Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und den Hofrat Mag. Painsi als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. M*****, geboren am ***** 2011, 2. A*****, geboren am ***** 2013, beide *****, Brasilien, aufgrund der vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien verfügten Vorlage des Akts AZ 97 PG 43/17x zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN den
Beschluss
gefasst:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache, insbesondere der Vermögensverwaltung betreffend des Erbes der beiden Minderjährigen in der Verlassenschaft nach deren Vater G***** (AZ 10 A 161/16s des Bezirksgerichts Dornbirn) an das Bezirksgericht Dornbirn wird nicht genehmigt.
Begründung:
In dem vom Bezirksgericht Dornbirn zu AZ 10 A 161/16s geführten Verlassenschaftsverfahren nach dem Vater der Minderjährigen wurde diesen die Verlassenschaft je zur Hälfte eingeantwortet. Die beiden Minderjährigen leben bei ihrer Mutter in Brasilien. Weder die Kinder noch ihre Mutter halten sich in Österreich auf.
Mit Beschluss vom 31. Jänner 2019 hat das nach § 109 Abs 2 JN zuständige Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu Punkt 1. der Mutter der Kinder die Obsorge im Teilbereich der Vermögensverwaltung betreffend des Erbes der beiden Minderjährigen in der Verlassenschaft nach deren Vater entzogen und dem väterlichen Großvater übertragen sowie zu Punkt 2. die Zuständigkeit zur Besorgung „dieser Pflegschaftssache“ gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Dornbirn übertragen. Der Wohnsitz des väterlichen Großvaters, der nunmehr die Obsorge betreffend die Verwaltung der Erbteile der Kinder innehabe, liege im Sprengel des Bezirksgerichts Dornbirn.
Das Bezirksgericht Dornbirn lehnte die Übernahme der Pflegschaftssache ab. Die Minderjährigen und deren Mutter, die die Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung innehabe, hielten sich unverändert in Brasilien auf. Eine Rückkehr nach Österreich sei nicht absehbar, die Übertragung der Zuständigkeit daher nicht zweckmäßig.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien legte daraufhin die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vor.
Die Übertragung der Zuständigkeit ist nicht gerechtfertigt.
1.
Nach § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird.
2. Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN ist immer das Kindeswohl (RS0047074 [T1]). Dabei nimmt die Rechtsprechung an, dass der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am besten durch jenes Gericht gewährleistet wird, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält (RS0047300 [T1, T23]; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 111 JN Rz 11; Fucik in Fasching/Konecny ³ I § 111 JN Rz 3; Mayr in Rechberger , ZPO 4 § 111 JN Rz 2). Eine Zuständigkeitsübertragung ist daher grundsätzlich zu genehmigen, wenn der Lebensmittelpunkt des Kindes in den Sprengel eines anderen als des bisher zuständigen Bezirksgerichts verlagert wird (6 Nc 5/16m mwN; RS0047300 [T11]).
3. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, weil die Minderjährigen gar keinen Aufenthaltsort in Österreich haben und Anhaltspunkte für eine in absehbarer Zeit bevorstehende Rückkehr fehlen. Der einzige auf den Sprengel des Bezirksgerichts Dornbirn bezughabende Umstand ist der dort befindliche Wohnsitz des (für die Verwaltung des ererbten Vermögens zur Obsorge berechtigen) Großvaters der beiden Minderjährigen. Allein der Umstand, dass diesem angesichts der Entfernung seines Wohnorts persönliche Vorsprachen beim derzeitigen Erstgericht erschwert sind und in diesem Sinn die im Rahmen der Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Verrichtungen schriftlich oder im Rechtshilfeweg abgewickelt werden müssen, rechtfertigt die Übertragung der Zuständigkeit nicht (vgl 8 Nc 4/06i; 2 Nc 7/06m). Dies unabhängig davon, ob die Übertragung lediglich die Besorgung der Vermögensverwaltung oder die Führung der gesamten Pflegschaftssache umfassen soll. Seinem insoweit unklaren Wortlaut nach umfasst der Übertragungsbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien „diese Pflegschaftssache“. Seit der Einführung des Außerstreitgesetzes ist der (gesamte) Pflegschaftsakt aber in mehrere Teilakte (Unterhalt, Vermögensverwaltung, sonstige Angelegenheiten) unterteilt und § 111 JN sieht auch eine Teilübertragung der Pflegschaftssache vor (6 Nc 16/18g).
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