13Os73/19p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Jukic in der Finanzstrafsache gegen Nevzat H***** wegen des Finanzvergehens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 13, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 29. April 2019, GZ 50 Hv 67/18g 35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nevzat H***** des Finanzvergehens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 13, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a FinStrG und mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt.
Danach hat er durch Ausstellen von Rechnungen, denen keine Lieferungen oder sonstigen Leistungen zugrunde lagen und die zur Aufnahme in die Buchhaltung bestimmt waren, wissentlich und willentlich zur Ausführung der strafbaren Handlungen des Mevludin Ho***** beigetragen, der als Einzelunternehmer im Bereich des Finanzamts B***** (zu A und B) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten eine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben vorsätzlich zu bewirken versuchte, und zwar
A) für das Jahr 2013 an Einkommensteuer um 26.966 Euro und an Umsatzsteuer um 10.456,83 Euro sowie
B) für das Jahr 2014 an Einkommensteuer um 149.123 Euro und
C) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis Dezember 2014 (im Urteil nach Voranmeldungszeiträumen aufgegliedert) um insgesamt 61.868,55 Euro bewirkte, wobei Nevzat H***** dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und (gemeint) 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Auf die gerichtliche Verlesung eines schriftlich gestellten Beweisantrags kann die Verfahrensrüge (Z 4) nicht gestützt werden (RIS Justiz RS0099099). Hinzugefügt sei, dass der Beweisantrag vom 10. April 2019 (ON 29) nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung – entgegen dem Beschwerdevorbringen – gar nicht verlesen wurde (ON 34 S 14).
Die Feststellungen zur objektiven Tatseite leitete das Erstgericht primär aus der beim Angeklagten vorgenommenen Sicherstellung von Gegenständen, nämlich eines Laptops, Urkunden und Stempeln, ab (US 6 f). Soweit sich der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) nicht an diesen Entscheidungsgründen orientiert, ist die Mängelrüge (Z 5) nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS Justiz RS0119370).
Die Kritik der Rüge an einer den Inhalt eines Gesprächs zwischen Mevludin H***** und dem Vater des Angeklagten referierenden Urteilspassage (US 6) geht schon deshalb fehl, weil das Erstgericht in der sachverhaltsmäßigen Bejahung dieses Umstands keine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache erblickte (vgl zum Erfordernis RIS Justiz
RS0116737).
Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite leitete das Erstgericht aus dem objektiven
Tatgeschehen ab (US 7). Auch insoweit lässt der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall, nominell verfehlt Z 5a) prozessordnungswidrig diese Entscheidungsgründe außer Acht (erneut RIS Justiz RS0119370).
Mit ihrem Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu erwecken.
Die Kritik am Unterbleiben amtswegiger Beweisaufnahmen (Z 5a als Aufklärungsrüge) versäumt die – zur prozessförmigen Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes gebotene – Darlegung, wodurch der Angeklagte an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sei (RIS Justiz RS0115823).
Mit von Verfahrensergebnissen losgelösten Spekulationen zur subjektiven Tatseite verlässt die
Tatsachenrüge den gesetzlichen Anfechtungsrahmen (RIS Justiz RS0118780).
Die Behauptung strafloser Vorbereitungshandlung argumentiert nicht auf der Basis der Feststellungen zur Abgabe unrichtiger Erklärungen und zum Bereithalten der Scheinrechungen in der Buchhaltung, um sie den Finanzbehörden zu übergeben, wovon der Angeklagte in Kenntnis war (US 5 f). Solcherart verfehlt die Rüge (Z 9 lit a, nominell verfehlt Z 5a) den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).
Weshalb es zur Strafbarkeit des Angeklagten Konstatierungen zu einem Vorsatz in Bezug auf einen „100.000 Euro übersteigenden Verkürzungsbetrag“ bedurft hätte (Z 9 lit a), obwohl es sich dabei – nach ständiger Rechtsprechung (RIS Justiz RS0086282) – um eine außerhalb der Tatbestände (das Überschreiten der Qualifikationsgrenze des § 39 Abs 3 lit b oder c FinStrG wird hier nicht angelastet) gelegene reine Rechengröße handelt, entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (RIS Justiz RS0116565). Im Übrigen wurde der vermisste Vorsatz im Urteil durch den Hinweis auf den im Spruch angeführten Verkürzungsbetrag und das diesbezügliche Wissen und Wollen des Angeklagten ohnedies festgestellt (US 6).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.