JudikaturOGH

12Os141/18d – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. März 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2019 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nue O***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten David Z***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 31. August 2018, GZ 144 Hv 77/18a 36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten Nue O***** sowie seines Verteidigers Dr. Kral, zu Recht erkannt:

Spruch

Es werden

1./ das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem den Angeklagten Nue O***** betreffenden Strafausspruch (sowie in der Vorhaftanrechnung zum Genannten) und

2./ der unter einem gefasste Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe, GZ 144 Hv 77/18a 37,

aufgehoben und im Umfang der Aufhebung zu 1./ in der Sache selbst erkannt:

Nue O***** wird für die ihm zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich das Vergehen der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB (I./A./) sowie das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (I./B./) unter Anwendung der §§ 19 Abs 1 zweiter Satz iVm 5 Z 4 JGG sowie § 28 Abs 1 StGB nach § 142 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 11 Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird diese Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.

Text

Gründe:

Soweit hier von Bedeutung wurde Nue O***** mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 31. August 2018, GZ 144 Hv 77/18a 36, des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB (I./A./) sowie „des Verbrechens“ (vgl aber RIS Justiz RS0130302) des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (I./B./) schuldig erkannt.

Danach haben in W*****

I./ Nue O*****

A./ am 25. November 2017 dadurch, dass er bei der unter II./ beschriebenen Handlung des David Z***** daneben stand und nicht einschritt, es mit dem Vorsatz, dass vorsätzlich eine mit Strafe bedrohte Handlung, nämlich das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB begangen wird, unterlassen, ihre schon begonnene Ausführung zu verhindern, wobei die strafbare Handlung zumindest versucht worden und mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist;

B./ am 17. Februar 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannten Täter als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Felix F*****, Sebastian G***** und (richtig) Tobias M***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen oder wegzunehmen versucht, indem Nue O***** die Opfer aufforderte, ihm Geld zu geben, während der unbekannte Täter zu ihnen sagte, sie würden alle ins Wasser [hier: in den Donaukanal; US 6] werfen, sollten sie ihnen kein Geld geben, woraufhin Felix F***** 25 Euro und Sebastian G***** 5 Euro an den unbekannten Täter übergaben, Tobias M***** sich jedoch weigerte, Geld herauszugeben, wobei sie die Tat ohne Anwendung von Gewalt an einer Sache geringen Werts begingen und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich zog;

II./ David Z*****  am 25. November 2017 Jürgen W***** mit Gewalt fremde beweglich Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht, indem er den Genannten an der Kleidung packte, ihm einen kräftigen Stoß versetzte und Geld forderte, ihm anschließend mehrere „Watschen“ ins Gesicht versetzte und ihn durchsuchte, wobei es beim Versuch blieb, weil er kein Bargeld fand.

Die gegen den Schuldspruch II./ gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten David Z***** wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 4. März 2019 zu GZ 12 Hv 141/18d 5, zurückgewiesen. Dabei hat der Oberste Gerichtshof die Ausübung der ihm nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO zukommenden Befugnis in Ansehung des den Angeklagten Nue O***** betreffenden Strafausspruchs einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vorbehalten.

Rechtliche Beurteilung

Das Schöffengericht hat – wie auch die Generalprokuratur aufzeigt – bei der Strafbemessung hinsichtlich Nue O***** (US 17) dessen „bisherige gerichtliche Unbescholtenheit“ zwar als Milderungsgrund angeführt, jedoch – mit Blick auf eine in der Vergangenheit erfolgte diversionelle Erledigung (zu AZ 143 Hv 33/15v des Landesgerichts für Strafsachen Wien) und „dem dortigen Geständnis“ – das Vorliegen eines ordentlichen Lebenswandels verneint (US 4, 17). Damit wurde ohne gesetzlichen Schuldnachweis (Art 6 Abs 2 EMRK) nichts anderes zum Ausdruck gebracht, als dass der Angeklagte schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei, was Nichtigkeit (Z 11 zweiter Fall StPO) des unbekämpft gebliebenen Strafausspruchs begründet (RIS Justiz RS0130150).

Der Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und der Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe waren daher aufzuheben.

Bei der Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Mehrzahl der Opfer, als mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, die Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres sowie die in der Hauptverhandlung am 31. August 2018 erfolgte Schadensgutmachung in Ansehung des Schuldspruchs I./B./ (an das Opfer F***** ON 35 S 40).

Bei einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von 11 Monaten als dem Unrecht der Taten und der Schuld des Nue O***** angemessen.

Die Anrechnung der Vorhaft war dem Erstgericht zu überlassen.

Schon aufgrund des Verschlechterungsverbots (§ 290 Abs 2 StPO; vgl Ratz , WK StPO § 290 Rz 47) war die über Nue O***** verhängte Strafe – wie im Ersturteil – gemäß § 43 Abs 1 StGB (zur Gänze) bedingt nachzusehen.

Über die allfällige Anordnung von Bewährungshilfe wird das Erstgericht zu entscheiden haben.

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