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6Ob108/19d – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Denk Kaufmann Fuhrmann Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Foglar Deinhartstein KG in Wien, wegen 1.422.765,90 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2019, GZ 129 R 24/19a 29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Parteien schlossen am 12. 12. 2007 zwei Anteils und Abtretungsverträge, mit denen die Klägerin von der Beklagten die Geschäftsanteile an zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung erwarb, welche jeweils einer Stammeinlage von 35.000 EUR entsprachen. Vor Abschluss der Abtretungsverträge wurde von der I*****gesellschaft mbH ein „Großmutterzuschuss“ in Höhe von 55.000.000 EUR bzw 66.000.000 EUR geleistet. Der Abtretungspreis für die Gesellschaftsanteile betrug 55.035.000 EUR bzw 66.035.000 EUR. In beiden Verträgen war vorgesehen, dass der Großmutterzuschuss als freie Kapitalrücklage geleistet war, welcher nicht der Gesellschaftssteuer unterliege.

Zweck dieser Transaktion war eine Steuerersparnis für die Klägerin, um bei ihr aufgedeckte stille Reserven durch eine Wiederveranlagung zu vermeiden. Die Steuerberaterin der Klägerin empfahl, eine Ersatzinvestition zu tätigen, indem die Klägerin eine österreichische sogenannte „Cash Box“ – eine Gesellschaft, die mit Eigenkapital in Höhe der aufgedeckten stillen Reserven ausgestattet wäre – erwerben sollte. Die betreffende Vertragsbestimmung, wonach der Großmutterzuschuss nicht der Gesellschaftssteuer unterliege, wurde von einem Vorstandsmitglied der klagenden Partei eingefügt.

Sämtliche Beteiligten gingen davon aus, dass aufgrund der gewählten Konstruktion keine Gesellschaftssteuer anfallen würde. Was passieren sollte, falls doch Gesellschaftssteuer vorgeschrieben wurde, wurde zwischen den Streitteilen nicht besprochen.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern schrieb Gesellschaftssteuer in Höhe von 550.000 EUR bzw 660.000 EUR vor. Die Zuschüsse seien als direkter, von der neuen Muttergesellschaft (der Klägerin) stammender Gesellschafterzuschuss und daher als freiwillige Leistung gemäß § 2 Z 4 KVG zu qualifizieren.

Den dagegen erhobenen Rechtsmitteln der beiden Gesellschaften gab das Bundesfinanzgericht mit Entscheidungen vom 1. 8. 2016 keine Folge. Die gewählte Vorgangsweise stelle einen Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne von § 22 BAO dar; die geleisteten Zuschüsse seien bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Klägerin zuzurechnen. Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Beschlüssen vom 23. 12. 2016, Ra 2016/16/0105 3 und Ra 2016/16/0107 3, die dagegen erhobenen Revisionen der beiden Gesellschaften zurück.

Die Klägerin begehrt Ersatz der von ihr bezahlten Gesellschaftssteuer sowie Aussetzungszinsen und die bei der Bekämpfung der Steuerbescheide angefallenen Vertretungskosten. Die Beklagte habe in dem Abtretungsvertrag die Haftung für das Gesellschaftssteuerrisiko übernommen und ausdrücklich garantiert.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die Vertragsklausel betreffe nur bereits bestehende Verbindlichkeiten, nicht aber die Übernahme eines zukünftigen Steuerrisikos.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der klagenden Partei zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Die Frage der Vertragsauslegung richtet sich regelmäßig nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (RS0042936). Eine erhebliche Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen wird von der klagenden Partei nicht aufgezeigt. Die von ihr ins Treffen geführten Literaturzitate betreffen durchwegs abweichende Formulierungen und sind daher auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen. Bei der Auslegung der betreffenden Vertragsbestimmung ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Idee zu dem Steuersparmodell ebenso wie die konkrete Vertragsformulierung von der klagenden Partei bzw ihrer Beraterin stammte. Eine Unsicherheit bestand im vorliegenden Fall ausschließlich hinsichtlich des zukünftigen Steuerrisikos, also hinsichtlich der Frage, ob die Steuerbehörden die von der klagenden Partei gewählte Konstruktion akzeptieren würden. Wenn die Vorinstanzen in Anbetracht der konkreten Umstände des Falls zu dem Ergebnis gelangten, dass die beklagte Partei mit der zitierten Formulierung nicht auch das Risiko übernommen hat, dass die von der Klägerin bzw ihrer Steuerberaterin gewählte Konstruktion von den Finanzbehörden nicht anerkannt würde, ist dies nicht zu beanstanden. Zutreffend hob schon das Berufungsgericht hervor, dass in Anbetracht des niedrigen von der beklagten Partei bezogenen Entgelts von bloß 15.000 EUR nicht davon ausgegangen werden kann, dass damit ohne zeitliche Beschränkung auch ein künftiges Steuerrisiko in Millionenhöhe übernommen würde.

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