7Ob152/19g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der zu AZ 39 Cg 1/18y des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Z*, vertreten durch Hasberger Seitz Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P* KG, 2. * T* KG, *, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in Graz, 3. DI Dr. H* L*, vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, 4. L* AG, *, vertreten durch Dr. Michael Drexel, Rechtsanwalt in Graz, 5. V* S*, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in Graz, wegen 3.041.628,85 EUR sA, hier wegen Ablehnung, über den Rekurs der drittbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 8. August 2019, GZ 2 Nc 11/19t 1, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Das Verfahren 7 Ob 152/19g wird fortgesetzt.
II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit der dem Anlassverfahren zugrunde liegenden Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten zu ungeteilter Hand die Zahlung von 3 Mio EUR, und von den Erst bis Drittbeklagten sowie der Fünftbeklagten die Zahlung weiterer 41.628,85 EUR, jeweils samt Anhang. Sie habe als Haftpflichtversicherin des – einen Liegenschaftskaufvertrag abwickelnden – Treuhänders den Käuferinnen den geltend gemachten Betrag ersetzt. Sämtliche gegenüber den Beklagten bestehenden Ansprüche und Forderungen ihres Versicherungsnehmers – aus jedem erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere nach §§ 1431 ff ABGB und § 1041 ABGB – seien auf sie gemäß § 67 VersVG übergegangen.
Die Beklagten beantragten jeweils die Klagsabweisung.
Gegen das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts vom 6. 2. 2019 erhob die Klägerin Berufung. Die Beklagten erstatteten Berufungsbeantwortungen.
Mit Schriftsatz vom 4. 6. 2019 lehnte der Drittbeklagte die Mitglieder des Rechtsmittelsenats des Oberlandesgerichts Graz (*) Senatspräsident Dr. *, und die Richterinnen Mag. * und Mag. * als befangen ab.
Mit Beschluss vom 8. 7. 2019 wies der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Graz (*) diesen Ablehnungsantrag ab.
Dagegen erhob der Drittbeklagte am 24. 7. 2019 Rekurs und lehnte die an der Ablehnungsentscheidung beteiligten Richter des Oberlandesgerichts Graz Senatspräsidentin Dr. *, und die Richterinnen Mag. * und Mag. * ab.
Mit Beschluss vom 8. 8. 2019, GZ 2 Nc 11/19t 1, wies das Oberlandesgericht Graz durch die beteiligten Richter Senatspräsident Dr. *, und die Richter Dr. * und Mag. * auch diesen Ablehnungsantrag ab. Es sei nicht Aufgabe des Ablehnungssenats zu klären, ob das Konkursverfahren gegen die R* OG – die nicht Partei des zugrunde liegenden Zivilprozesses sei – allenfalls zu Unrecht weitergeführt werde. Aus welchem Grund es für die Entscheidung wesentlich sein soll, dass B* L* mehrere (sieben) Kinder mit Gesellschafterinnen der eben genannten OG habe, sei ebensowenig erkennbar, wie die Relevanz des Umstands, dass der Ablehnungswerber der Bruder von B* L* sei. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass „eine Abscheu der abgelehnten Richter gegen B* L*, seinen Lebensstil, etc“ bestehe und schon gar nicht dafür, dass eine solche eine Motivation für die Entscheidung gewesen sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs des Drittbeklagten mit einem Abänderungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
I. Der vom Drittbeklagten gleichzeitig mit dem Rekurs erhobene Parteienantrag auf Normenkontrolle, mit dem er die Aufhebung der § 116 Abs 3 GeO erster Satz; § 78 StPO; § 7 Abs 1 JN; § 10 JN; sowie konkret genannter Wortfolgen in den §§ 19 Abs 2 JN; 21 Abs 2 JN; § 22 Abs 3 JN und § 22 Abs 2 JN begehrte, wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. 9. 2019, (G 200/2019, G 202/2019, V 71/2019) zurückgewiesen.
Das mit Beschluss vom 23. 9. 2019 unterbrochene Verfahren ist fortzusetzen.
II. Zum Rekurs:
1. Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.
2.1 In seinem Rekurs lehnt der Drittbeklagte nunmehr auch die Richter des Oberlandesgerichts Graz, die über seinen Ablehnungsantrag entschieden haben, Senatspräsident Dr. *, und die Richter Dr. * und Mag. * ab.
2.2 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine sofortige Entscheidung über ein Rechtsmittel, wenn darin ein Ablehnungsantrag gestellt wird, dann zulässig, wenn unter anderem kein konkreter Befangenheitsgrund ins Treffen geführt wurde (2 Ob 155/18k mwN). Diese Voraussetzung liegt hier vor, weshalb eine sofortige Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof möglich ist.
