JudikaturOGH

11Os21/19a – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. April 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario B***** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Dezember 2017, GZ 4 Hv 67/17p 124, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von gleichartigen Vorwürfen enthält, wurde Mario B***** der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (A/I und II), mehrerer – teils (zu A/III/4 und 5) als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB begangener – Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (A/III/3 bis 5), des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (IV) und der Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB (V) schuldig erkannt.

Danach hat er – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in G***** und an anderen Orten

(I) Mario Be***** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zur Unterlassung der Kontaktaufnahme zu Paulina Be***** zu nötigen versucht, und zwar

1) zu einem unbekannten Zeitpunkt im Februar 2015, indem er ihm eine Nachricht auf der Mobilbox hinterließ, wonach dies die allerletzte Warnung sei und ihm etwas Schlimmes passieren würde, wenn er den Kontakt zu Paulina nicht abbreche;

2) am 27. Februar 2015, indem er ihm in einem persönlichen Gespräch erklärte: „Du hast in letzter Zeit schon mehrere Nachrichten bekommen, nimm diese Nachrichten ernst! Diese Nachrichten sind von meinen Männern aus Skandinavien und ich werde veranlassen, dass dich ein paar Leute besuchen kommen werden um mit dir zu reden!“;

(III) teils als unmittelbarer Täter, teils als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Personen durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu Handlungen, welche die Genötigten am Vermögen schädigen sollten, zu nötigen versucht, und zwar

3) am 29. April 2015 Mario Be*****, indem er ihm per SMS mitteilte: „Freund du schuldest mir Geld. Hör auf, dich dumm zu stellen. Du solltest ab morgen das Geld bei dir haben. Freund, du hast jemandem viele Jahre genommen. Freund, das ist kein Spiel […] Wenn du deine Schulden nicht begleichst, dann ist Ende. Deine Eltern werden sehr viel weinen“, sohin durch Drohung mit dem Tod zur Übergabe von 9.000 Euro;

4) zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 13. September 2016, indem er Mersudin S***** dazu bestimmte, an Jozo St***** per SMS mehrere Nachrichten zu übermitteln, wonach dieser zusammengefasst am 1. Oktober 2016 in *****/Bosnien eine Summe von 50.000 Euro hinterlegen müsse, andernfalls würden sein Sohn und seine Tochter getötet und würde sich die zu zahlende Summe auf 200.000 Euro erhöhen, sohin durch Drohung mit dem Tod von Sympathiepersonen zur Übergabe von 50.000 Euro;

5) am 1. Oktober 2016, indem er Mersudin S***** dazu bestimmte, Jozo St***** per SMS mitzuteilen: „Du hast dich nicht an die Anweisungen gehalten. Bis 15. Jänner 2017 musst du 200.000 Euro bringen. Das, was deiner Familie passieren wird, hast du selbst zu verantworten. Wir arbeiten mit der Polizei zusammen, deswegen kann uns nichts passieren. Bald wirst du das beweinen und wirst sehen wie ernst wir sind“, sohin durch Drohung mit dem Tod von Sympathiepersonen zur Übergabe von 200.000 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 (lit a) und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Inwiefern es unter Beachtung des Gebots zu bestimmter, aber gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO – vgl RIS-Justiz RS0098377) bei der für die Feststellung des auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes des Angeklagten zu den Schuldspruchpunkten A/III/4 und 5 (US 18) angestellten Beweiswürdigung des Erstgerichts (US 24 f) zur Vermeidung von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall – vgl RIS Justiz RS0118316 [T1]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 421) einer Auseinandersetzung mit Verfahrensergebnissen bedurft hätte, wonach es in ***** „mehrere Autobushaltestellen“ gibt, vermag die Mängelrüge auf Basis der (von den Tatrichtern allerdings als Schutzbehauptung verworfenen – US 24; vgl RIS Justiz RS0106588) diesbezüglich leugnenden Verantwortung des Angeklagten nicht nachvollziehbar darzulegen.

