JudikaturOGH

7Ob144/19f – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.

Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Donauhochwasserschutz Konkurrenz, vertreten durch v***** mbH, *****, vertreten durch Hauswirth Kleiber Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Übergabe eines Bestandgegenstands, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Mai 2019, GZ 39 R 36/19m 16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Grundsätzlich können in zweiter Instanz verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr Gegenstand der Revision sein (RS0042963). Dies würde nur dann nicht gelten, wenn sich das Berufungsgericht mit einer Mängelrüge zu Unrecht nicht befasst (RS0043144) oder diese auf vom Akteninhalt abweichender Grundlage erledigt hat (RS0043092 [T1]; RS0043166). Darin kann nach allgemeinen Grundsätzen ein Mangel des Berufungsverfahrens im Sinn des § 503 Z 2 ZPO liegen (vgl RS0043086). Dies setzt jedoch voraus, dass der Mangel abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Berufungsgerichts herbeizuführen (RS0043027), was der Rechtsmittelwerber darzulegen hat (RS0043027 [T1]).

1.2 Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Verfahrensmangel des Unterbleibens der Einvernahme von zwei Zeugen bereits verneint. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im oben genannten Sinn zeigt die Beklagte nicht auf. Die Zeugen wurden im erstgerichtlichen Verfahren zum Beweis der Erzielung einer „politischen Übereinkunft“ beantragt. Zu diesem Beweisthema wurden ohnedies dem Vorbringen der Beklagten entsprechende Feststellungen getroffen.

2.1 Das Grundstück 4***** EZ ***** KG ***** (öffentliches Wassergut) steht im Eigentum der Republik Österreich. Das Grundstück 1***** EZ ***** KG ***** steht zu zwei Dritteln im Eigentum der Stadt Wien und zu einem Drittel im Eigentum der Republik Österreich. Die klagende Donauhochwasserschutz Konkurrenz (§ 1 Abs 1 des Bundesgesetzes vom 16. 12. 1927, BGBl Nr 372/1927 über die Bildung einer Donauhochwasserschutz Konkurrenz) ist als Wasserverband eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Ihr werden die Grundstücke zur Nutznießung überlassen, sodass sie diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung in Bestand geben kann (RS0082204 = 1 Ob 34/93). Die Klägerin ist Nutznießerin des Grundstücks 1*****3 EZ ***** KG ***** (hier: Kaimauer und Vorkaufläche).

2006 schloss die Beklagte zum Betrieb eines Badeschiffs mit dem damaligen Nutzungsberechtigten der Wasserfläche (Teil des Grundstücks 4***** EZ ***** KG *****) und der Verheftung des Schiffs an der Kaimauer (Teil des Grundstücks 1***** EZ ***** KG *****) einen befristeten Nutzungsvertrag über diese Bestandsache. 2007 schloss sie mit der Klägerin betreffend die Vorkaifläche (ebenfalls Teil des Grundstücks 1***** EZ ***** KG *****) einen zum 31. 12. 2016 befristeten Bestandvertrag. Nach Beendigung des Vertrags mit dem vormals Nutzungsberechtigten nahm die Stadt Wien die Wasserfläche von der Republik Österreich und die zur Verheftung des Schiffs notwendige Fläche des Grundstücks 1***** EZ ***** KG ***** von der Klägerin in Bestand. Mit Vertrag vom 3. 12. 2014 schloss die Stadt Wien einen (Unter )Bestandvertrag mit der Beklagten betreffend Nutzung der Wasserfläche und Verheftung der schwimmenden Anlage an der Kaimauer, der bis 30. 11. 2029 befristet ist. Erst in weiterer Folge bemühte sich der Geschäftsführer der Beklagten auch um eine Verlängerung des Bestandverhältnisses mit der Klägerin betreffend die Vorkaifläche. Eine solche erfolgte letztlich mit Nachtrag von Jänner 2017 lediglich bis 31. 10. 2018.

2.3 Mit dem gegenständlichen Übergabsauftrag begehrt die Klägerin die geräumte Übergabe der Vorkaifläche wegen Fristablaufs.

2.4 Die Beklagte hält dem entgegen, es bestehe ein einheitliches Bestandobjekt, bestehend aus Wasserfläche, Kaimauer und Vorkaifläche, sodass insgesamt die Befristung zum 30. 11. 2029 gelte.

