JudikaturOGH

3Ob189/18t – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Mag. Werner Purr, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei B*****GmbH, *****, vertreten durch Mag. Gerhard Moser, Rechtsanwalt in Murau, wegen 31.733,40 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. August 2018, GZ 2 R 60/18p 18, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Februar 2018, GZ 61 Cg 11/18f 14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 31.733,40 EUR sA zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.609,20 EUR (darin 768,20 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.866,52 EUR (darin 453,92 EUR USt und 1.143 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 3.392,82 EUR (darin 326,97 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Rechtsstreits ist ein auf Zahlung von Anschlussgebühren für zwölf Hauszuleitungen gerichtetes Begehren des klagenden Wasserverbands gegen die Eigentümerin einer Liegenschaft.

Auf dem Grundstück der Beklagten wurde im Jahr 2014 ein Neubauprojekt mit elf Wohnungen und zwei Geschäftseinheiten realisiert, für das der vorherige Eigentümer eine entsprechende Baubewilligung eingeholt hatte. Vor Erteilung der Baubewilligung befand sich auf der Liegenschaft ein großer Bauernhof mit einem Wohngebäude und mehreren Wirtschaftsgebäuden. Der damalige Eigentümer (und nunmehrige Geschäftsführer der Beklagten) erhielt im Baubewilligungsverfahren vom Kläger die folgende, als „Stellungnahme“ bezeichnete Mitteilung:

„Sollte es zu einer Umlegung der Wasserleitung kommen, ist rechtzeitig vor Baubeginn Rücksprache mit dem Wasserverband zu halten, um die Leitung zu umlegen. Die Materialkosten für die Verlegung der Wasserleitung sind vom Bauwerber zu tragen. Die Arbeiten werden vom Wasserverband kostenlos durchgeführt“.

Im Zuge der Bauarbeiten legte der Kläger die bereits bestehende Wasserleitung um; es fand jedoch keine Erweiterung statt. Über die Frage der Anschlussgebühren gab es zwischen den Parteien – abgesehen von der erwähnten „Stellungnahme“ des Klägers im Baubewilligungsverfahren – keinen Kontakt.

Mit Rechnung vom 24. Juni 2015 verrechnete der Kläger der Beklagten unter Hinweis auf seine Gebührenordnung Anschlussgebühren (zzgl 10 % MwSt) für zwölf (neue) Wohneinheiten. Die dem Kläger angehörenden Gemeinden lassen die „Wasseranschlussgebühren“ privatwirtschaftlich durch Entgeltvereinbarungen eines Wasserverbands mit den Wasserleitungsanschlusswerbern hereinbringen.

Der Kläger begehrte von der Beklagten 30.360 EUR an Wasseranschlussgebühr sowie 1.373,40 EUR an Mahn- und Interventionsspesen. Die Beklagte habe als Eigentümerin nach der Gebührenordnung des Klägers die Anschlussgebühren zu bezahlen. Durch den Bau habe die Beklagte den seit dem Erwerb der Liegenschaft bestehenden (einen) Wasseranschluss um zwölf Einheiten erweitert. Zwischen den Streitteilen bestehe ein Vertrag über die Wasseranschlüsse. Die Beklagte sei in die Vereinbarung zwischen ihrem Rechtsvorgänger und dem Kläger eingetreten und habe sämtliche Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung übernommen. Obwohl es keine Urkunde über die Herstellung der Wasseranschlüsse gebe, habe die Beklagte die Wasseranschlüsse „erhalten und angenommen“; sie leiste sämtliche Abgaben und Beiträge seit diesem Zeitpunkt an den Kläger und befinde sich mit den Wassergebühren in keinem Rückstand.

