13Os48/19m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Rathgeb in der Strafsache gegen Ljirija S***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Februar 2019, GZ 11 Hv 121/18g 66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ljirija S***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie vom Februar 2015 bis zum 7. April 2015 in G***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz den Insolvenzverwalter Dr. Axel R***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, über eine (Insolvenz )Forderung in der Höhe von 78.000 Euro zu verfügen, zu einer Handlung, nämlich zur Anerkennung und Behandlung als Insolvenzforderung ***** zu verleiten versucht, wodurch die Konkursgläubiger in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen hätten geschädigt werden sollen, wobei sie zur Täuschung ein falsches Beweismittel, nämlich eine vom abgesondert verfolgten Alex S***** unterfertigte Rückzahlungsvereinbarung vom 22. Oktober 2014 verwendete.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist nicht im Recht.
Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO wird bloß nominell herangezogen.
Nach dem für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen relevanten Gutachten des Sachverständigen Dr. Alfred So***** wurden zwei von der Angeklagten der SF***** GmbH im Jahr 2013 gewährte Darlehen über 18.700 Euro verbucht, nicht hingegen das von der Angeklagten behauptete weitere Darlehen über 78.000 Euro (US 6 f).
Daraus und aus den wechselnden Erklärungen der Angeklagten zu Details (US 6 f) leitete das Erstgericht ab, dass Ljirija S***** der SF***** GmbH ihrer Behauptung im Insolvenzverfahren zuwider kein Darlehen über 78.000 Euro gewährt hatte (US 3).
Soweit die Mängelrüge (Z 5) die Glaubwürdigkeit der Expertise thematisiert, übersieht sie, dass die Überzeugungskraft eines mängelfreien Gutachtens der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegt (RIS Justiz RS0097433 [T8]).
Dem Vorwurf der
Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider war das Erstgericht – dem Gebot gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – nicht verpflichtet, die für die Frage der Verbuchung oder Nichtverbuchung irrelevante Einschätzung des Sachverständigen, die Buchhaltung sei ein „Chaos gewesen“, zu erörtern (vgl RIS-Justiz RS0098717 [T1 und T2]).
Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur Nichtgewährung eines Darlehens im Betrag von 78.000 Euro zuwider ist deren Ableitung aus der Betrachtung mehrerer Verfahrensergebnisse, und zwar der Tatsache der Verbuchung anderer Darlehen, der Nichtverbuchung des im Verfahren behaupteten Darlehens und der wechselnden Verantwortung der Angeklagten zu den Details der angeblichen Darlehensgewährung (US 7), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
Die Erwägungen zum Fehlen einer schriftlichen Bestätigung können von der Mängelrüge nicht bekämpft werden, weil die Tatrichter darin keine notwendige Bedingung (vgl US 9) für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache erblickt haben (RIS Justiz RS0116737 und RS0099507).
Soweit der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung nicht auf der Basis der Gesamtheit der Entscheidungsgründe argumentiert, entzieht er sich schon deshalb einer inhaltlichen Erwiderung (RIS Justiz RS0119370).
Indem die Mängelrüge den Urteilsfeststellungen eigene Auffassungen und Erwägungen zum Beweiswert der (hinsichtlich ihrer Vollständigkeit angezweifelten) Buchhaltung gegenüberstellt, verlässt sie den aus Z 5 eröffneten Anfechtungsrahmen.
Die vermisste Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite findet sich auf US 13. Der Schluss vom gezeigten Verhalten auf das zugrunde liegende Wissen und Wollen ist nicht zu beanstanden (RIS Justiz RS0116882 [T3]).
Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099431). Indem die Mängelrüge aus der Aussage der Angeklagten andere Schlüsse als das Erstgericht zieht, entfernt sie sich von der angesprochenen Anfechtungskategorie.
Die Behauptung der Unvollständigkeit (der Sache nach Z 5 zweiter Fall), weil die Angaben des Gerichtsvollziehers Johann K***** zu einer Einzahlung von 82.000 Euro „völlig übergangen“ worden seien, trifft nicht zu (vgl US 8).
Mit eigenständigen Schlussfolgerungen bekämpft die Tatsachenrüge (Z 5a) unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO).
Der Hinweis auf die Inanspruchnahme der Aussagebefreiung gemäß § 156 Abs 1 Z 1 StPO durch Alex S***** als Sohn der Angeklagten (ON 62 S 11), ist unverständlich.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) an der tatrichterlichen Beweiswürdigung Kritik übt, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite bestreitet und vorbringt, „der gegenständliche Sachverhalt hätte wohl eher einer zivilrechtlichen, denn strafrechtlichen Behandlung bedurft“, verfehlt sie somit den Bezugspunkt materiell rechtlicher Nichtigkeit.
Nach den Feststellungen erkannte die Angeklagte zum Zeitpunkt der Zurückziehung der gegenständlichen Forderung, dass diese infolge Entdeckung der Tat (US 5) nicht mehr durchsetzbar ist (US 13). Indem die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) strafbefreienden Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB) reklamiert, das Vorbringen aber nicht am dargestellten Urteilssachverhalt orientiert, entzieht sie sich ebenfalls einer inhaltlichen Erwiderung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.