13Os21/19s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Korner als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Helmut K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. Jänner 2019, GZ 15 Hv 111/18s 64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut K***** im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten 13 Os 111/18z) gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Danach hat er in G***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, beruht,
(1) am 8. Juli 2016 Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Vorführung zum Amtsarzt nach § 9 UbG, zu hindern versucht, indem er den Polizeibeamten Michael P***** und Dominik S***** Schläge und Tritte versetzte,
(2) durch die zu 1 beschriebenen Tathandlungen an den Beamten während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben eine Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) begangen, wobei
(a) Michael P***** einen Bänder- und Kapseleinriss des Daumengelenks, somit eine an sich schwere Verletzung, erlitt, welche eine länger als 24 Tage dauernde Berufsunfähigkeit zur Folge hatte, und
(b) Dominik S***** eine Hautabschürfung am linken Ellenbogen sowie ein Hämatom am rechten Knie erlitt, weiters
(3) am 8. November 2017 eine Beamtin, nämlich die nach §§ 3 und 5 GOG sowie zwecks Vollziehung der Hausordnung des Bezirksgerichts Graz-Ost einschreitende Sicherheitsbedienstete Sabine A*****, durch gefährliche Drohung mit einer erheblichen Verstümmelung (§ 106 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB), und zwar durch die Ankündigung: „Wenn Du mir in den Rucksack greifst, dann hacke ich Dir die Finger ab! Ich kann das, ich war Maurer!“ an einer Amtshandlung, nämlich der Durchsuchung des von ihm mitgeführten Rucksacks im Zuge der Sicherheitskontrolle vor Einlass in das Amtsgebäude, zu hindern versucht
und dadurch das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (1), mehrere Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (2 a und b) sowie jeweils ein Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (2 a) und des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB (3) begangen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 (richtig) lit a, 10 und 11 (§ 433 Abs 1) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.
Die von der Mängelrüge (Z 5) vermisste Begründung für die Feststellung, der Betroffene habe (zu 1) eine Amtshandlung verhindern wollen (US 4), findet sich auf den US 9 und 11.
Sie und die weiteren Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (betreffend 1 und 2) folgerte das Erstgericht – der Rüge (Z 5 vierter Fall) zuwider willkürfrei – vor allem aus dem „objektiven Geschehensablauf“ (US 9). Seine diesbezüglichen Feststellungen wiederum stützte es auf Aussagen der (unmittelbaren Tat-)Zeugen P*****, S*****, Sarah K*****, Nadine M*****, Daniel F***** und Björn Po***** (US 6 bis 9).
Der Vorwurf, das Erstgericht habe – im Rechtsmittel isoliert hervorgekehrte – Details der Zeugenaussagen K*****, M***** und Po***** „nicht berücksichtigt“ (Z 5 zweiter Fall), wonach sich der Betroffene „versteift“ habe, unterlässt die zur prozessförmigen Ausführung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes gebotene (RIS-Justiz RS0116504) Betrachtung der relevierten Beweismittel in ihrer Gesamtheit. Gaben doch diese Zeugen (ebenfalls) übereinstimmend an, der Betroffene habe sich gegen P***** und S***** (auch aktiv) zur Wehr gesetzt, indem er „ausgetreten“ habe (ON 4 S 17 f und ON 46 S 3 iVm ON 63 S 9 f; ON 46 S 5 iVm ON 63 S 10 f; ON 46 S 5 f iVm ON 63 S 17). Der Annahme, dies sei mit der festgestellten Willensausrichtung geschehen, steht die (weitere) Aussage der Zeugen K***** (ON 46 S 3 iVm ON 63 S 9 f) und Po***** (ON 46 S 6 iVm ON 63 S 17), der Betroffene sei zuvor in Bauchlage zu Boden gebracht worden, nicht erörterungsbedürftig entgegen.
Kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen der (zu 3 getroffenen) Feststellung zur Intention des Betroffenen, A***** an einer Kontrolle seines Rucksacks zu hindern (US 5), und jener, die Genannte habe dies ohnehin „nicht vor“ gehabt (US 5).
Die Feststellungen zum auf die Beamteneigenschaft der A***** bezogenen Vorsatz (§ 5 StGB) des Betroffenen (US 5) wurden keineswegs „überhaupt nicht“ (Z 5 vierter Fall), sondern sehr ausführlich begründet (US 10).
Das weitere Vorbringen richtet sich gegen den Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 (iVm § 430 Abs 2) StPO betreffend die Anlasstat vom 8. November 2017 (3).
Dass das konstatierte Verhalten des Betroffenen „keinen Nötigungsversuch darstelle“, wenn A***** „das Reinschauen in den Rucksack“ des Beschwerdeführers „ohnedies nicht vor hatte“ (Z 9 lit a), wird ohne Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).
Der Umstand, dass sich das Opfer – wie hier nach den Feststellungen (US 5) – auch ohne die vom Täter geäußerte Drohung in der von diesem gewünschten Weise verhalten hätte, hindert die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion im Übrigen keineswegs (vgl Schwaighofer in WK 2 StGB § 105 Rz 67; RIS-Justiz RS0090808, RS0093359, RS0093710).
Mit dem Einwand (Z 9 lit a), die festgestellte Äußerung sei nicht als gefährliche Drohung (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB), sondern als „milieu- bzw. augenblicksbedingte Unmutsäußerung zu werten“, setzt sich der Beschwerdeführer prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) über die dem entgegenstehenden tatrichterlichen Konstatierungen zu ihrer Ernstlichkeit (US 5) hinweg.
Weshalb die in § 3 Abs 1 zweiter Satz GOG genannten Kontrollorgane (dazu im gegebenen Zusammenhang Danek/Mann in WK 2 StGB § 269 Rz 36; Hochmayr/Schmoller SbgK § 269 Rz 20; Wach , Private Sicherheitsdienste im Strafrecht, JSt 2008, 48 [54]) nicht dem funktionalen Beamtenbegriff des § 74 Abs 1 Z 4 StGB unterfallen sollten, versäumt die Rüge (Z 10) methodisch korrekt darzulegen.
Ebenso wenig macht sie klar, aus welchem Grund einer Subsumtion nach § 269 Abs 1 zweiter Fall StGB entgegenstehen sollte, dass jene Amtshandlung (§ 269 Abs 3 StGB; vgl § 3 Abs 2 und 3 GOG; § 5 GOG), an welcher der Beschwerdeführer das Kontrollorgan hindern wollte (US 5), tatsächlich unterblieb.
Die Sanktionsrüge (Z 11) beschränkt sich darauf, unter Ausblendung der Feststellungen zur Tat vom 8. November 2017 (US 4 f) – somit abseits des Urteilssachverhalts – entwickelte Hypothesen zur Gefährlichkeitsprognose aufzustellen. Damit erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).