JudikaturOGH

13Os44/19y – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Jukic in der Strafsache gegen Nemanja R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Mihailo D***** und Sanja M***** sowie die Berufungen der Angeklagten Dragan O*****, Volimir C***** und Goran Z***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Februar 2019, GZ 72 Hv 175/18h 1084, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mihailo D*****, teils aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten Nemanja R***** und Mihailo D***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 2 SMG (B II 1), demzufolge auch in den diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden im Übrigen werden zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Mihailo D***** auf die Aufhebung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Sanja M*****, Dragan O*****, Volimir C***** und Goran Z***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Mihailo D***** und Sanja M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche weiterer 18 Angeklagter sowie Freisprüche mehrerer Angeklagter von gleichartigen Vorwürfen enthält, wurden – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden und für die amtswegige Maßnahme von Bedeutung – Nemanja R***** (unter anderem) eines Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 2 SMG (B II 1), Mihailo D***** und Sanja M***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG (A I) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 und 3 SMG (B III), D***** ferner eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG (A II 2 i) und eines Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 2 SMG (B II 1) sowie M***** darüber hinaus eines Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall, Abs 2 und 3 SMG (B I 2 a) schuldig erkannt.

Danach haben in W***** und andernorts

(A) als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung von Straftaten nach § 28a Abs 1 SMG

(I) vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt, und zwar

(6) M***** im einverständlichen Zusammenwirken mit vier (im angefochtenen Urteil genannten) Personen als Mittäterin (§ 12 erster Fall StGB) von Anfang Mai 2018 bis zum 24. Mai 2018 zumindest 24.962,4 Gramm Marihuana (enthaltend 181 Gramm Delta 9 THC und 2.420 Gramm THCA), indem sie eine rund 700 Pflanzen umfassende Cannabisplantage aberntete,

(13) D***** im einverständlichen Zusammenwirken mit fünf (im angefochtenen Urteil genannten) Personen als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) im April 2018 zumindest 20 Kilogramm Marihuana (enthaltend 172 Gramm Delta-9-THC und 2.244 Gramm THCA), indem er eine 712 Pflanzen umfassende Cannabisplantage als „Gärtner“ betreute und aberntete sowie

(14) M***** im einverständlichen Zusammenwirken mit zwei (im angefochtenen Urteil genannten) Personen als Mittäterin (§ 12 erster Fall StGB) im April 2018 zumindest sechs Kilogramm Marihuana (enthaltend 21,6 Gramm Delta-9-THC und 283,8 Gramm THCA), indem sie eine 447 Pflanzen umfassende Cannabisplantage als „Gärtnerin“ betreute und aberntete, weiters

(II 2 i) D***** durch das zu A I 13 beschriebene Verhalten zur strafbaren Handlung des Milan K***** beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), der vom April 2018 bis zum 25. Mai 2018 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich das zu A I 13 genannte Suchtgift, anderen überließ;

(B) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung

(I 2 a) M***** durch das zu A I 6 beschriebene Verhalten zur strafbaren Handlung des Dragan O*****, des Borko Mi***** und des Darko J***** beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), die am 25. Mai 2018 im einverständlichen Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich das zu A I 6 genannte Suchtgift, besaßen, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, dass es in Verkehr gesetzt werde, sowie

(II 1) R***** und D***** vorschriftswidrig Suchtgift besessen, und zwar am 25. Mai 2018 im einverständlichen Zusammenwirken mit zwei weiteren (im angefochtenen Urteil genannten) Personen als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) 21,5 Gramm Marihuana (enthaltend Delta 9 THC und THCA), ferner

(III) die Cannabispflanze zum Zweck der Gewinnung einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift mit dem Vorsatz angebaut, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, und zwar

(7) D***** im einverständlichen Zusammenwirken mit fünf (im angefochtenen Urteil genannten) Personen als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) vom April 2018 bis zum 25. Mai 2018 447 Pflanzen, indem er diese als „Gärtner“ betreute, und

(8) M***** im einverständlichen Zusammenwirken mit einer (im angefochtenen Urteil genannten) Person als Mittäterin (§ 12 erster Fall StGB) im April 2018 664 Pflanzen, indem sie diese als „Gärtnerin“ betreute.

Rechtliche Beurteilung

Ihre dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen die Angeklagten D***** und M***** jeweils auf Z 9 lit a und 10, Ersterer überdies auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO.

Zum berechtigten Einwand des Angeklagten D*****:

Die gegen den Schuldspruch B II 1 gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt zutreffend auf, dass die angefochtene Entscheidung – soweit es den Beschwerdeführer betrifft – keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 2 SMG enthält.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Des weiteren überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil mit – nicht geltend gemachter – materieller Nichtigkeit behaftet ist, die zum Nachteil des Angeklagten Nemanja R***** wirkt und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Auch in Ansehung dieses Angeklagten fehlen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, die seinen Schuldspruch wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 2 SMG (B II 1) tragen könnten.

Diese Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) führten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e, teils iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Mihailo D***** hierauf zu verweisen.

