JudikaturOGH

11Os149/18y – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ali G***** wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 18. September 2018, GZ 37 Hv 86/18f 11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ali G***** zweier Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zu nicht näher feststellbarer Tatzeit zwischen Ende Juni und Ende August 2016 in K***** außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an der am ***** 2003 geborenen A*****, sohin einer unmündigen Person vorgenommen und an sich vornehmen lassen,

(I) indem er sie an ihrer Vagina leckte,

(II) indem er sie nach der zu (I) angeführten Tat ins Wohnzimmer rief, sie aufforderte, sich zu ihm zu setzen, ihre Hand auf sein entblößtes Glied legte und von ihr den Handverkehr bis zum Samenerguss durchführen ließ.

Dagegen richtet sich die auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der kritisch psychologische Vorgang, der aufgrund des gewonnenen Eindrucks zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Person führt, ist einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen (RIS Justiz RS0106588 [T9]).

Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann zwar unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS Justiz RS0119422 [T4]; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 431 f).

Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) die Erwägungen der Tatrichter zu ihrem Eindruck von A***** und dazu, dass deren kontradiktorische detaillierter als die kriminalpolizeiliche Vernehmung sei (US 4 f), als Scheinbegründung kritisiert, nimmt sie überdies nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß und verfehlt solcherart die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0119370; vgl auch RS0099413).

Die Aussage des zum Zeitpunkt der Tat laut Schuldspruch (I) im selben Zimmer schlafenden Bruders des Opfers, beim Erwachen den (leugnenden) Angeklagten nicht wahrgenommen zu haben, hat der Schöffensenat der weiteren Kritik zuwider unter Berücksichtigung der belastenden Angaben der A***** erörtert (US 5 f). Die von den Tatrichtern daraus gezogenen Schlüsse sind unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116732).

Soweit die Rüge daraus andere Schlüsse zieht und den Urteilsannahmen auch im Zusammenhang mit der (nicht entscheidungswesentlichen) Feststellung, wonach der Angeklagte „zunächst in das Kinderzimmer“ ging „und die von den Kindern benützten Gläser heraus“ holte (US 3), eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüberstellt, bekämpft sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer Schuldberufung (RIS Justiz RS0099455; Ratz , WK StPO § 281 Rz 451).

Indem die Rüge (Z 5 zweiter Fall) die vom Schöffensenat mit eingehender Begründung bejahte (US 4) Glaubwürdigkeit des Opfers zu erschüttern versucht, orientiert sie sich nicht am eingangs dargestellten Anfechtungsrahmen, weil weder die zum Schuldspruch (I) erhobene Kritik unterbliebener Erörterung der Aussage der A***** zu ihrer fehlenden Erinnerung an die Bekleidung des Angeklagten noch ihr persönliches Empfinden anlässlich der vom Schuldspruch (II) umfassten Tathandlung noch der Umstand, wann sie wem von den Vorfällen erzählte, für die Schuld oder die Subsumtionsfrage entscheidend ist.

Gleiches gilt für den Vorwurf fehlender Auseinandersetzung mit den Angaben der A*****, wonach sie und ihr Bruder in zeitlicher Nähe zur Tat laut Schuldspruch (I) einander angesehen haben, und in welcher Verfassung sie am Morgen des relevanten Tages war, wobei das Schöffengericht im Übrigen dem Gebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO folgend nicht verhalten ist, den vollständigen Inhalt sämtlicher Zeugenaussagen zu erörtern (vgl RIS Justiz RS0106642; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 428).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Überstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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