5Ob164/19g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin S*****, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, gegen sämtliche Hauptmieter der Liegenschaft EZ ***** KG ***** Stadt, Reihenhaussiedlung *****, darunter 213. F*****, vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 9 MRG iVm § 17 MRG infolge des Revisionsrekurses des 213. Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Juli 2019, GZ 38 R 8/19m 136, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 21. September 2018, GZ 5 Msch 2/15p 100 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 2. Oktober 2018, GZ 5 Msch 2/15p 105, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist Eigentümerin und Vermieterin einer Liegenschaft in Wien, die Antragsgegner sind die Hauptmieter in dort errichteten Reihenhäusern. Dass die Bestandverhältnisse dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegen, ist im Revisionsrekursverfahren nicht strittig. Gegenstand des Verfahrens ist die Festlegung des Verteilungsschlüssels nach § 17 MRG.
Das Erstgericht legte die Verteilung der Gesamtkosten und der sich daraus ergebenden Anteile der einzelnen Mietgegenstände an den Gesamtkosten für die Liegenschaft unter Berücksichtigung von Nutzflächenveränderungen neu fest.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des 213. und 228. Antragsgegners Folge, hob den erstgerichtlichen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Weitere Rekurswerber wurden mit ihren Rechtsmitteln auf diese Entscheidung verwiesen. Den Revisionsrekurs ließ es mit der Begründung zu, zur Frage der teleologischen Reduktion bei der Auslegung des § 17 Abs 2 letzter Satz MRG fehle gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung.
Dagegen richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des 213. Antragsgegners, der eine Abänderung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses in Bezug auf sein Objekt, hilfsweise die Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an das Rekursgericht beantragt.
Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof kann derzeit noch nicht über den Revisionsrekurs entscheiden.
1. Der auf einen Mietgegenstand entfallende Prozentanteil ist für sich allein nicht feststellungsfähig. Die ohnedies erforderliche Feststellung der Nutzflächen aller Mietgegenstände muss daher auch ihren spruchgemäßen Niederschlag in der in Rechtskraft erwachsenden Feststellung der Prozentanteile aller Mietgegenstände finden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Mieter anderer Mietgegenstände sich am Verfahren auch formell als Partei beteiligten (RIS Justiz RS0069855). Streitigkeiten über den Verteilungsschlüssel erfordern daher nach § 37 Abs 3 Z 2 und 3 MRG die Beiziehung sämtlicher Hauptmieter des Hauses, deren Interessen durch eine stattgebende Entscheidung über den Antrag jedenfalls unmittelbar berührt werden könnten (5 Ob 237/09b; T. Klicka in Hausmann/Vonkilch ³ § 37 MRG Rz 37).
2. Dem hat das Erstgericht zwar dadurch entsprochen, dass es von der Antragstellerin eine aktuelle Hauptmieterliste verlangte, die am 30. 4. 2018 auch vorgelegt wurde (ON 99). Abgesehen davon, dass der Sachbeschluss aber erst am 21. 9. 2018, somit knapp fünf Monate danach, gefasst wurde, waren die vom Erstgericht anhand dieser Hauptmieterliste veranlassten individuellen Zustellungen schon deshalb nicht vollständig, weil etwa die dort bekanntgegebenen Hauptmieter Z*****, M***** und M*****, in der Zustellverfügung gar nicht genannt waren und den Sachbeschluss daher auch nicht zugestellt erhielten. Überdies waren Objekte in der Mieterliste als unbewohnt ausgewiesen, wie etwa S***** 5/166, S***** 16/177, S***** 40/200, S***** 62/211, H***** 101/52, K***** 2/59, L***** 14/128 und L***** 30/136. (Teilweise) An diese Objekte veranlasste Zustellungen mit der Adresse „an den Mieter der Wohnung ...“ scheiterten. Ein nach § 37 Abs 3 Z 5 MRG hier an sich zulässiger Hausanschlag unterblieb nach der Aktenlage für den erstgerichtlichen Sachbeschluss samt Berichtigung, die Rekursentscheidung und auch den Revisionsrekurs des 213. Antragsgegners, der ebenso nur – teilweise – individuell zugestellt wurde.
3. Da die Feststellung des Verteilungsschlüssels mit Rechtskraft und Bindungswirkung für alle Mieter des Hauses nur dann erreicht werden kann, wenn sämtliche Hauptmieter als materielle Parteien im Verfahren beigezogen werden (RS0069855 [T1]; 5 Ob 255/12d) und zwar zu einem Zeitpunkt, als es für sie noch zulässig ist, Sachvorbringen zu erstatten ( Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht 23 § 37 MRG Rz 70; T. Klicka in Hausmann/Vonkilch ³ § 37 MRG Rz 85 mwN), war es Sache des Erstgerichts, bei diesem in die Zukunft weisenden Begehren allfällige (Einzel )Rechtsnachfolger von Amts wegen dem Verfahren beizuziehen; eine analoge Anwendung des § 234 ZPO kommt im Außerstreitverfahren nicht in Betracht (RS0005786; T. Klicka aaO Rz 89). Aus diesem Grund wird das Erstgericht anhand einer für den Zeitpunkt der Sachbeschlussfassung erster Instanz aktualisierten Hauptmieterliste den dem Verfahren bislang noch nicht beigezogenen Hauptmietern diese Entscheidung, den Sachbeschluss des Rekursgerichts und den Revisionsrekurs des 213. Antragsgegners samt Rechtsmittelbelehrung – individuell oder mit Hausanschlag – zuzustellen haben. Diesen Parteien ist Gelegenheit zu geben, sich am Revisionsrekursverfahren zu beteiligen und ihre materiellen und/oder prozessualen Rechte geltend zu machen (RS0123128; 5 Ob 237/09b).
4. Die Akten werden nach Einlangen allfälliger weiterer Revisionsrekurse und/oder Revisionsrekursbeantwortungen bzw nach ungenütztem Ablauf der Frist hiefür dem Obersten Gerichtshof wieder vorzulegen sein.