10Ob83/18f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Dr. Günter Folk, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 20. August 2018, GZ 2 R 168/18g 42, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Verschuldenszumessung bei der Scheidung erfolgt nach den Umständen des Einzelfalls und kann in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung begründen (RIS Justiz RS0119414). Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen, wann die unheilbare Zerrüttung der Ehe eintrat und welchen Teil das überwiegende Verschulden trifft, sind regelmäßig irreversible Fragen des Einzelfalls (RIS Justiz RS0119414 [T2]; RS0118125). Das gilt auch für die Frage, ob ein Ehepartner dem anderen die angelasteten Eheverfehlungen verziehen hat (RIS Justiz RS0118125 [T1]).
Für die Beurteilung des beiderseitigen Verschuldens können auch bereits verziehene und verfristete Eheverfehlungen berücksichtigt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht (RIS Justiz RS0043434 [T2, T8]; RS0056171 [T9]). Auch für deren Gewichtung sind die Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend (vgl RIS Justiz RS0056171 [T11]).
Im vorliegenden Fall ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Beklagte der Klägerin zwei ehewidrige Beziehungen verziehen habe, nachdem die Beklagte seine Bedingungen für einen „Neustart“ der Ehe akzeptiert hatte, ihm ihren Hälfteanteil an einer Almliegenschaft (Eigenjagd) schenkte, zur Gänze in seine Wohnung übersiedelte und sich auch das Sexualleben der Streitteile verbesserte. Das Berufungsgericht sah ein überwiegendes Verschulden des Beklagten darin, dass dieser in der Folge seine finanziellen Belange wichtiger nahm als die Familie, durch das Verschweigen seiner wirtschaftlichen Probleme das Auseinanderleben der Ehegatten einleitete, eine Beziehung zu einer anderen Frau aufnahm und schließlich die Klägerin aufforderte, den gemeinsamen Haushalt zu verlassen. Diese Gesamtabwägung, in die das Berufungsgericht auch die ehewidrigen Beziehungen der Klägerin einbezog, bewegt sich innerhalb des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums.
Der Beklagte zeigt in seiner außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
Soweit das Rechtsmittel davon ausgeht, die Klägerin habe sich nach Beendigung ihrer ehewidrigen Beziehungen mehrfach mit den betroffenen Männern getroffen, entspricht dies nicht dem festgestellten Sachverhalt. Demnach kam es nur zu einigen zufälligen Treffen mit einem der Männer bei Sportturnieren.
Der Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass verfristete Eheverfehlungen gegenüber nicht verfristeten nicht unter allen Umständen geringer wiegen, sondern dies lediglich einer Erfahrungstatsache in einer Vielzahl von Fällen entspricht (vgl 9 Ob 24/05b). So ist bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens unter anderem auch zu berücksichtigen, wer mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe den Anfang gemacht hat (RIS Justiz RS0056597). Maßgebend ist aber stets das gesamte Verhalten beider Ehegatten (RIS Justiz RS0056597 [T4]).
Indem das Rechtsmittel rein auf den zeitlichen Ablauf abstellt, ohne auf die vom Berufungsgericht angenommene Verzeihung der Verfehlungen der Klägerin und das danach gesetzte ehewidrige Verhalten des Klägers einzugehen, wird nicht aufgezeigt, dass dem Berufungsgericht bei der Gewichtung des den Parteien jeweils anzulastenden Verschuldens eine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.
Die außerordentliche Revision des Beklagten ist daher zurückzuweisen.