JudikaturOGH

9Ob41/19y – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Daniel Schöpf, Mag. Christian Maurer ua, gegen die beklagte und widerklagende Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 76.547,94 EUR sA (6 Cg 141/17i) und 72.073,86 EUR sA (6 Cg 6/18p; Revisionsinteresse: 148.621,80 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. Mai 2019, GZ 3 R 53/19p-26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden und widerbeklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin und Widerbeklagte (idF: Klägerin) gab als Seilbahneigentümerin entgegen dem mit der Beklagten und Widerklägerin (idF: Beklagte) abgeschlossenen Betriebsführungsvertrag vom 25. 9. 2013 den Zeitplan für den Sommerbetrieb 2017 „(Spezialbetrieb)“ nicht fristgerecht bis 31. 1. des Jahres bekannt. Für erst später bestellte Sommerbetriebsfahrten akzeptierte die Klägerin letztlich „bis auf Widerruf“ die neue Kostenaufstellung der Beklagten. Die Vorinstanzen bejahten die Ansprüche der Beklagten aus den Abrechnungen.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Das Berufungsgericht ging nicht von einem Erlöschen der Betriebspflicht der Beklagten im Sinn eines Wegfalls des Betriebsführungsvertrags als solchem, sondern lediglich davon aus, dass die Beklagte mangels Betriebspflicht für den Sommer 2017 diese nicht nach den Konditionen des Betriebsführungsvertrags vornehmen musste, weil die Klägerin den Zeitplan dafür vereinbarungswidrig nicht bis 31. 1. des Jahres bekannt gegeben hatte.

Mit diesem Verständnis weichen die Vorinstanzen nicht von den für die Vertragsauslegung entwickelten Grundsätzen der Lehre und Rechtsprechung ab (vgl RS0042776; RS0042936). Die Erwägungen des Berufungsgerichts, dass ein zeitgerechter Abruf der Leistung auch dazu dient, um der Beklagten eine geordnete Vorbereitung und Abwicklung des Sommerbetriebs (zB Organisation des für den Seilbahnbetrieb vorgesehenen Betriebspersonals) zu erlauben, ist nicht zu beanstanden. Selbst bei grundsätzlicher Annahme einer Betriebspflicht für Sommer 2017 wäre der Beklagten zuzugestehen, vor Betriebsaufnahme eine Klärung der Kostenfrage herbeizuführen, weil beim vorliegenden verspäteten Leistungsabruf nicht von der Weitergeltung der ursprünglich vereinbarten Abrechnungsregeln ausgegangen werden muss. Die Auslegung der Klägerin hätte zur Folge, dass auch ein kurzfristig abgerufener Sommerbetrieb ohne Rücksicht auf seine organisatorische und finanzielle Durchführbarkeit durch die Beklagte nach den Vorgaben des Betriebsführungsvertrags zu erfolgen hätte, womit aber nicht ausreichend auf die Interessenlagen beider Parteien Bedacht genommen würde (vgl RS0113932 [T13]).

2. Die Klägerin ist auch der Ansicht, ihre Erklärung vom 7. 6. 2017, mit der sie die von der Beklagten mit Schreiben vom 4. 5. 2017 formulierten Bedingungen für den Fortbetrieb akzeptierte, sei nach § 870 ABGB anfechtbar.

Ob die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 870 ABGB vorliegen, kann nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden (RS0014873 [T9]; RS0014878 [T6]). Die Vorinstanzen sahen keine Drohung iSd § 870 ABGB darin, dass die Beklagte die Durchführung des Sommerbetriebs von der Zustimmung der im E-Mail vom 4. 5. 2017 dargelegten Verrechnungssätze abhängig machte, weil weder ein unerlaubtes Mittel eingesetzt worden sei noch der angestrebte Zweck rechtswidrig und auch die Mittel-Zweck-Relation nicht unangemessen gewesen sei. Auch das ist nicht weiter korrekturbedürftig, wenn man das bereits genannte Interesse der Beklagten bedenkt, sich vor Durchführung eines kostspieligen Sommerbetriebs Klarheit über die Abrechnung und die Höhe der zur Verrechnung gelangenden Kosten zu verschaffen, wenn die vereinbarten Konditionen dem Betrieb nicht zugrunde zu legen sind.

3. Die Ausführungen der Klägerin zur Anfechtung ihrer Erklärung nach § 879 Abs 2 Z 4 ABGB gehen ins Leere. Das Berufungsgericht führte aus, dass es auf die Wertrelation zwischen den im Betriebsführungsvertrag für den Sommerbetrieb angeführten Kosten und den in der E-Mail der Beklagten vom 4. 5. 2017 geforderten Beträgen nicht ankommt, weil die Beklagte den Betrieb nicht zu den Bedingungen des Betriebsführungsvertrags durchzuführen hatte. Diese Erwägungen zur fehlenden Bedeutung der Wertrelation widerlegt die Klägerin nicht.

4. Das Vorbringen der Klägerin zum Widerruf ihrer Erklärung vom 7. 6. 2017 geht darüber hinweg, dass das Berufungsgericht erstinstanzliches Vorbringen dazu vermisst hat.

5. Ein in zweiter Instanz verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz – den die Klägerin hier in der Nichtaufnahme beantragter Beweise sieht – ist in dritter Instanz grundsätzlich nicht mehr anfechtbar (RS0042963). Lediglich, wenn die zweite Instanz bei Erledigung einer Mängelrüge die Verfahrensvorschriften unrichtig anwendet, können gerügte Mängel des Verfahrens erster Instanz noch in dritter Instanz aufgegriffen werden (RS0043086), ebenso, wenn sich die zweite Instanz mit einer Mängelrüge nicht befasste (RS0043144). Derartiges wird von der Klägerin nicht behauptet.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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