Die Beklagte erhob zunächst die Prozesseinrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, beantragte die Abweisung der Klage und wendete zusammengefasst ein: Bereits vor der Errichtung des Bauobjekts sei ein Wasseranschluss vorhanden gewesen, der lediglich verlegt worden sei. Selbst wenn die Gebührenordnung gelte, habe der Kläger keine Anschlüsse im Ausmaß der in Rechnung gestellten Beträge hergestellt. In dem in der Gebührenordnung festgesetzten Betrag sei die Herstellung einer Hauszuleitung und sämtlicher Armaturen inkludiert; der Kläger habe jedoch keine der verrechneten Leistungen erbracht. Aus der Gebührenordnung lasse sich die Forderung des Klägers nicht ableiten; die in Rechnung gestellten zwölf Hauszuleitungen und Armaturen seien niemals hergestellt worden. Nach der Gebührenordnung seien Anschlussgebühren aufgrund eines schriftlichen Ansuchens vor der Errichtung des Anschlusses zu bezahlen; die Beklagte habe dem Kläger einen solchen Antrag nie übermittelt und der Kläger habe vor Errichtung der Bauarbeiten auch keine Anschlussgebühren vorgeschrieben. Die Beklagte habe daher davon ausgehen können, keine Anschlussgebühren entrichten zu müssen. Mit der erwähnten Stellungnahme des Klägers im Baubewilligungsverfahren sei außerdem eine Vereinbarung über die Kostentragung zustande gekommen. Im Übrigen habe die Beklagte erst nach der Aufforderung zur Zahlung auf der Homepage des Klägers von der Gebührenordnung Kenntnis erlangt.

Das Erstgericht gab der Klage – nach Verwerfung der Prozesseinrede – zur Gänze statt.

Der Rechtsvorgänger der Beklagten habe für den Altbestand Wasseranschlussgebühren an den Kläger bezahlt; es habe ein Wasserbezugsvertrag zwischen diesem (Geschäftsführer der Beklagten) und dem Kläger bestanden. Die Beklagte habe als neue Grundstücks- und Gebäudeeigentümerin nach dem Eigentümerwechsel weiterhin unstrittig das Wasser vom Kläger bezogen und die laufend vorgeschriebenen Gebühren bezahlt, sodass zumindest konkludent ein Wasserbezugsvertrag zwischen den Streitteilen zustande gekommen und als Dauerschuldverhältnis noch immer aufrecht sei. Aufgrund des Wasserbezugsvertrags gelte für die Beklagte auch die Gebührenordnung des Klägers. Auf deren Basis sei die Beklagte auch zur Zahlung der ergänzenden Wasseranschlussgebühr verpflichtet. Der Kläger leite als Versorgungsunternehmen mit monopolartiger Stellung im Verfahren sein Recht, der Beklagten eine Wasseranschlussgebühr vorzuschreiben, aus einem Vertragsverhältnis und der heranzuziehenden privatrechtlichen Gebührenordnung ab. Eine allenfalls sittenwidrige Höhe der Wasseranschlussgebühr durch einen Monopolisten sei mangels entsprechenden Einwands der Beklagten nicht zu prüfen gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Die Beklagte gehe selbst von einem gültigen Wasserbezugsvertrag aus, der zwischen den Streitteilen konkludent zustande gekommen sei, weil die Beklagte die jeweiligen Rechnungen – mit Ausnahme der Wasseranschlussgebühr – bezahlt und allein vom Kläger Wasser bezogen habe. Damit sei auch die Gebührenordnung des Klägers, dessen Monopolstellung nicht in Zweifel gezogen werde, Vertragsinhalt. Einen vom Wortlaut der Stellungnahme des Klägers im Bauvorhaben abweichenden Parteiwillen (zu den Anschlussgebühren) habe die Beklagte nicht dargelegt; die darin genannte „Umlegung der Wasserleitung“ könne nur so verstanden werden, dass die Verlegung der bestehenden Wasserleitung aufgrund der Errichtung des Neubaus gemeint sei. Unabhängig davon knüpfe die Gebührenordnung bei der Anschlussgebühr jedoch an Wohneinheiten, also an Wohnungen an, die über eine Küche verfügten.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt , weil die Vorinstanzen bei der Auslegung der Gebührenordnung des Klägers zu einem unvertretbaren Ergebnis gelangt sind.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist durch die Vorinstanzen – für den Obersten Gerichtshof bindend – geklärt (RIS-Justiz RS0040191 [T3]).

2.1 Der Kläger stützt seine Forderung auf eine – von der Beklagten bestrittene – Vereinbarung seiner Gebührenordnung. Unabhängig von der Frage, ob die Parteien deren Geltung wirksam (stillschweigend) vereinbarten, ist aus deren Regelungen die behauptete Zahlungspflicht der Beklagten für Anschlussgebühren im konkreten Fall aber gar nicht abzuleiten.

2.2 Die Gebührenordnung des Klägers lautet auszugsweise (Urteil des Erstgerichts, Seiten 6 und 7):

„[...]

