JudikaturOGH

11Os7/19t – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. April 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Elvir J***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13. September 2018, GZ 16 Hv 62/18t 38, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen einen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Elvir J***** zweier Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (2) und „der“ Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** seine Ehefrau M*****

(1) mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt und zwar

a) am 22. November 2017, indem er sie an den Haaren und am Genick zurück ins Zimmer zog, sie auf das Bett warf, ihre Hände über ihrem Kopf mit einer Hand fixierte, sich zwischen ihre Beine drängte und ihre Beine mit seinen Beinen auseinanderdrückte, ihren Slip und ihre Hose zur Seite schob und schließlich den vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog, und

b) am 5. April 2018, indem er sie an ihren Beinen auf das Bett zog, sie von der Bauch in die Rückenlage brachte, sich zwischen ihre Beine zwängte, ihre Hände über ihrem Kopf mit einer Hand fixierte, ihren Slip zur Seite schob und trotz anfänglicher Gegenwehr den vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog, wobei die Tat Hämatome im Bereich der Oberschenkel zur Folge hatte;

(2) am 9. April 2018 vorsätzlich am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt und an der Gesundheit geschädigt, indem er ihr drei Schläge mit der flachen Hand in das Gesicht versetzte und sie mit seinen Händen von sich wegschubste, wobei die Tat über die körperliche Einwirkung hinaus anhaltende Schmerzen sowie Hämatome im Bereich der Oberarme zur Folge hatte;

(3) am 9. April 2018 mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber äußerte: a) „das interessiert mich nicht, ich werde Dich schlagen so viel ich will und immer mehr, ich werde Dich schlagen und wenn es sein muss, jeden Tag psychisch fertig machen. Ich mache Dich fertig!“, b) „wo bist Du, dass ich Dich zusammenschlagen und treten kann, Du verdammter Misthaufen!“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) hat der Schöffensenat die den Schuldspruch (1) betreffenden Konstatierungen zur subjektiven Tatseite empirisch einwandfrei auf die objektive Vorgehensweise gestützt (RIS Justiz RS0116882, RS0098671) und sich darüber hinaus hinsichtlich der für den Angeklagten erkennbaren Weigerung seiner Ehefrau auf deren für glaubwürdig befundene Angaben bezogen (US 7), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatschen (das sind schuld oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0118780).

Indem die zu den Schuldsprüchen (1) und (2) ausgeführte Tatsachenrüge (Z 5a) aktenkundige Beweisergebnisse nicht gegen die Feststellung einer entscheidenden Tatsache, sondern ausschließlich gegen den persönlichen Eindruck der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der M***** (US 6 f) ins Treffen führt, verkennt sie die Reichweite des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (vgl RIS Justiz RS0106588 [T7], Ratz , WK StPO § 281 Rz 491). Ebensowenig wird mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz Nichtigkeit aus Z 5a aufgezeigt (RIS-Justiz RS0102162, RS0117445 [T2]).

Die gegen den Schuldspruch (2) gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) lässt mit der Behauptung, der Angeklagte erfülle die subjektiven Tatbestandsmerkmale nicht, nicht erkennen (RIS-Justiz RS0116565), weshalb die tatrichterlichen Konstatierungen, wonach der Angeklagte seiner Ehefrau mit Misshandlungsvorsatz „mindestens drei Mal mit der flachen Hand einen Schlag gegen das Gesicht versetzte und sie mit beiden Händen vor sich herschupfte, wobei diese vorsätzliche Misshandlung über die körperliche Einwirkung hinaus zu anhaltenden Schmerzen und blauen Flecken“ (US 5 – also einer nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der M***** – vgl Burgstaller/Fabrizy in WK 2 StGB § 83 Rz 24) führte, die für den Tatbestand des § 83 Abs 2 StGB erforderliche Wissens- und Willenskomponente (RIS-Justiz RS0092867; Burgstaller/Fabrizy in WK 2 StGB § 83 Rz 26; Reindl-Krauskopf in WK 2 StGB § 5 Rz 3; RIS-Justiz RS0088835, RS0089034) nicht zum Ausdruck bringen sollten.

Soweit der Rechtsmittelantrag „in eventu“ auf gänzliche Urteilsaufhebung abzielt, das Urteil jedoch inhaltlich im Schuldspruch (3) nicht angefochten wurde, blieb die Nichtigkeitsbeschwerde diesbezüglich mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt anzumerken, dass die Unterstellung der Äußerungen laut Schuldspruch (3) als zwei („die“) Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB bei – wie hier – engem zeitlichen Zusammenhang der Äußerungen und Vorgehen „mit dem selben Vorsatz unter den gleichen Umständen“ (US 6) verfehlt ist (RIS-Justiz RS0120233). Zu einer amtswegigen Korrektur der darin gelegenen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst: Die Strafe wurde nach § 201 Abs 1 StGB bemessen und das Berufungsgericht kann die zu Unrecht erfolgte, für den Angeklagten nachteilige erschwerende Wertung von drei Vergehen (US 8) gleichermaßen sanieren (RIS-Justiz RS0118870; Ratz , WK StPO § 290 Rz 29).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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