JudikaturOGH

2Ds5/19m – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Juli 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat am 4. Juli 2019 durch die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Senatspräsidenten Prof. Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Jensik und den Hofrat Hon. Prof. Dr. Höllwerth als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen die Richterin des Bezirksgerichts ***** ***** wegen Pflichtverletzung nach § 57 Abs 1 RStDG über die Berufung des Disziplinaranwalts wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Erkenntnis des Oberlandesgerichts Graz vom 10. Dezember 2018, GZ 112 Ds 9/18f 17, nach mündlicher Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Erste Generalanwältin Prof. Dr. Aicher und der Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass eine Geldstrafe von zwei Monatsbezügen verhängt wird.

Die Beschuldigte hat die mit 300 Euro bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschuldigte eines Dienstvergehens (§ 101 Abs 1 RStDG) schuldig erkannt. Danach hat sie als Richterin des Bezirksgerichts ***** zwischen 1. September 2011 und 1. April 2018 dadurch, dass sie

1. in näher bezeichneten 62 streitigen Rechtssachen Entscheidungen unter grober Missachtung der in § 415 ZPO vorgesehenen Frist ausfertigte, und zwar

1.1. in fünf Verfahren das Urteil bzw den Endbeschluss erst über ein Jahr nach Schluss der Verhandlung oder nach Übertragung des Verhandlungsprotokolls,

1.2. in sieben Verfahren das Urteil bzw den Endbeschluss erst neun bis zwölf Monate nach Schluss der Verhandlung bzw nach Übertragung des Verhandlungsprotokolls,

1.3. in 29 Verfahren das Urteil bzw den Endbeschluss erst sechs bis neun Monate nach Schluss der Verhandlung bzw nach Übertragung des Verhandlungsprotokolls,

1.4. in 21 Verfahren das Urteil erst vier bis sechs Monate nach Schluss der Verhandlung bzw nach Übertragung des Verhandlungsprotokolls;

2. in vier näher bezeichneten streitigen Rechtssachen unvertretbare Verfahrensstillstände bewirkte, und zwar über 20 Monate, über zehn Monate, über 19 Monate und über 12 Monate;

3. in 46 näher bezeichneten außerstreitigen Rechtssachen unvertretbare Verfahrensstillstände bewirkte, und zwar

3.1. in zehn Verfahren unter grober Missachtung der in § 110 Abs 1 Geo. vorgesehenen Frist Ausfertigungsrückstände von über einem Jahr nach dem letzten gesetzten Verfahrensschritt bzw nach Übertragung des Verhandlungsprotokolls,

3.2. in 24 Verfahren in 26 Fällen unter grober Missachtung der in § 110 Abs 1 Geo. vorgesehenen Frist Ausfertigungsverzögerungen von sechs bis 12 Monaten nach dem letzten gesetzten Verfahrensschritt bzw nach Übertragung des Verhandlungsprotokolls,

3.3. in 12 Verfahren in 15 Fällen sonstige unvertretbare Bearbeitungsverzögerungen und Verfahrensstillstände von über sechs Monaten;

4. in einem weiteren bestimmten Verfahren die Geschäftsabteilung über den Schluss der Verhandlung am 19. Juni 2013 nicht in Kenntnis setzte, sodass der Verfahrensschritt erst mehr als zwei Jahre später, nämlich anlässlich der Übergabe des Urteils am 16. November 2015 in das Register eingetragen werden konnte und die diesbezügliche Urteilsausfertigungsverzögerung nicht in den Prüflisten ersichtlich war;

die in § 57 Abs 1 und 3 RStDG normierten Pflichten, die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten, sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen, die ihr übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen und sich im Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen ihres Berufsstandes nicht gefährdet wird, verletzt. Gemäß § 104 Abs 1 lit b RStDG wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von 6.961 Euro verhängt und sie gemäß § 137 Abs 2 RStDG zum Ersatz der mit 750 Euro bestimmten Verfahrenskosten verpflichtet.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinaranwalts wegen des Ausspruchs über die Strafe zum Nachteil der Beschuldigten. Sie ist im Recht.

Für die Strafbemessung ist die Art und Schwere der Pflichtverletzung maßgebend, wobei auch auf Erwägungen der Spezial und Generalprävention Rücksicht zu nehmen ist (2 Ds 1/18x; 2 Ds 6/17f, je mwN). Das Disziplinargericht erster Instanz wertete den langen Zeitraum der Pflichtverletzungen und die Vielzahl der von teilweise sehr umfangreichen Verzögerungen betroffenen Verfahren als erschwerend; als mildernd hingegen, dass die Pflichtverletzungen in auffallendem Widerspruch zum ansonsten tadelfreien bisherigen Verhalten der Beschuldigten stehen, sowie ihr reuiges Geständnis. Aus diesen Strafzumessungsgründen sowie den Erfordernissen der General und Spezialprävention hielt es die Verhängung einer Geldstrafe, die gemäß § 104 Abs 1 lit b RStDG in Höhe von bis zu fünf Monatsbezügen ausgesprochen werden könne, im Umfang eines Bruttomonatsbezugs für ausreichend.

Der Oberste Gerichtshof erachtet – der den langen Zeitraum der Pflichtverletzungen, die Vielzahl der betroffenen Verfahren, den Umfang der Verzögerungen und anknüpfende Aspekte der Spezialprävention betonenden Berufung des Disziplinaranwalts folgend – eine Erhöhung der Sanktion auf zwei Monatsbezüge für geboten, damit sie Tatunrecht und Täterschuld, die als besonders gravierend einzustufen sind, sowie auch Belangen der Spezial und Generalprävention hinreichend gerecht wird.

Die Entscheidung nach § 137 Abs 2 iVm § 140 Abs 3 letzter Satz RStDG ist im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof und den Vermögensverhältnissen der Beschuldigten begründet.

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