2.4.1 Ob mehrere in Bestand gegebene Sachen eine einheitliche Bestandsache bilden, hängt in erster Linie vom Parteiwillen bei Vertragsabschluss ab (RS0020405; RS0014368). Objektive Gemeinsamkeit (im Sinn gegenseitigen Erforderlichseins oder Nützlichseins), die sukzessive Abschließung von Verträgen zu verschiedenen Zeitpunkten, die gesonderte Mietzinsvereinbarung, aber auch der Umstand, dass in den Verträgen nicht festgehalten wurde, das neu hinzugemietete Bestandobjekt soll eine Einheit mit den bereits angemieteten Teilen bilden, sind bloß Indizien für das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer einheitlichen Bestandsache (RS0020405 [T5 und T12]). Überhaupt stellt die Lösung der Frage, ob mehrere in Bestand gegebene Objekte eine einheitliche Bestandsache bilden, wegen der Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0020405 [T7]; RS0014368 [T3]), eine – hier nicht gegebene – grobe Fehlbeurteilung der Vorinstanzen ausgenommen.

2.4.2 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen aus dem hier festgestellten Sachverhalt lasse sich kein Parteiwillen hinsichtlich der Begründung eines der Vorstellung der Beklagten entsprechenden einheitlichen Bestandobjekts entnehmen, ist nicht korrekturbedürftig. Dagegen vermag die Beklagte auch keine stichhaltigen Argumente zu bringen. Ihr ist zwar zuzugestehen, dass für die Umsetzung ihres Gesamtprojekts die Wasserfläche, die Verheftung an der Kaimauer und auch die Vorkaiflächen wirtschaftlich notwendig sind. Selbst wenn aber die Stadt Wien neben dem Land Niederösterreich und der Republik Österreich Kurie der Klägerin ist, ändert dies nichts daran, dass keine Bestandgeberidentität vorliegt; wurde der (Unter )Bestandvertrag über die Wasserfläche und die Verheftung doch mit der Stadt Wien, der Bestandvertrag über die Vorkaifläche aber mit der Klägerin abgeschlossen.

Der Bestandgegenstand des Vertrags vom 3. 12. 2014 umfasst nach dem insoweit klaren Wortlaut neben der Wasserfläche lediglich die Verheftung an der Kaimauer, nicht aber die Vorkaifläche. Aus dem Betriebskonzept der Beklagten, das diesem Vertrag angeschlossen ist, lässt sich zwar die erwähnte wirtschaftliche Notwendigkeit auch der Vorkaiflächen für das Gesamtprojekt der Beklagten entnehmen, aber abgesehen davon, dass dieser Anschluss über Wunsch der Bestandgeberin erfolgte, die die Umschreibung der Tätigkeiten für eine Verankerung einer Betriebspflicht wünschte, kam es damit jedenfalls zu keiner Änderung des konkret umschriebenen Bestandgegenstands.

Die Zusage, sich politisch für eine bestimmte Vertragsgestaltung einsetzen zu wollen, ist keine rechtsgeschäftlich verbindliche Willenserklärung im Namen der entsprechenden Gebietskörperschaft, geschweige denn im Namen der Klägerin.

2.5.1 Von einem Umgehungsgeschäft wird dann gesprochen, wenn die Parteien die von einer Norm angeordnete Rechtsfolge dadurch vermeiden, dass sie ein Rechtsgeschäft schließen, das dem Wortlaut nach nicht von dieser Norm betroffen ist, das jedoch den gleichen Zweck erfüllt wie das verbotene Geschäft (RS0018173). Es genügt, dass das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt; auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Parteien kommt es nicht an (RS0016780 [T1]). Wer das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts behauptet, hat die Voraussetzungen zu beweisen (RS0018177).

2.5.2 Welche gesetzliche Norm durch die „vorliegende Vertragskonstruktion“ umgangen werden sollte, zeigt die Revision nicht auf. Grundsätzlich bestehen selbst bei Personenidentität des Bestandgebers im Rahmen der Vertragsautonomie keine Einschränkungen hinsichtlich einer gesonderten Inbestandgabe verschiedener Objekte. Die Anwendbarkeit des MRG behauptet ohnehin selbst die Beklagte nicht.

3. Die Beurteilung der Vorinstanzen, das Bestandverhältnis betreffend die Vorkaimauer sei wegen Zeitablaufs beendet, ist damit nicht korrekturbedürftig. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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