4Ob81/19v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Priv. Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. K***** D*****, vertreten durch Mag. Dr. Christian Gepart, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei DI (FH) A***** D*****, vertreten durch Dr. Martin Mahrer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 7.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2019, GZ 43 R 5/19g 118, womit das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 5. November 2018, GZ 41 C 6/14k 111, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der mit seiner verstorbenen Ex-Gattin (der Gesamtrechtsvorgängerin des Beklagten) abgeschlossene Unterhaltsvergleich vom 6. September 2010 rechtsunwirksam sei bzw beantragt, diesen Vergleich für unwirksam zu erklären. Er sei am Tag des Vergleichsabschlusses unter Einfluss von Alkohol bzw Medikamenten gestanden, habe Schmerzen und Fieber gehabt und sei daher „nicht zurechnungsfähig“ gewesen.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Es seien keinerlei Anhaltspunkte feststellbar, die die Rechtsunwirksamkeit des Vergleichs zur Folge hätten.
Das Berufungsgericht ließ die (vom Beklagten nicht beantwortete) Revision nachträglich (§ 508 Abs 3 ZPO) zu, „weil der Berufungsentscheidung inhaltlich eine unvertretbare Rechtsauffassung zur Last gelegt wird, [weshalb] insoweit das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO zu bejahen [ist]“.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden –Zulassungsausspruchs mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne von § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1.1 Der Kläger macht den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend und wirft dem Berufungsgericht erkennbar vor, es habe den von ihm in der Berufung geltend gemachten erstgerichtlichen Verfahrensmangel verneint. Das Erstgericht hätte die mündliche Ergänzung des eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachtens veranlassen müssen. Indem das Berufungsgericht sich der Ansicht des Erstgerichts angeschlossen und davon Abstand genommen habe, der Mängelrüge Folge zu geben, sei das Berufungsverfahren mit einem wesentlichen Mangel behaftet.
1.2 Angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können nicht in der Revision gerügt werden (RIS Justiz RS0042963). Dies kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RS0042963 [T58]). Der Grundsatz der Unanfechtbarkeit der Verneinung einer Mangelhaftigkeit wäre nur dann unanwendbar, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (RS0042963 [T12, T28, T56]).
1.3 Der Kläger behauptet eine solche aktenwidrige Begründung im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit dem medizinischen Gutachten, die darin liegen soll, dass das Berufungsgericht von einem Irrtum des Sachverständigen bei der Zeitangabe des Alkoholkonsums in seinem Ergänzungsgutachten ausging. In diesem Zusammenhang macht der Kläger gleichzeitig auch den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit geltend.
1.4 Die Entscheidungen der Vorinstanzen basieren ua auf dem erwähnten Gutachten, nach dem eine wesentliche Einschränkung der Geschäftsfähigkeit des Klägers nicht nachvollziehbar sei. Das Berufungsgericht nahm bei der Behandlung der Mängelrüge ua Bezug auf die Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen zum Zeitraum seines Alkoholkonsums am Vorabend des Vergleichsabschlusses. Im Einklang mit dem Akteninhalt verwies es darauf, dass der Kläger beim Sachverständigen angegeben hat, Alkohol in der Zeit zwischen 18:00 Uhr und 23:00 Uhr getrunken zu haben (ON 80 S 7). Zu einer Passage im Ergänzungsgutachten ON 87 ( „Der Kläger gab im Zuge der Exploration an, am Sonntagabend zwischen 18.00 und 20:00 Uhr fünf oder sechs große Schnäpse … zu sich genommen zu haben“ ) vermutete das Berufungsgericht einen offensichtlichen Irrtum des Gutachters. Darin liegt keine Aktenwidrigkeit.
1.5 Eine Aktenwidrigkeit haftet einer Entscheidung nur nämlich dann an, wenn der Inhalt einer Parteienbehauptung oder eines Beweismittels unrichtig wiedergegeben wurde und dies zur Feststellung eines fehlerhaften Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt geführt hat (RS0007258; RS0043347). Erwägungen, eine bloße Schlussfolgerung oder Wertung der Gerichte können nicht den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit bilden (RS0043256; RS0043277; RS0043347).
1.6 Die Zulässigkeit der Revision kann somit nicht auf eine Aktenwidrigkeit gestützt werden.
2. Soweit eine Rechtsrüge von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen abweicht und auf einem so nicht festgestellten Wunschsachverhalt beruht, ist sie als nicht gesetzesgemäß ausgeführt anzusehen (RS0043312 [T12, T14]).
2.1 Das Berufungsgericht konnte seine unterlassene Auseinandersetzung mit der (ohnedies substanzlosen) Rechtsrüge des Klägers auf diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz stützen. Mit seinem Hinweis auf seine am Tag des Vergleichsabschlusses durch Alkohol- und Medikamentenkonsum feststellbare Beeinträchtigung ignorierte der Kläger in der Berufung nämlich die (von ihm erfolglos angefochtene) erstgerichtliche Feststellung, dass eben keine geistige Beeinträchtigung im Sinne einer Einschränkung der Geschäftsfähigkeit vorgelegen sei.
2.2 Auch das Argument des Revisionswerbers, er habe damit in der Berufung nur einen sekundären Feststellungsmangel geltend gemacht, verfängt nicht, weil rechtliche Feststellungsmängel nicht erfolgreich geltend gemacht werden können, wenn zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen (RS0053317 [T1, T2, T5]).