3. Das Ablehnungsverfahren ist zwar grundsätzlich zweiseitig, sodass dem Gegner des Ablehnungsverfahrens sowohl in erster als auch in zweiter Instanz an sich durch Einräumung einer Äußerungsmöglichkeit Gehör zu gewähren ist (RS0126587). Bei einer offenbaren Unbegründetheit des Ablehnungsantrags – wie sie hier vorliegt – kann von der Einholung einer Rekursbeantwortung allerdings Abstand genommen werden (RS0126587 [T2]).
4.1 Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive (vgl RS0045975). Sie liegt erst dann vor, wenn die Fähigkeit zur sachlichen Beurteilung fehlt oder irgendwie behindert ist oder eine solche Behinderung doch mit Grund befürchtet werden muss (vgl RS0045961). Schon der Anschein einer Voreingenommenheit soll vermieden werden (RS0046052). Allerdings ist bei der Prüfung der Unbefangenheit ein strenger Maßstab anzulegen, die Ablehnung soll nicht die Möglichkeit bieten, dass sich Parteien eines nicht genehmen Richters entledigen können (RS0109379). Eine allfällige Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung oder deren Begründung bilden grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund (vgl RS0111290), zumal es nicht Aufgabe des Ablehnungssenats ist, eine Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (RS0046047). Grundsätzlich sind Ablehnungsgründe detailliert und konkret anzugeben (RS0045962 [T6, T7]). Ob der abgelehnte Richter befangen ist, ist dabei stets in Bezug auf die Rechtssache zu prüfen, in welcher er wegen Befangenheit abgelehnt worden ist (RS0045966) – hier also in einem Ablehnungsverfahren.
4.2 Der Drittbeklagte wirft dem Rechtsmittelsenat im Hauptverfahren (3 R 59/19z) vor, als Rekurssenat im Konkursverfahren über das Vermögen der – im vorliegenden Verfahren nicht beteiligten – R* OG in seiner Rekursentscheidung „unter Zugrundelegung erkennbar falscher Bescheinigungen über Vermögenswerte und der Missachtung vermeintlicher Unregelmäßigkeiten im Konkursverfahren“ unrichtig eine Überschuldung angenommen zu haben. Diese Ausführungen laufen darauf hinaus, dass im zu beurteilenden Ablehnungsverfahren nicht beteiligte Richter in einem Konkursverfahren unrichtig entschieden haben sollen, das insoweit einen Zusammenhang mit dem Drittbeklagten aufweisen soll, als dessen Bruder gemeinsame Kinder mit Gesellschafterinnen der Schuldnerin haben soll. Ausreichende Gründe, die bei objektiver Betrachtung die Befürchtung erwecken können, die abgelehnten Richter hätten sich im hier vorliegenden Ablehnungsverfahren von unsachlichen Motiven leiten lassen, legt der Drittbeklagte damit nicht im Ansatz dar.
4.3 Auch der behauptete Umstand, ein Angehöriger der Senatspräsidentin Dr. * vertrete einen – an diesem Zivilverfahren ebenfalls nicht beteiligten – Dritten, gegen den der Bruder des Drittbeklagten Strafanzeige erhoben habe, lässt – selbst wenn dies zutreffen würde – für einen Verfahrensbeteiligten nicht den Eindruck entstehen, dass die abgelehnte Richterin deshalb nicht unvoreingenommen an der Entscheidung über die Ablehnung der Richter des Ablehnungssenats mitwirken habe können.
5. Eine Stellungnahme der ablehnenden Partei zur Äußerung des Richters ist nicht zwingend vorgesehen. Zwar sind alle allenfalls nötig erscheinenden Erhebungen durchzuführen, das besagt aber nicht, dass dem Ablehnungswerber, der ja ohnedies gehalten ist, schon in seinem Ablehnungsantrag Bescheinigungsmittel für den von ihm behaupteten Sachverhalt anzubieten, in jedem Fall die Äußerung des abgelehnten Richters zur Gegenäußerung zugestellt werden muss (RS0045962 [T16]; 6 Ob 223/18i mwN).
Im vorliegenden Fall, in dem der Ablehnungswerber schon keine ausreichenden Gründe aufzeigt, die bei objektiver Betrachtung die Befürchtung erwecken könnten, die abgelehnten Richter hätten sich von unsachlichen Motiven leiten lassen, ist eine Notwendigkeit zur Einholung einer Äußerung des Ablehnungswerbers zur Stellungnahme der abgelehnten Richter nicht ersichtlich; sie werden auch im Rechtsmittel nicht aufgezeigt. Dass die Äußerungen der abgelehnten Richter dem Ablehnungswerber nicht zur (Gegen )Äußerung zugestellt wurden, begründet demnach keinen Verfahrensmangel.