11Os152/18i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Naim S***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Naim S***** und Sardar K***** und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. September 2018, GZ 71 Hv 76/18t 105, sowie die Beschwerde des Ersteren gegen den zugleich ergangenen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten Naim S***** und Sardar K***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – Naim S***** eines Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (III) sowie Sardar K***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (I A) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (II) schuldig erkannt.
Danach haben vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
(I A) K***** im einverständlichen Zusammenwirken mit Mominkhan A***** als Mittäter (§ 12 erster Fall) vom 11. bis zum 13. April 2018 ein- und ausgeführt, indem sie 4.026 Stück Ecstasy-Tabletten (enthaltend 747 Gramm MDMA) im Pkw des A***** von Belgien über Deutschland nach Österreich beförderten, weiters
(II) K***** am 13. oder 14. April 2018 einem anderen überlassen, indem er das zu I A bezeichnete Suchtgift S***** übergab und
(III) S***** bis zum 14. April 2018 mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er es (US 11: übernahm und) in seinem Pkw verwahrte, und zwar
(A) 987,2 Gramm Marihuana (enthaltend 0,86 % Delta-9-THC und 11,3 % THCA) sowie
(B) das zu I A bezeichnete Suchtgift.
Dagegen richten sich die jeweils auf Z 5, von S***** darüber hinaus auf Z 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden dieser beiden Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge (Z 5) des S***** bekämpft die (den Schuldspruch III tragenden) Feststellungen zur Übernahme der Ecstasy-Tabletten (III B) durch den Beschwerdeführer und zu dessen Kenntnis von der Verwahrung dieses Suchtgifts in seinem Pkw (US 11).
Aktenwidrigkeit in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 letzter Fall StPO wird durch den Vergleich von Beweisergebnissen mit – solche gar nicht referierenden – Teilen der Urteilsbegründung allerdings nicht geltend gemacht ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 468). Indem sie aus (vom Erstgericht übrigens ohnehin erwogenen – insbesondere US 17 f) Einlassungen der Mitangeklagten davon abweichende Schlüsse gezogen wissen will, bezweifelt die Beschwerde vielmehr bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS Justiz RS0124801, RS0116823).
Mit der Behauptung nicht schwerer Schuld (§ 198 Abs 2 Z 2 StPO, § 35 Abs 2 Z 2 SMG) versäumt es die Rüge, sich – auch mit Blick auf general und spezialpräventive Diversionshindernisse – nicht nur mit dem vom Erstgericht angenommenen besonderen Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB (US 7, 22), sondern auch mit dem (zu Recht darüber hinaus – RIS Justiz RS0091749, RS0091041) aggravierend gewerteten raschen Rückfall trotz bereits verspürten Haftübels (US 22, 23) auseinanderzusetzen. Soweit sie diversionelles Vorgehen nach § 37 iVm § 35 Abs 2 SMG anstrebt, ignoriert sie (schon) die zum Fehlen einer (in § 35 Abs 2 SMG jedoch vorausgesetzten) Gewöhnung des Angeklagten an Suchtmittel getroffenen Konstatierungen (US 11). Desgleichen lässt sie jene Urteilsannahmen (US 17: leugnende Einlassung) außer Acht, die Verantwortungsübernahme des Beschwerdeführers für das ihm zur Last gelegte Tatgeschehen ausschließen (zu diesem Kriterium diversionellen Vorgehens RIS Justiz RS0116299, RS0126734; Schroll , WK StPO § 198 Rz 36 f). Damit gelangt der geltend gemachte (materiell rechtliche) Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung.
Die Beschwerde des K***** wendet sich (ausdrücklich nur) gegen den Schuldspruch II.
Entgegen dem Vorwurf „reiner Spekulation“ (Z 5 vierter Fall) stützte das Schöffengericht die Feststellung, K***** habe S***** die Ecstasy-Tabletten übergeben (US 11), keineswegs allein auf die Verantwortung des Mitangeklagten A***** (der, ohne insoweit K***** explizit zu belasten, nur seine eigene Beteiligung an der Suchtgiftübergabe leugnete), sondern auch – im Übrigen willkürfrei (vgl RIS Justiz RS0098362) – auf daraus abgeleitete Wahrscheinlichkeitsschlüsse (US 17). Indem es die Rüge verabsäumt, die Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen, verfehlt auch sie (schon) die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0119370).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO).