JudikaturOGH

10ObS77/19z – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 Z 2 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. H*****, vertreten durch Hosp, Hegen Rechtsanwaltspartnerschaft in Salzburg, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), 1081 Wien, Josefstädterstraße 80, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 18 Cgs 137/17f des Landesgerichts Salzburg, über das als „Außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 6. Mai 2019, GZ 11 Rs 37/19v 10, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies die auf Wiederaufnahme des Vorverfahrens 18 Cgs 137/17f des Landesgerichts Salzburg gerichtete Klage nach einer mündlichen Verhandlung mit Urteil ab.

Das Gericht zweiter Instanz wertete die Entscheidung des Erstgerichts als Beschluss auf Zurückweisung der Klage und die dagegen erhobene Berufung als Rekurs. Es wies diesen Rekurs und die Rekursbeantwortung als verspätet zurück und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Kläger erhob gegen diesen Beschluss fristgerecht ein als „Außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnetes Rechtsmittel, das das Erstgericht nach Zustellung an die beklagte Partei dem Obersten Gerichtshof vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorlage ist verfrüht.

1. Nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO berechtigen nur solche neue Tatsachen und Beweismittel zur Wiederaufnahmsklage, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine der Parteien günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

2.1 Die Frage, ob die als Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemachten Umstände ersichtlich von vornherein keinen Einfluss auf die Entscheidung in der Hauptsache haben können, ist bereits im Vorprüfungsverfahren (§ 538 Abs 1 ZPO) abstrakt zu prüfen (10 ObS 169/03f, SZ 2003/76).

2.2 Ergibt diese abstrakte Prüfung, dass die in der Klage vorgebrachten Tatsachen oder die aus den neuen Beweismitteln abzuleitenden Tatsachen sogar dann, wenn man sie als richtig unterstellt, zu keiner Änderung der früheren Entscheidung führen können, sind die vorgebrachten Umstände auch abstrakt als Wiederaufnahmsgrund untauglich und die Klage ist mit Beschluss zurückzuweisen. Bei dieser Prüfung der Wiederaufnahmsklage, bei der von der dem früheren Urteil zugrundegelegten Rechtsansicht auszugehen ist, handelt es sich letztlich um eine Schlüssigkeitsprüfung (RIS Justiz RS0044631).

3. Nach § 543 ZPO ist die Wiederaufnahmsklage aber auch dann durch Beschluss zurückzuweisen, wenn sich erst bei der mündlichen Verhandlung ergibt, dass sie auf einen gesetzlich unzulässigen Anfechtungsgrund gestützt wird. Aus § 543 ZPO ergibt sich somit, dass eine unschlüssige Wiederaufnahmsklage in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen ist (RS0044620, RS0044681).

4. Das Erstgericht hat mit seiner Begründung, dass sich durch das neue Beweismittel in der Sache selbst kein neuer Aspekt ergebe, zum Ausdruck gebracht, dass kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund geltend gemacht worden sei. Die Ansicht des Rekursgerichts, das Erstgericht habe damit eine Unschlüssigkeit der Wiederaufnahmsklage wahrgenommen, entspricht diesen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. Das Erstgericht hätte daher nicht mit Urteil (auf Abweisung), sondern mit Beschluss auf Zurückweisung der Klage entscheiden müssen.

5. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beeinflusst das Vergreifen in der Entscheidungsform aber weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des gegen die Entscheidung erhobenen Rechtsmittels (RS0036324 [T1]). Maßgeblich ist nicht die vom Gericht gewählte, sondern nur die vom Gesetz vorgeschriebene Entscheidungsform (RS0041880), sofern das Gericht – wie hier – entsprechend dem Gesetz vorgehen wollte (vgl RS0110742).

6.1 Richtet sich ein Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts, der auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einer Klage hinausläuft, so ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog anzuwenden. Dies wurde auch für den Fall bejaht, dass eine Berufung vom Gericht zweiter Instanz in einen Rekurs umgedeutet und wegen Verspätung zurückgewiesen worden war (4 Ob 233/16t; 10 Ob 57/18g mwN). Das Rechtsmittel ist daher – entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts – jedenfalls als „Vollrekurs“ zulässig.

6.2 Ein Beschluss, mit dem ein Rechtsmittel zurückgewiesen wird ist nicht bloß verfahrensleitend, sondern hat verfahrensbeendende Wirkung (RS0125481 [T5]).

6.3 Das Rekursverfahren ist daher zweiseitig. Das Erstgericht wird den Rekurs der beklagten Partei zuzustellen und den Akt nach Einlangen einer Rekursbeantwortung oder fruchtlosem Verstreichen der Rekursbeantwortungsfrist neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen haben.

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