In gleicher Weise bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bringt die Rüge (Z 5 vierter Fall) gegen den Schuldspruchpunkt A/III/5 vor, zufolge fehlender Feststellungen zu Ort und genauer Zeit der Geldübergabe lasse sich „weder die Vermögensverfügung, noch [...] ein Bereicherungsvorsatz […] tatsächlich plausibel begründen“. Einen Widerspruch der (den vom Angeklagten vorgegebenen, auf einen bestimmten Geldbetrag gerichteten Wortlaut der übermittelten Nachrichten, die Fixierung des Angeklagten auf Geld und seine Gewinnzusage an den unmittelbaren Täter sowie den Umstand, dass er diesen zum Übergabeort „schickte“, mit einbeziehenden – US 24 f) Erwägungen der Tatrichter gegen Gesetze folgerichtigen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze (RIS-Justiz RS0116732, RS0118317; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 444 ff) bringt sie solcherart nicht zur Darstellung, wobei das Lösegeld im Übrigen nach den Feststellungen am 1. Oktober 2016 von Jozo St***** an Mersudin S***** an einem zuvor ausgekundschafteten Versteck nahe der Fernbushaltestelle (US 25: Busbahnhof in *****) übergeben werden sollte (US 17).

Die zu A/I/2 behauptete Aktenwidrigkeit zur Herkunft der in Aussicht gestellten „Leute“ betrifft jedenfalls keine entscheidende Tatsache.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0118780).

Indem die Tatsachenrüge zu den Schuldsprüchen A/III/4 und 5 erneut bloß die tatrichterlichen Konstatierungen zum objektiven Tathergang teils missinterpretiert, teils ignoriert und unter anderem auf Basis der „Einlassung des Angeklagten“ die Möglichkeit releviert, es sei ihm keineswegs um eine Bereicherung gegangen, sondern habe er lediglich beabsichtigt, Jozo St***** in Furcht und Unruhe zu versetzen, erweckt sie keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.

Die Rechtsrüge (Z 9 [lit a]) bestreitet die Eignung der Drohungen laut Schuldspruchpunkte A/I/1 und 2, begründete Besorgnisse einzuflößen, indem sie den vom Schöffensenat (als Tatfrage – RIS Justiz RS0092588 [T26]) konstatierten Bedeutungsinhalt der Äußerungen (nämlich jeweils eine Androhung mit einer Verletzung am Körper [„zumindest verprügeln“] – US 11 f) eigenständig gegenteilig interpretiert, und verfehlt solcherart die gesetzmäßige Ausführung des herangezogenen materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099810).

Während die Frage der Eignung einer Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist, betrifft die – vom Erstgericht festgestellte (US 11 f) – Ernstlichkeit einer sich nach dem Wortlaut als Drohung manifestierenden Äußerung wie auch deren Sinn den Tatsachenbereich ( Jerabek/Reindl-Krauskopf/Ropper/Schroll in WK 2 StGB § 74 Rz 34; RIS Justiz RS0092448 [T5]), womit auch das die diesbezüglichen Urteilsfeststellungen (US 11 f) in Frage stellende Vorbringen eine Ausrichtung an der Verfahrensordnung verfehlt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) spricht mit dem Einwand, aus den Feststellungen zum Schuldspruchpunkt III/3 ergebe sich nicht die Forderung nach einem „bestimmten“ Betrag, schon mangels Wertqualifikation keine entscheidende Tatsache an (RIS Justiz RS0117264; Ratz , WK StPO § 281 Rz 399) und legt darüber hinaus nicht dar (vgl RIS-Justiz RS0116565, RS0116569), inwieweit es von Bedeutung sein sollte, dass der Angeklagte durch die vom Schuldspruchpunkt III/3 umfasste Tat einer früheren rechtsgrundlosen Forderung nach 9.000 Euro (nun) mittels gefährlicher Drohung Nachdruck verleihen wollte (US 13).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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