10Ob29/19s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Bischof Zorn + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun und Mag. Christian Fellner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2019, GZ 40 R 2/19v 24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 25. Oktober 2018, GZ 5 C 433/15v 20, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin einer Dachbodenwohnung, die Beklagte ist Mieterin dieser Wohnung, die (vertragskonform) untervermietet ist.
In ihrer gerichtlichen Aufkündigung nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG brachte die Klägerin vor, die Beklagte habe von März bis Juli 2015 jeweils um 100 EUR zu wenig an Mietzins geleistet.
Die Beklagte wendete ein, die Mietzinsminderung sei im Hinblick auf wiederholte Nässeeintritte an den Decken und Wänden erfolgt, die trotz Anzeige nicht behoben worden seien.
Soweit für das Rekursverfahren wesentlich replizierte die Klägerin, dass kein Grund zur Mietzinsminderung bestehe. Die Beklagte habe den Rohdachboden ausbauen lassen, weshalb sie selbst für die Wartung und Schadensbehebung der selbst ausgebauten Teile des Mietgegenstands verantwortlich sei und nicht die Hausinhabung. Im Zuge des Ausbaus sei auch eine Terrasse errichtet worden, die ausschließlich zur Dachbodenwohnung gehöre und jahrelang nicht gewartet worden sei. Die Mietzinsminderung sei schikanös.
Die Beklagte bestritt den Dachbodenausbau selbst vorgenommen zu haben.
Das Erstgericht hob die Kündigung auf. Es stellte zusammengefasst fest, dass es durch Undichtheiten im Bereich des Daches an mehreren Stellen immer wieder zu Wassereintritten in die Wohnung gekommen ist, wodurch elektrische Kurzschlüsse auftraten. Trotz Meldung der Wassereintritte wurde von der Klägerin vorerst keine Reparatur vorgenommen. Der Untermieter nahm deshalb von März bis einschließlich Juli 2015 eine monatliche Untermietzinsreduktion von 100 EUR vor, die die Beklagte in dieser Höhe gegenüber der Klägerin übernahm. Mit Sachbeschluss des Erstgerichts vom 18. 8. 2017, 5 MSch 16/16y, wurde die Klägerin rechtskräftig zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten verpflichtet.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, der (allein geltend gemachte) Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG liege nicht vor. Unabhängig davon, wer den Dachbodenausbau durchgeführt habe, stelle der Dachbereich einen allgemeinen Teil des Hauses dar, den der Vermieter zu erhalten habe. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass die Mieterin ein Verschulden an der Unbrauchbarkeit der Wohnung treffe. Ein Mietzinsminderungsanspruch von 15 % sei angemessen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und hob das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung (nach Verfahrensergänzung) auf. Es fehlten konkrete Feststellungen dazu, ob das Mietverhältnis zwischen den Streitteilen nach Ausübung eines Weitergaberechts durch jenes Bauunternehmen bestehe, mit dem die Klägerin einen Mietvertrag über den noch unausgebauten Dachboden mit der Berechtigung zum Ausbau als Dachbodenwohnung abgeschlossen habe, oder ob zwischen den Streitteilen ein Hauptmietvertrag über eine bereits ausgebaute Dachbodenwohnung geschlossen worden sei. Nur auf dieser Grundlage sei rechtlich zu klären, welche Leistung der Vermieter schulde bzw worin der bedungene Gebrauch iSd § 1096 ABGB liege. Sollte die Beklagte eine bereits bestehende, ausgebaute Wohnung angemietet haben, blieben allfällige Fehler in der Errichtung der Wohnung durch die Vormieterin für das Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen und für die zu beurteilende Mietzinsminderung irrelevant. Andernfalls seien ergänzende Feststellungen zur Schadensursache zu treffen, um eine rechtliche Beurteilung des Verschuldenseinwands der Klägerin zu ermöglichen. Im – unbestritten vorliegenden – Vollanwendungsbereich des MRG sei der Vermieter zwingend zur Durchführung der zur Behebung der Undichtheit des Daches nötigen Arbeiten verpflichtet, die zur Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses erforderlich seien (§ 3 Abs 2 Z 1 MRG). Diese Erhaltungspflicht hätte die Klägerin verletzt, dies unabhängig davon, ob allenfalls der Mieter selbst die allgemeinen Teile (mangelhaft) errichtet habe. Damit stehe aber noch nicht abschließend fest, dass der Mietzinsminderungsanspruch dem Grunde nach berechtigt sei, weil die Zinsminderung nicht eintrete, wenn der Mangel durch den Bestandnehmer – etwa durch unsachgemäße Arbeiten des von ihm beauftragten Handwerkers – verschuldet sei. Die Gebrauchsbeeinträchtigung wäre damit kumulativ auf eine schuldhafte Schadensverursachung durch die Beklagte und auf eine Verletzung der gesetzlichen Erhaltungspflicht der Vermieterin zurückzuführen. Es wären daher ergänzende Feststellungen zur Schadensursache zu treffen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu vorliege, ob ein Verschuldenseinwand des Vermieters gegen einen Mietzinsminderungsanspruch des Mieters auch dann greifen könne, wenn die herabgesetzte Brauchbarkeit (jedenfalls auch) auf eine Verletzung der gesetzlichen Erhaltungspflicht des Vermieters zurückzuführen sei. Weiters liege keine oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu vor, ob sich das „Rechtsmissbrauchsargument“ der Entscheidung 4 Ob 199/13p (betreffend deckungsgleiche Aufwandersatzansprüche des Mieters nach § 1097 ABGB und Ersatzansprüche des Vermieters gemäß § 1111 ABGB bei Rückstellung des Bestandobjekts) auf Mietzinsminderungsansprüche erstrecken lasse.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten.
Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, der Oberste Gerichtshof möge selbst im Sinn einer Bestätigung der Aufkündigung entscheiden, in eventu den Rekurs zurückweisen bzw ihm nicht Folge geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht zulässig.
Aufgrund des Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist dessen Aufhebungsbeschluss grundsätzlich anfechtbar, allerdings bedarf es zu seiner Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof der Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO. Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist somit das Aufzeigen zumindest einer erheblichen Rechtsfrage entscheidend. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor:
Die Rekurswerberin folgt ausdrücklich dem Standpunkt des Berufungsgerichts, dass der zwischen den Streitteilen bestehende Bestandvertrag maßgeblich sei. Weder wird der Auftrag an das Erstgericht bekämpft, das Verfahren zu ergänzen (RS0007094), noch konkret die Anwendung des § 3 MRG und des § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB (RS0102181 [T17]), noch wird eine andere Rechtsfrage aufgezeigt, deren Lösung erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt. Im Wesentlichen wird nur (erstmals) vorgebracht, die Bauarbeiten zum Ausbau des Dachbodens seien durch die erste Mieterin (ein Bauunternehmen) durchgeführt worden, wobei als Bauwerberin die Klägerin aufgeschienen sei. Zum Zeitpunkt der Weitergabe an die Beklagte sei das Bauvorhaben bereits abgeschlossen gewesen. Sei eine bereits bestehende, fertig ausgebaute Wohnung übergeben worden, scheide eine Haftung der Beklagten als Mieterin für allfällige Schäden aufgrund falscher oder schadhafter Bauführung aus; die Beklagte hafte auch nicht gemäß § 1313a ABGB.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Macht der Rechtsmittelwerber nur Gründe geltend, die keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen, ist das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof unzulässig und zurückzuweisen (RS0048272 [T1]; RS0102059).
2. Im Übrigen ist zu den vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung aufgeworfenen Rechtsfrage festzuhalten, dass sich beide Fragen nur bei entsprechenden Feststellungen im fortgesetzten Verfahren stellen. So wird auch die Frage, ob sich das „Rechtsmissbrauchsargument“ der Entscheidung 4 Ob 199/13p auf Mietzinsminderungsansprüche erstrecken lasse, nur dann zu beurteilen sein, wenn im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen getroffen werden, aus denen sich das Verschulden der Beklagten an der die Erhaltungspflicht auslösenden Mängel der Bestandsache ableiten ließe. Insoweit liegen im derzeitigen Verfahrensstadium keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO vor. Die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271 [T2]).
3. Der von der Beklagten erhobene Rekurs ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Es ist ein Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfragen verneinte Zulässigkeit eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO gegeben, sodass die Kostenentscheidung nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten ist (RS0123222). Die Klägerin hat auf die fehlende Zulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Von den zwei (differierenden) Kostenverzeichnissen für die Rekursbeantwortung (Seite 2 und Seite 5 der Rekursbeantwortung) war jenes Kostenverzeichnis heranzuziehen, in dem die Tarifpost TP 3C geltend gemacht wurde.