JudikaturOGH

5Ob159/19x – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers Ing. P***** S*****, vertreten durch Dr. Andreas Reim, öffentlicher Notar in Purkersdorf, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und anderer Grundbuchshandlungen ob der EZ ***** GB *****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 2. Juli 2019, AZ 17 R 62/19t, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 26. April 2019, TZ 2083/2019, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

J***** S***** ist Eigentümer von mit Wohnungseigentum an einer Wohnung verbundenen Anteilen an einer Liegenschaft. Er errichtete am 1. 10. 2018 als Vollmachtgeber eine notarielle Vorsorgevollmacht, nach der der Antragsteller als Bevollmächtigter unter anderem berechtigt ist, ihn bei Eintritt des Vorsorgefalls in allen personen- und vermögensrechtlichen Angelegenheiten vor Behörden und Ämtern aller Art zu vertreten, Immobiliengeschäfte, nämlich Kauf, Verkauf, Belastung, Vermietung, Miete und ähnliches vorzunehmen und über Rechte an Liegenschaften ohne gerichtliche Zustimmung zu verfügen, diese zu belasten und entgeltlich oder unentgeltlich zu veräußern, auf grundbücherliche Rechte zu verzichten, sowie die Vertretung in Grundbuchsangelegenheiten, auch dann, wenn die beantragte Eintragung nicht zu seinem Vorteil dient, zu übernehmen. Der Bevollmächtigte war weiters zur Doppelvertretung und zum Selbstkontrahieren berechtigt.

Die Vorsorgevollmacht wurde am 5. 10. 2018 im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) mit dem Hinweis „Der Vertretungsumfang ist der Urkunde zu entnehmen!“ registriert.

Am 2. 1. 2019 wurde aufgrund eines ärztlichen Zeugnisses vom 28. 12. 2018 der Eintritt des Vorsorgefalls in das ÖZVV eingetragen.

Am 26. 2. 2019 errichteten der Machtgeber, vertreten durch den bevollmächtigten Antragsteller als Geschenkgeber und der Antragsteller als Geschenknehmer einen Notariatsakt über die Schenkung der Liegenschaftsanteile.

Der Antragsteller begehrte die Einverleibung des Eigentumsrechts ob der Anteile an der Liegenschaft zu seinen Gunsten. Vorgelegt wurden der Schenkungsvertrag und (nach § 82a GBG im Rekurs) die im Grundbuchsgesuch genannte Vorsorgevollmacht sowie ein Auszug aus dem ÖZVV.

Das Erstgericht wies das Grundbuchsgesuch ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Es teilte die Bedenken des Erstgerichts an dem vorgelegten, nicht nach § 77 Abs 5 NO notariell beglaubigtem Auszug aus dem ÖZVV. Das Gesuch scheitert seiner rechtlichen Beurteilung nach zudem an Bedenken an der Wirksamkeit der Vollmacht iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG. Nach der Rechtsprechung spiele für eine mögliche Einschränkung der Diskretions und/oder Dispositionsfähigkeit des Betroffenen, die durch die Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters (nunmehr Erwachsenenvertreters) indiziert werde, der zeitliche Zusammenhang zur maßgeblichen rechtsgeschäftlichen Erklärung eine wesentliche Rolle. Da der Vorsorgefall nur drei Monate (28. 12. 2018) nach Errichtung der Vorsorgevollmacht (1. 10. 2018) eingetreten sei, bestünden Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit des bücherlichen Eigentümers zur Errichtung der Vorsorgevollmacht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Fragen fehle, ob ein Auszug aus dem ÖZVV wie ein Firmenbuchauszug notariell zu beglaubigen sei und der zeitnahe Eintritt eines Vorsorgefalls Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG gegen die Vorsorgevollmacht rechtfertige.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

Der erkennende Senat hat jüngst zu 5 Ob 145/19p in dem – ausgenommen die antragstellende Person (Ehefrau des Bevollmächtigten) als Geschenknehmerin und das Schenkungsobjekt – identischen Fall der Vorsorgevollmacht desselben Geschenkgebers die vom Rekursgericht als erheblich angesehenen Rechtsfragen zusammengefasst wie folgt beantwortet:

1. Wie die Bestellung eines Sachwalters – nunmehr gesetzlichen Erwachsenenvertreters – indiziert der Eintritt der Voraussetzungen für das Wirksamwerden der Vorsorgevollmacht in einem nahen zeitlichen Konnex zu ihrer Errichtung eine Beschränkung der Entscheidungsfähigkeit des Vollmachtgebers. Mit einer Zeitspanne von drei Monaten zwischen Errichtung der Vorsorgevollmacht und Eintritt ihrer Wirksamkeit wurde der in ständiger Rechtsprechung angenommene Zeitrahmen für diese Indizwirkung nicht überschritten, sodass das Rekursgericht zu Recht Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit und damit ein Eintragungshindernis iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG angenommen hat. Der Umstand, dass ein Notar die Vollmachterteilung beglaubigte und offensichtlich keine Zweifel an der Entscheidungsfähigkeit des Vollmachtgebers hatte, schließt Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG nicht zwingend aus.

2.1 Die Vorsorgevollmacht wird wirksam, wenn der Vorsorgefall eingetreten ist (aufschiebende Bedingung) und – seit dem 2. ErwSchG – dieser Eintritt im ÖZVV eingetragen wurde. Der Eintritt der Wirksamkeit muss urkundlich nachgewiesen werden, wenn die Erklärung über die (unter anderem) Aufgabe bücherlicher Rechte vom Bevollmächtigten stammt.

2.2 Eine Beglaubigung des Notars iSd § 77 Abs 5 NO bezieht sich nur auf den zufolge der Abfrage (aus dem ÖZVV) übermittelten Ausdruck und nicht auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der in der Datenbank enthaltenen Speicherung.

2.3 Das ÖZVV ist ein von der Österreichischen Notariatskammer nach der Bestimmung des § 140h NO idgF einzurichtendes und zu führendes Register. Für die Beurkundung der Übereinstimmung eines Auszugs aus diesem Register mit der darin enthaltenen Registrierung des Eintritts eines Vorsorgefalls gelten die Bestimmungen des § 89a NO. Der bloße Auszug aus dem ÖZVV ohne notarielle Beurkundung der Übereinstimmung des Auszugs mit der Eintragung iSd § 89a Abs 1 Z 1 NO ist kein ausreichender urkundlicher Nachweis der Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht.

Ergebnis: Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall uneingeschränkt anzuwenden. Erhebliche Rechtsfragen stellen sich nicht mehr.

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