Zu den übrigen Beschwerdeeinwänden:

Ihrer Erledigung sei vorangestellt, dass die Beschwerdeführer – unter Zugrundelegung der Feststellungen des Schöffengerichts (insbesondere US 51 f) – ihre vom Schuldspruch erfassten Taten als Teil einer Tätergruppe begingen, die sämtliche Merkmale sowohl einer „Großbande“ (§ 28a Abs 4 Z 2 SMG) als auch einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB) erfüllt.

Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D*****:

Die Feststellungen zum Vorsatz des Beschwerdeführers, die von den Schuldsprüchen A I 13 und A II 2 i erfassten Taten als Mitglied einer Verbindung im Sinn des § 28a Abs 4 Z 2 SMG zu begehen (US 58 f und 63), erschloss das Erstgericht aus der „professionelle[n], arbeitsteilige[n] und hierarchisch gegliederte[n] Vorgehensweise“ (US 82 und 84).

Der Einwand, diese Begründung sei mit Blick auf die Feststellungen zur jeweiligen Tatausführung (US 57 und 62) offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall), lässt die eingangs erwähnten Konstatierungen zu Aufbau, Struktur und Arbeitsweise der betreffenden Tätergruppe (US 51 f) außer Acht und versäumt es damit prozessordnungswidrig, an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (RIS Justiz RS0119370).

Gleiches gilt für den Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der – den Schuldspruch B III 7 (mit-)tragenden – Feststellungen zum auf die Begehung in Bezug auf Suchtgift (Delta-9-THC und THCA) in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers (US 67). Denn die Tatrichter leiteten diese Konstatierungen aus dessen Geständnis im Zusammenhalt mit einer vernetzten Betrachtung des (die „Anzahl von 447 Pflanzen“ sowie deren „professionelle Aufzucht“ umfassenden) „äußeren Geschehensablauf[s]“ und des Wirkstoffgehalts der aus einer anderen (vergleichbaren), von der betreffenden Personenverbindung (wenn auch ohne Mitwirkung des Beschwerdeführers) betriebenen Cannabisaufzucht (A I 6) erzielten Ernte (US 91), somit – der Mängelrüge zuwider – keineswegs allein aus Letzterem ab.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten M*****:

Keine jener strafbaren Handlungen, deren die Beschwerdeführerin schuldig erkannt wurde, setzt gewerbsmäßige Begehung (§ 70 StGB) voraus. Weshalb es dennoch diesbezüglicher Feststellungen bedurft haben sollte, erklärt die Beschwerde (Z 9 lit a und 10) nicht.

Die weiters vermissten Feststellungen „in Bezug auf“ „die kriminelle Vereinigung“ finden sich – wie bereits eingangs erwähnt – auf US 51 f. Sie tragen – im Zusammenhalt mit den Konstatierungen zum subjektiven Handlungselement (US 57 f, 65 und 67) – die Subsumtion der von den Schuldsprüchen erfassten Taten der Beschwerdeführerin nach § 28 Abs 4 Z 2 SMG (A I 6 und 14: US 54 und 57) sowie nach § 28 Abs 3 SMG (B I 2 a und B III 8: US 63 und 67).

Indem die Rüge (inhaltlich nur Z 10) nicht von diesen Feststellungen ausgeht, sondern eigene Auffassungen an deren Stelle setzt, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des geltend gemachten materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099810).

In diesem Umfang waren daher die Nichtigkeitsbeschwerden gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei hinzugefügt, dass der im Ersturteil enthaltene (unbekämpfte) Schuldspruch des Angeklagten Milun J***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 12 dritter Fall StGB, 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3, Abs 4 Z 2 SMG (A II 2 d) mit materieller Nichtigkeit behaftet ist. Seine (einzige) diesem Schuldspruch zugrunde liegende Tat hat der Genannte – dem Urteilssachverhalt (US 60) zufolge – in Bezug auf sechs Kilogramm Marihuana mit einem Reinsubstanzgehalt von 0,4 % an Delta-9-THC und 4,6 % an THCA begangen. Diese Quantität (24 Gramm Delta-9-THC und 276 Gramm THCA) entspricht einem 8,1-Fachen der Grenzmenge (§ 28b SMG), übersteigt also nicht deren Fünfzehnfaches. Den betreffenden Sachverhalt (auch) § 28a Abs 2 Z 3 SMG zu subsumieren war daher verfehlt. Angesichts der (zutreffend) auf Basis des § 28a Abs 4 SMG (in Anwendung des § 28 StGB) erfolgten Strafrahmenbildung sowie des Umstands, dass sich die fehlerhafte Subsumtion (Z 10) bei der Strafbemessung nicht zum Nachteil dieses Angeklagten auswirkte (US 99), sah sich der Oberste Gerichtshof insoweit nicht zu amtswegigem Vorgehen veranlasst (vgl Ratz , WK-StPO § 290 Rz 22 ff). Aufgrund dieses Hinweises besteht bei der Ausstellung der Strafkarte (insoweit) keine Bindung des Erstgerichts an seinen Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz (RIS-Justiz RS0129614).

Die Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten M*****, O*****, C***** und Z***** kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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