10Ob28/19v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z* GmbH, *, vertreten durch Dr. Alexandra Slama, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei D* GmbH, *, vertreten durch Grassner, Lenz, Thewanger Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 32.247 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2019, GZ 1 R 159/18k 140, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Kautionsbeträgen, die Letztverbraucher (Kunden) bei Verkauf und Lieferung einer Flüssiggasflasche der Beklagten zu entrichten hatten. Die Klägerin macht geltend, dass sich diese Flüssiggasflaschen in ihrem Besitz befänden und die Beklagte zur Rücknahme der Flaschen und zur Zahlung der dafür von den Kunden entrichteten Kaution verpflichtet sei.
Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen, weil weder ein Vertrag noch ein Handelsbrauch als Anspruchsgrundlage bestehe. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 1422 ABGB mangels Zahlung der Kautionsbeträge durch die Klägerin.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
1.1 In ihrem Rechtsmittel macht die Klägerin nur noch geltend, dass die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 1422 f ABGB vorlägen. Sie beruft sich dazu auf den Zweck des Kautionssystems, das die Rückgabe der Flaschen an den jeweiligen Eigentümer sicherstellen solle. Dem hat das Berufungsgericht entgegengehalten, dass die Klägerin die grundlegende Voraussetzung für die Forderungseinlösung gemäß § 1422 ABGB, die Zahlung der Schuld durch den Dritten (vgl nur Stabentheiner in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.04 § 1422 Rz 3), gar nicht behauptet hat.
1.2 Die Frage, ob das Vorbringen einer Partei soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, ist grundsätzlich eine solche des Einzelfalls und daher nicht erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042828), es sei denn die Auslegung des Vorbringens ist mit seinem Wortlaut unvereinbar oder verstößt gegen die Denkgesetze (RS0042828 [T11]). Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf ihr im Schriftsatz vom 11. 9. 2017, S 9 (ON 96) erstattetes Vorbringen. Dort hat die Klägerin aber, wie sie in der Revision selbst ausführt, vorgebracht, dass ein Kunde, der von der Beklagten zur Klägerin wechselt, eine Gasflasche von der Klägerin erhalte und diese bevollmächtige, die gezahlte Kaution von der Beklagten zu vereinnahmen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass in diesem Vorbringen nicht auch die Behauptung enthalten ist, dass die Klägerin die vom Kunden gezahlte Kaution an den Kunden bezahlt hätte, bedarf keiner Korrektur im konkreten Einzelfall.
1.3 Bei der Frage, ob „überschießende“ Feststellungen in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes oder der Einwendungen fallen und daher nach ständiger Rechtsprechung zu berücksichtigen sind, handelt es sich um eine nicht revisible Frage des Einzelfalls, die nur in Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz aufzugreifen wäre (RS0037972 [T15, T16]; RS0040318 [T3]). Das ist hier nicht der Fall:
Das Erstgericht hat festgestellt (Urteil S 3), dass die Klägerin an Neukunden, die bereits über Flüssiggasflaschen der Beklagten (bzw ihrer Rechtsvorgängerin) verfügen, ihre eigenen Flaschen liefert. „Die Kunden bestanden und bestehen dann aber darauf, dass die Klägerin die leeren Flaschen [der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin] gegen Rückerstattung der Kaution mitnimmt oder gegen eigene Flaschen tauscht.“ Selbst wenn man mit der Revisionswerberin aus dieser Feststellung lesen wollte, dass Kunden die Kaution von der Klägerin rückerstattet wurde, wäre dieser Teil der Feststellung durch kein Vorbringen gedeckt, ist also insofern überschießend. Darüber hinaus ergibt sich aus dem zweiten Teil der Feststellung, dass nur ein nicht näher bestimmter Teil der Kunden die Kaution rückerstattet erhalten hat, denn andere Kunden bestanden auf dem (bloßen) Tausch der Flaschen.
2. Rechtsmissbrauch im Sinn des § 1295 Abs 2 ABGB liegt bereits dann vor, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung augenscheinlich in Vordergrund stehen und daher andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten oder wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein krasses Missverhältnis besteht (RS0026271 [T23]; Karner in KBB 5 § 1295 Rz 22 mwN). Die Beweislast trifft derjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft (RS0026205 [T4]). Darauf, dass sich die Beklagte in rechtsmissbräuchlicher Weise weigere, ihre Flüssiggasflaschen zurückzunehmen, hat sich die Klägerin in erster Instanz nicht gestützt, sodass auf das erstmals in der außerordentlichen Revision dazu erstattete Vorbringen nicht einzugehen ist.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.