Der Wasserverband wird von den Gemeinden ermächtigt, zur Deckung sämtlicher Kosten folgende Gebühren von den Wasserabnehmern einzuheben:

a) Anschlussgebühr: Diese ist von den Anschlusswerbern aufgrund eines schriftlichen Ansuchens, vor der Errichtung des Anschlusses in der vollen Höhe dem WV [Wasserverband] einzuzahlen. Die Anschlussgebühr ist bei Wohnhäusern bis zu 15 Personen pro Wohneinheit einfach zu bezahlen, wobei für jede weitere Einheit eine zusätzliche Anschlussgebühr zu entrichten ist.

1. Betriebe je 15 Beschäftigte 1 Einheit.

Für die zweite und folgende Einheit erfolgt die Berechnung nach dem Durchschnitt der Personenanzahl der letzten zwei Jahre.

[...]

5. Als Wohneinheit, für welche eine Anschlussgebühr zu bezahlen ist, sind Wohnungen zu verstehen, welche über eine Küche verfügen.

Im Allgemeinen erfolgt die Errichtung der Anschlüsse in der Reihenfolge des Einlaufens der Anschlussgebühr, jedoch steht es dem Geschäftsführer frei, Ausnahmen zu bewilligen, wenn dadurch eine rationellere Arbeit möglich ist. Die Anschlussgebühr ist so festzusetzen, dass neben den Kosten des Direktanschlusses ein genügender Anteil zur Erschließung von Wasser erübrigt wird.

b) Grund-/Bereitstellungsgebühr: Diese ist von jedem Wasserabnehmer zu entrichten und wird zur Erhaltung der Anlage und zur Bereitstellung einer genügenden Menge von Trink- und Nutzwasser verwendet. Ebenso ist aus diesem Betrag die gesetzlich vorgeschriebene Wartung und Auswechslung der Wasserzähler zu begleichen. […]

Sollte aufgrund dieser Regelung ein derzeitiger Anschlussnehmer einen zweiten oder mehrere Wasserzähler fordern , so hat er je Wasserzähler eine Anschlussgebühr nachzuzahlen .

[…]

Bei der Mitgliederversammlung am 12. Dezember 2013 wurden bis auf weiteres folgende Gebühren beschlossen:

a) Die Anschlussgebühr beträgt 2.300,00 € exkl. 10 % MwSt. Damit sind der Anschluss von der Versorgungsleitung und 40 m Hauszuleitung sowie die notwendigen Armaturen beglichen. Eine weitere Entfernung muss jeder Anschlusswerber aufgrund der Mehrleistungen des WV [Wasserverbandes] zusätzlich begleichen.“

2.3 Nach den – insoweit klaren – Regelungen der Gebührenordnung des Klägers wird die Anschlussgebühr vom Wasserverband zur Deckung der Kosten des Anschlusses an die Versorgungsleitung, der Hauszuleitung (soweit sie 40 m nicht überschreitet) sowie der notwendigen Armaturen vorgeschrieben. Außerdem kann eine Anschlussgebühr auch dafür verrechnet werden, dass ein „derzeitiger Anschlussnehmer“ (also jemand, der bereits Wasser vom Kläger bezieht und schon über einen Anschluss verfügt) einen zweiten oder mehrere weitere Wasserzähler fordert; dann wäre für jeden zusätzlichen Wasserzähler eine Anschlussgebühr nachzuzahlen.

Der Kläger hat den Einwand, die Anschlussgebühr für die schon bestehende Hauszuleitung habe bereits der Rechtsvorgänger der Beklagten bezahlt, und für die zwölf zusätzlich verrechneten Anschlussgebühren seien keine entsprechenden Leistungen erbracht worden, nicht konkret bestritten. Er hat sich insoweit nur darauf berufen, dass die Beklagte stets sämtliche Abgaben und Beiträge gezahlt und daher auch „die Wasseranschlüsse konkludent hergestellt erhalten“ habe (Seite 3 in ON 13). Dass die Beklagte etwa zusätzliche Wasserzähler gefordert hätte oder solche vom Kläger installiert worden wären, wurde nie behauptet. Fest steht außerdem, dass die bereits vorhandene Wasserleitung zwar vom Kläger umgelegt wurde, jedoch keine Erweiterung stattfand. Die Herstellung einer (neuen) Hauszuleitung hat der Kläger ebenfalls nicht behauptet.

Damit fehlt es aber – wie die Beklagte bereits zu Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens aufzeigte (RIS Justiz RS0122365 [T4]) – schon deshalb an einer Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Forderung, weil der Kläger Leistungen, die eine Anschlussgebühr im Sinn seiner Gebührenordnung rechtfertigen könnten, weder behauptet noch erbracht hat.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Rückverweise