JudikaturOGH

11Os3/19d – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erwin F***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom 25. September 2018, GZ 49 Hv 23/18d 139, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Erwin F***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 8. Oktober 2017 in N***** Frieda L***** getötet, indem er ihr insgesamt 35 Stiche gegen Kopf, Hals, Nacken und Oberkörper versetzte, von denen sieben die Lunge und davon zwei auch das Herz durchdrangen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6, 8, 9 und 11 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus Z 6 und – nominell verfehlt – aus Z 11 lit a (zur Geltendmachung von Feststellungsmängeln im geschworenengerichtlichen Verfahren Ratz , WK-StPO § 281 Rz 614) reklamiert die Beschwerde, zur nach dem Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gestellten Hauptfrage I sei die Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB zu Unrecht unterblieben. Eine derartige Fragestellung wäre (aus Beschwerdesicht) aufgrund folgender, in der Hauptverhandlung vorgekommener Beweisergebnisse geboten gewesen:

- Aussagen der Zeuginnen B***** und H***** sowie des Angeklagten zu einer „Vorgeschichte von jahrelangen Kränkungen“, die „vom Opfer ausgingen“ und „an die Zeugin B*****“ – seine frühere Lebensgefährtin – „gerichtet waren“, die „der Angeklagte nach wie vor abgöttisch liebte“,

- das Kalkül des beigezogenen Sachverständigen aus dem Fach der Neurologie und der Psychiatrie, der dem Angeklagten „volle Zurechnungsfähigkeit attestiert“ habe und wonach dieser an einer „psychischen Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch/Abhängigkeitssyndrom“ leide, jedoch „keine tatbestimmende Erkrankung“ und „keine seelische/geistige Abartigkeit höheren Grades“ vorliege,

- die „zum Tathergang nicht geständig[e]“ Verantwortung des Angeklagten,

- das von der beigezogenen Sachverständigen aus dem Fach der Gerichtsmedizin befundete „Verletzungsmuster“, ihre Einschätzung, die „am Opfer gesetzten Stiche“ würden „keine wahnsinnig große körperliche Fähigkeit, jedoch ein scharfes Messer und eine gewisse Wucht“ erfordern, sowie das Kalkül dieser Sachverständigen zur (Mit-)Ursächlichkeit einzelner Stichwunden für den Todeseintritt, ferner

- Aussagen beider Sachverständigen und des Angeklagten, wonach dieser an „COPD (chronische obstruktive Lungenerkrankung“ „im Stadium 2,5 bis 3“ leide, sodass er „bei größeren Belastungen Atemnot bekommen“ könne.

Ein in die Richtung eines allgemein begreiflichen, tiefgreifenden Affekts zur Tatzeit (RIS-Justiz RS0092271, RS0092087, RS0092259) weisendes Tatsachenvorbringen (§ 314 Abs 1 StPO) wird damit (schon) nicht deutlich und bestimmt angesprochen. Solcherart verfehlt der Beschwerdeführer die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0119418; Ratz , WK-StPO § 345 Rz 23, 42 und 43).

Im Übrigen muss die Ursache der Gemütsbewegung nicht in einem psychisch abnormen Persönlichkeitsbild („Verhaltensstörung“), sondern lediglich in äußeren Umständen zu suchen sein (RIS-Justiz RS0092353 [T2, T5]). Zurückliegend „unleidliches Verhalten“ des späteren Opfers, das „ständig alles beobachtet“, sich „überall ein[ge]mischt“ und „[ge]keppelt“ habe, gegenüber der ehemaligen Lebensgefährtin des Angeklagten wiederum würde eine (allenfalls) dadurch ausgelöste heftige Gemütsbewegung desselben zur Tatzeit – für sich genommen – keineswegs allgemein begreiflich machen (vgl RIS-Justiz RS0099233 [insbesondere T1]; Moos in WK 2 StGB § 76 Rz 44 und 47).

Da nach dem Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB gar nicht gefragt wurde, verfehlt die aus Z 8 erhobene Kritik, der „Begriff des Totschlags“ sei in der Rechtsbelehrung (§ 321 StPO) „weder angeführt noch erläutert“ worden, (von vornherein) die Anfechtungskriterien ( Ratz , WK-StPO § 345 Rz 63; RIS-Justiz RS0101085 [insbesondere T3], RS0101091).

Mit dem Einwand, die Geschworenen hätten eine gar nicht gestellte Frage (nach dem Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB) unbeantwortet gelassen, wird Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder Widersprüchlichkeit ihrer Antwort auf die gestellten Fragen (§ 345 Abs 1 Z 9 StPO) nicht einmal behauptet.

Es war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung (§§ 344, 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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