7Ob114/19v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Mag. Georg Prchlik, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** Privatstiftung, *****, vertreten durch die Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, wegen 65.722,86 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Mai 2019, GZ 11 R 70/19y 32, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Für das Zustandekommen eines Vertrags ist die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlusswillens erforderlich. Eine Einigung der Parteien über den Vertragsinhalt ist erst anzunehmen, wenn über sämtliche Vertragsbestimmungen Einigkeit besteht. Solange über einzelne Vertragsbestimmungen – wesentliche oder unwesentliche – Fragen noch offen sind, ist der Vertrag nicht zustandegekommen. Ein synallagmatischer Vertrag erfordert somit Einigung der Parteien über Leistung und Gegenleistung (RS0038607).
Eine stillschweigende Erklärung iSd § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Sie kann in einer positiven Handlung (konkludente oder schlüssige Willenserklärung) oder in einem Unterlassen (Schweigen) bestehen. Die Handlung – oder Unterlassung – muss nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (vgl RS0109021). Für die Maßgeblichkeit einer stillschweigenden Willenserklärung ist der Eindruck entscheidend, den der Erklärungsempfänger von der Erklärung haben musste (RS0014158 [T5]; RS0014142; RS0014165 [T4]); eine jahrelange, unwidersprochen gehandhabte Übung zweier Kontrahenten kann ein schlüssiges Verhalten im Sinne des § 863 ABGB sein (vgl
RS0013638 [T5]).
Die Frage des Zustandekommens eines Vertrags und wer als Partner dieses Vertrags anzusehen ist richtet sich nach den konkreten Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls (vgl RS0043253; RS0081754; RS0042936 [T43]; RS0042776 [T37]). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur dann vor, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0044298).
2. Nach den Feststellungen ist der beklagten Privatstiftung und den sie vertretenden Organen ein – auch gar nicht an sie adressierter – „Engagement Letter“ der klagenden Rechtsanwaltsgesellschaft mit deren Honorarkonditionen (in denen ein Erfolgsfall überdies nicht definiert ist) samt Begleitschreiben nie zugekommen. Erst später schloss die Beklagte mit Dritten einen Syndikatsvertrag, in dem die Klägerin mit der Beratung in gesellschaftsrechtlichen Fragen beauftragt wurde. Jahre später erteilte die Beklagte der Klägerin Prozessvollmacht, worin jene sich verpflichtete, Honorarnoten und Auslagen gemäß gesondert getroffener Vereinbarung zu bezahlen; auch hier wurde aber keine ausdrückliche gesonderte Honorarvereinbarung zwischen den Parteien geschlossen, insbesondere nicht bezüglich eines Erfolgshonorars.
Die Revision zeigt nicht auf, aufgrund welcher Umstände die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass aus den Feststellungen keine ausdrückliche Honorarvereinbarung ableitbar ist, den Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung zur Vertragsauslegung überschritten hätte. Soweit sie behauptet, der „Engagement Letter“, als schriftlicher Vertragsvorschlag mit bestimmten Konditionen sei der Beklagten als „potenzieller Klientin“ als Adressatin übermittelt worden, die dann in Kenntnis dieses Schreibens die Leistungen der Klägerin abgerufen habe, geht sie unzulässigerweise nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
3. In der Folge hat die Klägerin über mehrere Jahre hinweg jeweils kommentar- und vorbehaltslos um 50 % reduzierte Honorarnoten gelegt, welche von der Beklagten auch bezahlt wurden.
Die Vorinstanzen vertraten in Übereinstimmung mit den dargelegten Grundsätzen zu (stillschweigenden) Willenserklärungen die Rechtsansicht, die jahrelange konfliktfreie Übung der Parteien könne nach ihrem objektiven Erklärungswert nur dahin verstanden werden, dass die Parteien auch vor dem Hintergrund des großen Auftragsvolumens über einen bedingungslosen und nicht mit einem Erfolgshonorar verknüpften 50% igen Abschlag von den üblichen Honoraransätzen der Klägerin konkludent Einigung erzielt hätten, zumal der Beklagten der „Engagement Letter“ nicht zur Kenntnis kam. Dies ist nicht zu beanstanden.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).