schizoaffektiven Störung (F 25.0 ICD-10), beruht,
I./ S***** zu töten versucht, indem er ihr mit einem spitzen, insgesamt 25 cm langen Messer mit Wellenschliff und einer Klingenlänge von etwa 12 cm wuchtig gegen das Kinn stach, wodurch die Genannte zu Boden stürzte und eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich eine zumindest 5 cm lange Stichverletzung am linken Kinn entlang des Unterkiefers, weiters eine Halswirbelsäulenzerrung und eine Prellung der linken Schulter erlitt;
II./ M***** eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen versucht, indem er sich im Anschluss an die zu I./ geschilderte Tat mit dem selben Messer in der Hand auf sie zubewegte und versuchte, ihr eine Stichverletzung zuzufügen,
somit Taten begangen, die als das Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB [I./] und das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB [II./] jeweils mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.
Die Geschworenen hatten die Hauptfragen nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB ebenso bejaht wie die in Richtung Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) gestellte Zusatzfrage. Die Eventualfragen zur Hauptfrage 1./ in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB, des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 85 Abs 2 (Abs 1 Z 2) StGB und „des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4, Abs 5 Z 1 StGB“ (siehe aber RIS Justiz RS0132358 [insbesondere T1]) sowie zur Hauptfrage 2./ in Richtung des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB blieben demnach unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus § 345 Abs 1 Z 8 und 13 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.
Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Fragen an die Geschworenen gerichtet sind, die Auslegung der in diesen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene Inhalt der im Gesetz genannten Belehrung (RIS Justiz RS0125434). Eine prozessordnungsgemäße Ausführung der Instruktionsrüge (Z 8) verlangt daher den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS-Justiz RS0119549). Die Beschwerdebehauptung, es sei „ausschließlich zu … §§ 15, 75 StGB … und § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB der relevante Strafrahmen, … hinsichtlich der anderen Delikte aber kein Strafrahmen angeführt“, wodurch „der Eindruck [entsteht], dass der Schwurgerichtshof wahrscheinlich von einer derartigen Subsumtion ausgeht … und den Geschworenen die Bejahung … indirekt nahelegt“, entspricht diesen Kriterien nicht (vgl im Übrigen RIS Justiz RS0100949, RS0101085).
Soweit dieses Vorbringen der Sache nach eine Einflussnahme auf die Beweiswürdigung der Geschworenen im Rahmen der Rechtsbelehrung anspricht, ist dies unter dem Aspekt des § 345 Abs 1 Z 8 StPO unbeachtlich (RIS Justiz RS0116640; Philipp , WK StPO § 321 Rz 14).
Indem sich die Instruktionsrüge auf die unbeantwortet gebliebenen Eventualfragen 3./ und 4./ bezieht, verkennt sie, dass die Rechtsbelehrung nur insofern angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die den Geschworenen tatsächlich (also mit der Notwendigkeit aktueller Beantwortung) gestellt wurden (RIS Justiz RS0101091 [T5, T6, T8], RS0110682, RS0111311; Philipp , WK-StPO § 321 Rz 19 f).
Aus welchem Grund die – offenkundig auf einem bloßen Schreibfehler beruhende – Passage zur Eventualfrage 3./, dass diese auf „das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 und Abs 5 Z 1 StGB“ (S 9 der Rechtsbelehrung) gerichtet sei, Auswirkungen auf die Beantwortung der beiden Hauptfragen haben sollte ( Ratz , WK StPO § 345 Rz 63), wird mit dem Hinweis, dass auch die Belehrung zur Eventualfrage 4./ auf die Instruktion zur Eventualfrage 3./ verweist, nicht nachvollziehbar dargelegt.
Gleiches gilt für die Kritik an der Unterweisung der Geschworenen zu den Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage (S 14 f der Rechtsbelehrung). Inwiefern bloß durch die verfehlte Anführung des § 15 StGB bei der auf das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung gerichteten Eventualfrage 1./ die Folgen einer Verneinung der Hauptfrage 1./ unrichtig dargestellt sein sollten, erklärt die Beschwerde nicht.
Indem die Sanktionsrüge (Z 13) die Urteilsannahmen zum auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustand des Betroffenen und dessen Einfluss auf die Anlasstat (US 3 f) übergeht, wird die Anordnung der Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB nicht verfahrenskonform (aus Z 13 erster Fall) bekämpft ( Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 21–25 Rz 9; RIS-Justiz RS0113980). Soweit die Beschwerde die Gefährlichkeitsprognose in Frage stellt und das Übergehen einer der in § 21 Abs 1 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) behauptet (Z 11 zweiter Fall), vernachlässigt sie die auf das Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen gegründeten Feststellungen zum tataktuellen Zustand des Betroffenen (US 4).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Betroffenen folgt (§§ 344, 285i StPO).