12Os87/19i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski in Gegenwart der OKontr. Trsek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert W***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 4 Hv 17/19s des Landesgerichts Wels, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 4. Juni 2019, AZ 8 Bs 60/19h (ON 135 des Hv-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Robert W***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Beschluss vom 22. Mai 2019, GZ 4 Hv 17/19s 127, setzte der Vorsitzende des Landegerichts Wels als Schöffengericht die über Robert W***** am 18. Oktober 2018 verhängte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, lit b und lit d StPO fort.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz einer dagegen ergriffenen Beschwerde des Angeklagten nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus dem erwähnten Haftgrund fort.
Dabei erachtete das Oberlandesgericht den Angeklagten (zu 1./ bis 3./ und 5./) dringend verdächtig, er habe in S***** und an anderen Orten zwischen Ende Juni 2018 und 16. Oktober 2018
1./ andere widerrechtlich beharrlich verfolgt, und zwar
1./1./ Dorina B*****, indem er wiederholt im Wege der Telekommunikation via ausländischer Telefonnummern Kontakt zu ihr hergestellt und durch Schaltung von Internetannoncen, die vorspiegelten, die Genannte würde „sexuelle Bedürfnisse erfüllen“, Dritte unter Verwendung der personenbezogenen Daten der Genannten veranlasst habe, mit ihr Kontakt aufzunehmen;
1./2./ Ursula H*****, indem er wiederholt im Wege der Telekommunikation unter Vorgabe anderer Absender E Mails, oftmals mit Sexualbezug – exemplarisch, ihr Sohn vergehe sich an Tieren oder habe mit seinem Vater an sexuellen Ausschweifungen teilgenommen – übermittelte;
1./3./ Dr. Stefan E*****, indem er wiederholt im Wege der Telekommunikation via ausländischer Telefonnummern und via SMS unter dem Absender „N*****“ Kontakt zu ihm auf seinem privaten Handyanschluss herstellte – exemplarisch, „Drohnenflug Glasdächer sind eine schöne Kombination. Das eröffnet einen ganz anderen Blick“ unter Bezug auf das (Privat-)Haus des Genannten – und E Mails, vorgeblich anderer Absender, an dessen private und dienstliche Adresse übermittelte;
2./ Personen, teilweise auch mit dem Tod oder mit einer Brandstiftung, gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar
2./1./ Dorina B***** durch die persönlich getätigten oder schriftlich übermittelten Äußerungen:
2./1./1./ „Jeder Schritt ist gezählt von dir“;
2./1./2./ „Ich täte mich fürchten wenn ich alleine unterwegs bin, merk dir das“;
2./1./3./ „nämlich durch die Fälschung einer Sterbeurkunde ihre Person betreffend, Veröffentlichung über eine Internetplattform sowie die persönliche Übermittlung dieses Schriftstücks mit dem Tod“;
2./2./ Dr. Stefan E***** durch die
2./2./1./ via SMS übermittelte – unter Bezug auf das Privathaus des Genannten sowie die Gattin seines Cousins, die in einem Bestattungsunternehmen arbeitet, getätigte – Äußerung: „Wieso brennt im Hinterzimmer das Licht? Wenn da etwas brennen sollte, dann eine Kerze. E. Maria E***** kennt sich gut mit Trauerarbeit aus“, mit dem Tod;
2./.2./2./ via E Mail unter Vorgabe eines anderen Absenders an die private E-Mail-Adresse übermittelte Berichterstattung zu einem tatsächlich stattgefundenen Brandereignis, verbunden mit den in der E Mail angegebenen Ermittlungen gegen den „Feuerteufel W*****, welcher im Umkreis von S***** O***** schon etliche Brände gelegt habe“, mit einer Brandstiftung;
3./ Dorina B***** durch die unter 1./1./ und 2./1./ genannten Tathandlungen sowie überdies durch die (teils versuchte) Auflösung von Vertragsverhältnissen (Vermieter, Telekommunikationsunternehmen, Versorgungs-unternehmen etc) unter Verwendung einer gefälschten Sterbeurkunde (Pkt 5./1./) und die Verbreitung von Unwahrheiten über ihr Sexualleben eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer akuten Belastungsreaktion und einer reaktiven Depression mit einer länger als 24 Tage andauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit absichtlich zugefügt;
5./ von ihm hergestellte falsche oder verfälschte, teils inländische öffentliche Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, und zwar
5./1./ eine total gefälschte Sterbeurkunde betreffend Dorina B*****, die er vorgeblich auch im Namen deren Tochter an verschiedene Vertragspartner der Genannten – ua deren Vermieter – versendete, um Vertragsauflösungen zu erreichen und auch eine Todesanzeige schaltete;
5./2./ ein total gefälschtes Schreiben seines Vermieters WA*****, welches er selbst vorerst an diesen gesendet und sodann zum Anlass genommen habe, sich bei der WA***** zu beschweren;
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Oberlandesgericht diese dringende Verdachtslage als Vergehen der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 2 und Z 4 StGB (1./), mehrere Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (2./1./1./ und 2./1./2./), mehrere Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (2./1./3./ und 2./2./1./), Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 fünfter Fall StGB (2./2./2./), Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (3./) und mehrere Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (5./1./) sowie der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (5./2./).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen ergriffene Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.
Mit dem pauschalen Einwand, wonach es „keinen einzigen objektiven Nachweis einer Schuld des Angeklagten“, gebe, gelingt es der Beschwerde nicht, die – nur nach Maßgabe der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO bekämpfbaren (RIS Justiz RS0110146; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 11.98) – Tatverdachtsannahmen des Oberlandesgerichts in Frage zu stellen.
Die Behauptung, das Verschicken von Nachrichten stelle „keinesfalls“ eine für eine Subsumtion nach § 87 Abs 1 StGB taugliche Tathandlung dar, bleibt ohne rechtliches Substrat (RIS Justiz RS0092798; Burgstaller/Fabrizy in WK² StGB § 83 Rz 15; Kienapfel/Schroll StudB BT I 4 § 83 Rz 19 f; Messner SbgK § 83 Rz 10, 32).
In Bezug auf die vom Beschwerdeführer weiters behauptete Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft prüft der Oberste Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren lediglich, ob der vom Oberlandesgericht angestellte Vergleich von bisheriger Dauer der Haft und der zu erwartenden Strafe vertretbar war (RIS Justiz RS0120790). Das ist im Hinblick auf die Erwägungen des Oberlandesgerichts, das die (zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Beschwerdegerichts) bisherige Haftdauer von siebeneinhalb Monaten in Relation zum Gewicht der Straftaten und den Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe setzte, der Fall.
Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.