JudikaturOGH

9ObA10/19i – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Mai 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und ADir. Gabriele Svirak in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** F*****, vertreten durch Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Österreichische Post AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Kerle, Dr. Stefan Aigner ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 23.558,27 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert: 21.800 EUR), sowie den Zwischenantrag auf Feststellung der beklagten Partei (Streitwert: 52.255,77 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. November 2018, GZ 7 Ra 32/18g 37, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beklagte bringt zunächst vor, dass gemäß § 15 Abs 2 PoststrukturG die Bestimmungen des II. Teils des ArbVG auf ihre Arbeitsverhältnisse nicht anzuwenden seien. Die Vorinstanzen hätten daher zu Unrecht auf das Dienstverhältnis des Klägers § 101 ArbVG angewandt und folglich seine Versetzung – hier auf eine Verwendung als Zusteller oder Sortierer/Arbeit an Maschinen – schon mangels Einhaltung des betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahrens für rechtsunwirksam erachtet.

Die Frage des Verhältnisses von § 15 Abs 2 PoststrukturG zu § 72 Abs 1 Post-BetriebsverfassungsG – wonach für die Befugnisse der Arbeitnehmerschaft (ua) das 3. Hauptstück des II. Teils mit Ausnahme der §§ 113 und 114 Anwendung finden –, ist hier nicht entscheidungsrelevant, weil die Vorinstanzen die Versetzung des Klägers schon aus vertragsimmanenten Gründen (vertragsändernde Verwendungsänderung ohne Zustimmung des Klägers) als rechtsunwirksam erachteten. Diese Beurteilung ist auch nicht weiter korrekturbedürftig, wenn man bedenkt, dass die Streitteile zum 1988 abgeschlossenen Dienstvertrag des Klägers mit Nachtrag vom 1. 10. 2004 seine Verwendung als Distributionsleiter und mit Nachtrag vom 1. 10. 2008 seine Verwendung als Betriebsmanager, Dienstzulage pt 3/1, vereinbarten, ohne dass dabei eine Befristung, ein Versetzungsvorbehalt oder ein anderer Grund vereinbart wurde, der auf eine nur vorübergehende Verwendung des Klägers in diesen Verwendungen hindeuten könnte. Dass die Überstellung des Klägers in die Entlohnungsgruppe pt 3/2 an das Erbringen der entsprechenden Überstellungserfordernisse geknüpft wurde, spricht nicht dagegen. Diesbezüglich wies schon das Berufungsgericht darauf hin, dass dies nur zur Folge hat, dass der Kläger Anspruch auf den seiner urspünglichen Einstufung entsprechenden Grundlohn samt den aufgrund der höherwertigen Verwendung normierten Zulagen hat. Ist die verschlechternde Versetzung des Klägers danach nicht vom Arbeitsvertrag gedeckt, kommt es auf die Frage, ob auch die Personalvertretung in die Versetzung einzubinden gewesen wäre, nicht weiter an.

2. Das Vorbringen der Beklagten („wenn man § 101 ArbVG schon zur Anwendung bringen möchte“), dass sie auch bei den Nachträgen 2004 und 2008 das betriebsverfassungsrechtliche Verfahren nach § 101 ArbVG nicht eingehalten habe, der Kläger aber für die Rechtswirksamkeit dieser Versetzungen behauptungs- und beweispflichtig gewesen wäre, stützt ihren Standpunkt nicht, weil nach dieser Bestimmung nur verschlechternde Versetzungen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen.

3. Die Beklagte meint auch, dass der Kläger nur deswegen nicht infolge Bedarfsmangels gekündigt worden sei, weil er als begünstigter Behinderter dem besonderen Kündigungsschutz des § 8 BEinstG unterliege und daher nur mit Zustimmung des Behindertenausschusses gekündigt werden dürfe, wozu sie Feststellungen vermisse. Dass der Kläger bei einer Entlohnung nach pt 3 faktisch von der Erbringung jedweder Arbeitsleistung befreit würde, weil sein Arbeitsplatz eingezogen worden sei und er andere Dienste nicht verrichten müsse, führe zu einer gleichheitswidrigen, weil unsachlichen Besserstellung des Klägers.

Diesen Erwägungen kann nicht gefolgt werden, sieht doch § 8 Abs 4 lit a BEinstG – freilich im Rahmen der den Dienstgeber treffenden Fürsorgepflicht (RS0097388) – insbesondere auch den Entfall des Tätigkeitsbereichs eines begünstigten Behinderten unter weiter genannten Voraussetzungen (trotz Zustimmung keine Möglichkeit zu seiner Weiterbeschäftigung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden) als Grund für die Unzumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung an. Den Außerstreitstellungen und dem festgestellten Sachverhalt ist auch nicht zu entnehmen, dass der beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten, gestellte Antrag der Beklagten auf Zustimmung zur Kündigung des Klägers rechtskräftig abgewiesen worden wäre. Ein Grund, der Anregung der Beklagten zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem VfGH zur Aufhebung der zitierten Wortfolge des § 8 Abs 4 lit a BEinstG näherzutreten, besteht hier nicht.

4. Andere Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Beklagte in der Zulassungsbeschwerde nicht auf. Ihre außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

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