JudikaturOGH

6Ob135/19z – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin N*****, Ungarn, vertreten durch Dr. Katharina Taudes, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen den Antragsgegner G*****, vertreten durch Dr. Lorenz Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, als Verfahrenshelfer, wegen Rückführung der minderjährigen L*****, geboren am ***** 2015, nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 29. Mai 2019, GZ 21 R 131/19v 105, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 11. März 2019, GZ 20 Ps 105/18h 88, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren über die Rückführung der Minderjährigen in das Staatsgebiet Ungarns wird unterbrochen und nur über Antrag fortgesetzt.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht verpflichtete den Antragsgegner, die Minderjährige in das Staatsgebiet Ungarns zurückzuführen; sollte die Minderjährige nicht bis längstens 1. 7. 2019 zurückgekehrt sein, ordnete es die zwangsweise Durchsetzung der Rückführung an.

Dagegen erhob der Antragsgegner einen außerordentlichen Revisionsrekurs, die Antragstellerin erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung.

Am 27. 6. 2019 bestimmte das ungarische Amtsgericht Szigetszentmiklós (als Pflegschaftsgericht) mittels vorläufig vollstreckbarer einstweiliger Verfügung den Aufenthaltsort der Minderjährigen beim Antragsgegner in Österreich. Es bestehe zwar kein Umstand, der begründen würde, dass das Gericht die Ausübung von sämtlichen Teilberechtigungen der elterlichen Sorge dem Antragsgegner überlässt, es diene aber dem Wohl der Minderjährigen nicht, wenn sie aus dem bisherigen gewöhnlichen ihr Sicherheit und Berechenbarkeit gebenden Umfeld herausgerissen wird, bis die elterliche Sorge rechtskräftig entschieden ist.

Am 28. 6. 2019 beantragte der Antragsgegner die Unterbrechung des Rückführungsverfahrens.

Mit Beschluss vom 9. 7. 2019 nahm das Erstgericht gemäß §§ 111a, 110 AußStrG Abstand von der zwangsweisen Durchsetzung der angeordneten Rückführung bis zum Vorliegen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (über den außerordentlichen Revisionsrekurs gegen den die Rückführung anordnenden Beschluss des Rekursgerichts).

Die Antragstellerin äußerte sich über Einladung durch den Obersten Gerichtshof (LGZ Wien EFSlg 151.795 [2016] unter Hinweis auf OLG Wien 14 R 207/98h und OLG Linz 2 R 202/02t; idS auch 6 Ob 72/18h [ErwGr 1.] GesRZ 2018, 353 [ Hochedlinger/Höntsch ]; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² [2019] § 25 Rz 40 [in Druck]; Schneider in Schneider/Verweijen , AußStrG [2018] § 25 Rz 52) zum Unterbrechungsantrag und berief sich vor allem darauf, dass es sich bei der Entscheidung des Amtsgerichts Szigetszentmiklós lediglich um eine einstweilige Verfügung handle, „weshalb auch die Rechtskraft dieses Beschlusses keine Relevanz für das gegenständliche Verfahren“ habe.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 111e AußStrG ist das Rückführungsverfahren gemäß § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG zu unterbrechen, wenn dem Antragsgegner während des im Inland anhängigen Rückführungsverfahrens von der zuständigen Behörde im ersuchenden Staat das Recht zur Bestimmung des Aufenthalts für das widerrechtlich verbrachte oder zurückgehaltene Kind zwar rechtswirksam, jedoch bloß vorläufig oder nicht rechtskräftig zugewiesen wird. Der erkennende Fachsenat des Obersten Gerichtshofs hat dazu bereits klargestellt, dass eine Entscheidung rechtswirksam iSd § 111e AußStrG dann ist, wenn ihr nach dem ausländischen Recht die Beschlusswirkungen iSd § 43 Abs 1 AußStrG (Vollstreckbarkeit, Verbindlichkeit der Feststellung oder Rechtsgestaltung) zukommen oder mit anderen Worten: wenn ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung keine aufschiebende Wirkung hat (6 Ob 143/18z iFamZ 2018/225 [ Fucik ]). Diese Voraussetzungen erfüllt hier die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Szigetszentmiklós; dass die Antragstellerin gegen diese Entscheidung iSd § 111e AußStrG ein Rechtsmittel oder einen sonstigen Rechtsbehelf erhoben hätte und dass diesen nach dem ausländischen Verfahrensrecht aufschiebende Wirkung zukäme, behauptet sie nicht (6 Ob 143/18z; Gitschthaler aaO Rz 56).

2. Der Einwand der Antragstellerin, es handle sich bei der Entscheidung des Amtsgerichts Szigetszentmiklós lediglich um eine einstweilige Verfügung, geht ins Leere, erfasst § 111e AußStrG doch gerade auch „bloß vorläufig[ e ]“ Entscheidungen.

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