11Os105/19d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Sysel im Verfahren zur Unterbringung des Markus S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Mai 2019, GZ 51 Hv 19/19i 33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus S***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 6. August 2018 in A***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie (F 20), in mehreren Angriffen durch die telefonische Drohung, er werde das österreichische Patentamt in die Luft sprengen, wenn sein Patent nicht bewilligt werde, somit durch Drohung mit einer Gefährdung durch Sprengmittel, Mitarbeiter des Patentamts zu einer Handlung, nämlich der Patentierung seiner Erfindung zu nötigen versucht hat, sohin Taten begangen hat, die als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Ablehnung des Antrags auf „Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens“ (ON 32 S 51 f) Verteidigungsrechte nicht verletzt.
Gemäß § 127 Abs 3 erster Satz StPO ist ein weiterer Sachverständiger (außer dem hier nicht in Rede stehenden Fall erheblichen Abweichen der Angaben zweier Sachverständiger voneinander) nur dann beizuziehen, wenn der Befund unbestimmt oder das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft ist und sich die Bedenken nicht durch Befragung des bestellten Sachverständigen beseitigen lassen. Ein Gutachten ist sonst mangelhaft, wenn es unschlüssig, unklar oder unbegründet ist, den Kriterien der Logik widerspricht oder nicht mit den gesicherten Erkenntnissen der Wissenschaft übereinstimmt (RIS Justiz RS0127942).
Erachtet das Gericht – wie vorliegend – die Voraussetzungen des § 127 Abs 3 erster Satz StPO als nicht gegeben, muss in einem auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen gerichteten Antrag (§ 55 Abs 1 StPO) fundiert dargelegt werden, warum Befund oder Gutachten aus Sicht des Antragstellers dennoch im beschriebenen Sinn mangelhaft sein sollen.
Da der Beschwerdeführer Mängel in Befund und Gutachten des beigezogenen Sachverständigen (ON 32 S 39) nicht behauptete, wurde sein Begehren mit Recht abgewiesen (RIS Justiz RS0117263).
Die zur Antragsfundierung in der Beschwerde nachgetragenen Argumente sind aufgrund des Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618, RS0099117). Willkürliches Vorgehen des Gerichts bei der Ermessensentscheidung, neue Befunde oder Gutachten zur Überprüfung früherer einzuholen (vgl erneut RIS-Justiz RS0117263; Ratz , WK StPO § 281 Rz 351; Murschetz , WK StPO § 429 Rz 12), zeigt das Beschwerdevorbringen im Übrigen nicht auf.
Dem Beschwerdeeinwand (nominell Z 5 und Z 11) zuwider ist ein Widerspruch zwischen den – auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gegründeten (US 6 f; ON 9 S 17, ON 32 S 41 und 45) – Urteilsannahmen zur bereits Jahre andauernden psychischen Erkrankung des Betroffen (US 7) und zum ungewissen Zeitpunkt deren erstmaligen Auftretens (US 5) nicht erkennbar. Im Übrigen liegt Nichtigkeit der Gefährlichkeitsprognose nur dann vor, wenn eine der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt wird oder die Feststellungsgrundlage die Ableitung der schweren Folgen als willkürlich erscheinen lässt (RIS Justiz RS0118581 [T13]).
Demnach wird auch mit dem weiteren Vorbringen (nominell Z 11), wonach der Betroffene seit dem Tattag „keinerlei wie auch immer gearteten strafbaren Handlungen gesetzt“ habe und die „unüberlegte Handlung“ „zutiefst“ bedauern würde, ebenso ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS-Justiz RS0113980) wie mit dem Vorwurf unverständlicher Würdigung dieser Angaben des Betroffenen durch das Erstgericht (RIS-Justiz RS0099419, RS0106588, RS0099649).
Soweit die Rüge (nominell Z 11, der Sache nach Z 9 lit a und Z 10) das Vorliegen einer „einweisungstauglichen Anlasstat“ mit der Behauptung telefonischen Äußerns dieser „unüberlegten Worte unter Einfluss von Drogen“ aus einiger Entfernung in Abrede stellt, orientiert sie sich nicht am – im Urteil hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten – Bedeutungsinhalt der Äußerungen (vgl Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 34) und verfehlt damit den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).