JudikaturOGH

7Ob163/18y – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. M***** Z***** G*****, und 2. Dr. P***** Z*****, beide vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C***** Limited, *****, vertreten durch Dr. Ralph Mitsche, Rechtsanwalt in Wien, wegen jeweils 72.500 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2018, GZ 2 R 75/18s 98, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat die von der Beklagten behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens geprüft; sie liegen nicht vor:

1.1. Das Berufungsgericht hat zu dem in der Berufung der Beklagten behaupteten Begründungsmangel (zusammengefasst) darauf hingewiesen, dass die nach einem Richterwechsel erkennende Erstrichterin zu bestimmten ergänzenden Beweisaufnahmen über die Beweiswürdigung des früheren Erstrichters hinausgehende Überlegungen angestellt und die Beklagte im Übrigen die vom angeblichen Verfahrensmangel betroffenen Feststellungen nicht konkret, sondern nur pauschal durch Angabe bestimmter Themenkreise bezeichnet habe (vgl dazu auch RIS Justiz RS0043027 [T10]; RS0043039). Es kann daher keine Rede davon sein, dass sich das Berufungsgericht mit der in der Berufung behaupteten Mangelhaftigkeit nicht befasst habe.

1.2. Welche Streitpunkte im Aufhebungsbeschluss als abschließend erledigt angesehen wurden, ist zwangsläufig einzelfallabhängig (RIS Justiz RS0042031 [T20]). Laut dem Aufhebungsbeschluss des erkennenden Senats sollte für die Beurteilung der Deckungspflicht der Beklagten nur noch geklärt werden, ob der Sohn der Kläger tatsächlich in ursächlichem Zusammenhang mit dem Betrieb des Luftfahrzeugs im Sinn eines Luftfahrzeugführers tätig, bloß Passagier oder allenfalls Operator gewesen sei. Dieser eingeschränkte restliche Prüfungsumfang nach der Funktion des Klägers beim Flug beruhte zwangsläufig auf der Überlegung, dass kein sonstiger Grund mehr für einen Ausschluss der Deckungspflicht der Beklagten vorlag. Die Beklagte hat aus einem behaupteten, vom Sohn der Kläger durchgeführten oder nicht verhinderten Kunstflugmanöver einen eigenständigen Deckungsausschluss abgeleitet, den die Vorinstanzen im ersten Rechtsgang verneinten und der auch nach dem Aufhebungsbeschluss keiner ergänzenden Klärung bedurfte. Wenn das Berufungsgericht daraus eine abschließende Erledigung dieses Streitpunkts ableitete, liegt darin keine Verkennung der Grenzen des Aufhebungsbeschlusses. Die diesem Streitpunkt zugrundeliegende Tatfrage nach der Durchführung eines Kunstflugmanövers musste daher im Rahmen der Erledigung der Beweisrüge nicht mehr neuerlich aufgegriffen werden.

2.1. Für die Rechtsrüge gilt zunächst, dass allgemeine Versicherungsbedingungen nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 ff ABGB) zu verstehen sind. Die Auslegung hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RIS Justiz RS0050063).

2.2. Das Erstgericht hat festgestellt, dass der Sohn der Kläger nicht berechtigt war, Flugzeuge mit einem Erprobungskennzeichen zu betreiben, weil dazu ein Eintrag in die Liste der Prüfpiloten notwendig gewesen wäre. Diese Feststellung steht im Zusammenhang einerseits mit der im Versicherungsvertrag formulierten Voraussetzung für den Versicherungsschutz, wonach „die versicherte Person im Besitz aller gesetzlich vorgeschriebenen Erlaubnisse und Berechtigungen für die von ihr ausgeübten Tätigkeit (sic!)“ sein muss und andererseits mit den von der Austro Control auf der Grundlage von § 42 Abs 1 ZLLV 2005 erlassenen „Regelungen für Erprobungsflüge und Prüfflüge in Österreich“ (LTH 42), nach denen bei Erprobungs- und Prüfflügen nur jene Personen an Bord sein dürfen, die für die Aufgabe notwendig sind und die bestimmte Qualifikationen erfüllen.

2.3. Der Unfallflug war allerdings kein Erprobungs- oder Prüfflug im Sinn von 3.1. bzw 3.3. LTH 42, sondern lediglich ein Überprüfungsflug nach 3.2. LTH, für den die Eintragung in die Liste der Prüfpiloten folglich keine Rolle spielte. Wie der Flug im Lichte der Verfahrensanweisung VA P 10-03 über Prüf- und Überstellungsflüge der Versicherungsnehmerin zu bewerten ist, ist bei verständiger Auslegung besagter Vertragsklausel unerheblich, weil diese Verfahrensanweisung keine „gesetzlich“ vorgeschriebene Erlaubnis oder Berechtigung im Sinn der Vertragsklausel darstellt.

2.4. Die Beklagte hat zwar vor dem Erstgericht vorgebracht, dass auch die Verordnung (EG) Nr 859/2008 der Kommission vom 20. August 2008 zur Änderung der Verordnung EWG Nr 3922/91 des Rates in Bezug auf gemeinsame technische Vorschriften und Verwaltungsverfahren für den gewerblichen Luftverkehr mit Flächenflugzeugen in rechtlicher Hinsicht heranzuziehen sei. Die Beklagte hat aber – wiewohl es sich bereits um den zweiten Rechtsgang handelt – nicht einmal ansatzweise behauptet, welche Anforderungen die Piloten nach dieser Verordnung für den hier fraglichen Flug vermeintlich hätten erfüllen müssen, tatsächlich aber nicht erfüllt haben sollen. Das Nachtragen dieser Tatsachenbehauptungen erst in der Revision ist eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung, weshalb dazu auch keine Feststellungen zu treffen waren.

3. Die Beklagte zeigt somit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Da bereits das Erstgericht den Anspruch der Kläger aufgrund der seinerzeitigen Funktion ihres Sohnes als Pilot zutreffend bejaht hat, kommt der vom Berufungsgericht erörterten Frage eines Versicherungsschutzes als Operator nicht die Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO zu. Die Revision ist nicht zulässig und daher zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weitergehenden Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

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