JudikaturOGH

7Ob253/18h – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin Republik Österreich (Staatsanwaltschaft K*****), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, gegen die Erlagsgegner 1. R***** Z*****, vertreten durch Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in Wien, 2. A***** SRL, *****, wegen Hinterlegung nach § 1425 ABGB, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Ersterlagsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 14. August 2018, GZ 3 R 190/18s 26, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 12. April 2018, GZ 19 Nc 7/18g 7, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. April 2018, GZ 19 Nc 7/18g 8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Erlegerin (Staatsanwaltschaft K*****) beantragte die gerichtliche Hinterlegung eines näher bezeichneten Kraftfahrzeugs (Pkw) mit der Begründung, dass ein gegen M***** S***** zu 3 St 235/17d der Erlegerin geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts nach § 164 StGB eingestellt worden sei und ein Verfahren gegen unbekannte Täter weitergeführt werde. Der Grund für eine weitere staatsanwaltschaftliche Verwahrung des im Zusammenhang mit diesen Verfahren sichergestellten Pkws sei weggefallen. Es liege der Hinterlegungsgrund einander widerstreitender Ausfolgungsansprüche zweier bezeichneter Erlagsgegner vor und es sei nicht Aufgabe der Erlegerin, über die Person des Berechtigten zu entscheiden.

Das Erstgericht nahm den Erlag an. Es führte rechtlich aus, dass das Fahrzeug in I***** gestohlen worden sei. Die Zweiterlagsgegnerin habe Eigentumsansprüche geltend gemacht. Gleichzeitig behaupte die Ersterlagsgegnerin als österreichische Käuferin das Eigentum am Fahrzeug infolge gutgläubigen Erwerbs. Der Pkw könne derzeit an keine der Erlagsgegnerinnen ausgefolgt werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Ersterlagsgegnerin nicht Folge. Es vertrat die Rechtsansicht, dass im Erlagsgesuch ein tauglicher Hinterlegungsgrund darzutun sei. Es seien mehrere Forderungsprätendenten (Erlagsgegner) zu benennen, deren Ansprüche auf den Erlagsgegenstand und die Schwierigkeit ihrer rechtmäßigen Erfüllung plausibel zu machen seien. Beim vorliegenden Auftreten mehrerer Forderungsprätendenten sei der Gerichtserlag durch den Schuldner dann berechtigt, wenn dem Schuldner – wie hier – objektiv nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden könne, den Berechtigten bei sorgfältiger Prüfung zu erkennen. Dem Schuldner könne keine Klärung streitiger Tatumstände abverlangt werden. Das Vorbringen der Erlegerin sei ausreichend schlüssig und nachvollziehbar. Beide Erlagsgegner stützten ihren Herausgabeanspruch offenkundig auf den Titel des Eigentums am Fahrzeug, wobei die Rekurswerberin ihr Recht aus dessen gutgläubigen entgeltlichen Erwerb nach § 367 ABGB ableite. Ob die Voraussetzungen dafür erfüllt seien, erfordere die Klärung der Tatumstände dieses Erwerbs und könne nur in einem Zivilrechtsstreit abschließend beurteilt werden. Dem Rekurs sei daher ein Erfolg zu versagen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil für die Beurteilung der Schlüssigkeit des Erlagsantrags die Umstände des Einzelfalls maßgeblich seien.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Ersterlagsgegnerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Zurück- bzw Abweisung des Erlagsantrags. Hilfsweise stellt die Ersterlagsgegnerin auch einen Aufhebungsantrag.

Der Senat stellte der Erlegerin die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung frei; die Erlegerin erstattete keine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und in seinem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

1. Die Ersterlagsgegnerin ist rechtsmittellegitimiert, weil der Erlag zugunsten mehrerer Erlagsgegner erfolgte (vgl RS0110882).

2. Dem Erlagsantrag ging eine Sicherstellung nach § 110 Abs 1 Z 2 StPO voraus. Wenn der Grund für die weitere Verwahrung sichergestellter Gegenstände wegfällt, sind diese gemäß § 114 Abs 2 StPO sogleich jener Person auszufolgen, in deren Verfügungsmacht sie sichergestellt wurden, es sei denn, dass diese Person offensichtlich nicht berechtigt ist. In diesem Fall sind sie der berechtigten Person auszufolgen oder, wenn eine solche nicht ersichtlich ist und nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden kann, nach § 1425 ABGB gerichtlich zu hinterlegen.

3. § 2 VerwEinzG, wonach Verwahrnisse, die das Strafgericht oder die Staatsanwaltschaft nach dem Wegfall des Rechtsgrundes für die gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Verwahrung nicht verwerten oder ausfolgen kann, nach § 1425 ABGB zu hinterlegen sind (strafrechtlicher Erlag), normiert keinen eigenständigen Verwahrungsgrund, sondern lediglich einen Anwendungsfall des § 1425 ABGB. Die Voraussetzungen nach der letztgenannten Bestimmung müssen daher (von der Person des Erlegers abgesehen) auch im Fall strafrechtlicher Verwahrnisse vorliegen. Dafür genügt das Vorliegen eines Prätendentenstreits, also das Vorhandensein mehrerer Prätendenten, die Eigentums-, Besitz- oder Detentionsansprüche erheben (8 Ob 75/16m).

4. Die Strafbehörde hat in ihrem Erlagsgesuch einen tauglichen Hinterlegungsgrund im Sinn des § 1425 ABGB darzutun (8 Ob 75/16m mwN). Wird ein Erlagsgesuch damit begründet, dass mehrere Forderungsprätendenten auf den Erlagsgegenstand Anspruch erheben und der oder die wahren Gläubiger nicht mit zumutbarem Aufwand zu ermitteln sind, dann gehört zur vorzunehmenden Schlüssigkeitsüberprüfung, ob die Angaben des Erlegers über die auf den Erlagsgegenstand geltend gemachten Ansprüche rechtlich plausibel sind und auch schlüssig dargelegt wurde, dass die Ermittlung des richtigen Gläubigers Schwierigkeiten bereite (RS0113469). Die Schlüssigkeit ist aufgrund der Behauptungen des Erlegers zu prüfen (8 Ob 31/11h).

5. Der hier zu beurteilende Erlagsantrag enthält lediglich Verweise auf gesetzliche Bestimmungen ohne konkrete Behauptungen zum in Anspruch genommenen Hinterlegungsgrund und ist daher einer Schlüssigkeitsprüfung nicht zugänglich. Es ist nicht Aufgabe des Erlagsgerichts in dem (in Ablichtung angeschlossenen) Strafakt nach Umständen zu suchen, die den begehrten Erlag allenfalls rechtfertigen könnten. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren mit der Erlegerin den Erlagsgrund zu erörtern und dieser die Gelegenheit zu geben haben, dazu konkrete Behauptungen aufzustellen. Diese werden dann bei der neuerlichen Entscheidung einer Schlüssigkeitsprüfung zu unterziehen sein.

6.1. Der Revisionsrekurs ist in seinem Aufhebungsantrag berechtigt.

6.2. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass noch keine die Sache erledigende Entscheidung im Sinn des § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG vorliegt (1 Ob 167/18t).

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