JudikaturOGH

14Os108/18s – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. November 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Kontrollorin Gsellmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Misha R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 2, Abs 2 Z 1, 130 Abs 2 und 3, jeweils iVm Abs 1 zweiter Fall, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Valeri K***** gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 28. Juni 2018, GZ 39 Hv 37/18x 157, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Valeri K***** des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 2, Abs 2 Z 1, 130 „Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 und 3“ (gemeint: Abs 2 und 3, jeweils iVm Abs 1 zweiter Fall; vgl dazu 14 Os 50/18m), § 15 StGB (I/D und E) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) anderer im Urteil bezeichneter Mitglieder dieser Vereinigung mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz anderen fremde bewegliche Sachen durch Einbruch in Wohnstätten und Aufbrechen eines Behältnisses, weggenommen und wegzunehmen versucht, und zwar:

D) am 30. Jänner 2018 in U***** im einverständlichen Zusammenwirken mit den unter einem rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten Giorgi T***** und Paata P***** sowie unbekannt gebliebenen weiteren Mittätern Herbert und Silvia G***** Bargeld und Schmuck im Gesamtwert von etwa 4.000 Euro, indem sie die Terrassentür deren Einfamilienhauses aufbrachen, in das Haus eindrangen und dort einen Möbeltresor aufbrachen;

E) am 2. Februar 2018 in P***** im einverständlichen Zusammenwirken mit P***** und dem Mitangeklagten Misha R***** sowie unbekannt gebliebenen weiteren Mittätern Alfred und Adelheid S***** Wertgegenstände, indem sie ein Fenster deren Einfamilienhauses aufbrachen und in das Wohnhaus eindrangen, wobei sie auf frischer Tat betreten wurden und flüchteten.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K***** kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen dem zu beiden Schuldspruchpunkten erhobenen Einwand der Mängelrüge liegt Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zufolge Unterbleibens einer Erörterung der Verantwortungen der jeweils beteiligten Angeklagten nicht vor.

Zu I/D hat das Erstgericht die relevierte Behauptung des Beschwerdeführers, er habe zum Tatzeitpunkt kein Mobiltelefon (und damit auch „keine Telefonnummer“) besessen, erörtert (US 14). Die Gründe für ihre Überzeugung von seiner Täterschaft sowie einem einverständlichen Zusammenwirken von ihm und den Angeklagten T***** und P***** beim Einbruchsdiebstahl vom 30. Jänner 2018 wurden im Urteil dargelegt, womit die Tatrichter – wie die Beschwerde ohnehin einräumt – inhaltlich auch zum Ausdruck brachten, die leugnende Einlassung der beiden Letztgenannten durch die angeführten Beweisergebnisse für widerlegt erachtet zu haben. Dass sie die Aussagen dieser Mitangeklagten, die sich in einer pauschalen Bestreitung der Tathandlung erschöpften (ON 156 S 31, 39), dabei nicht explizit anführten, stellt den in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund nicht her.

Zu I/E wurden die Depositionen der Angeklagten R***** und P***** ausdrücklich berücksichtigt und (unter vorangegangener Bezugnahme auf eine Reihe von Verfahrensergebnissen) ebenso als unglaubwürdig beurteilt wie die Behauptung des Beschwerdeführers und des Angeklagten R*****, einander nicht zu kennen (US 15 f). Zu einer weitergehenden Auseinandersetzung mit Details der Angaben der Mitangeklagten bestand unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall keine Verpflichtung (RIS Justiz RS0098778 [va T4]). Dies gilt umso mehr für die Einlassung des Angeklagten K***** selbst, weil dieser von seinem Recht zu schweigen Gebrauch machte und sich zum eigentlichen Anklagevorwurf auf die Aussage beschränkte, nicht geständig zu sein (ON 156 S 42 f).

Inwiefern die zu I/D angestellten beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter den Kriterien logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen sollten (vgl RIS Justiz RS0118317), insbesonders der aus der Sicherstellung einer SIM Trägerkarte beim Beschwerdeführer gezogene Schluss auf die Verwendung der daraus entnommenen SIM Karte in einem – sowohl beim Einbruchsdiebstahl vom 30. Jänner (I/D) als auch jenem vom 2. Februar 2018 (I/E) in Tatortnähe eingeloggten – Mobiltelefon (US 14), „unzulässig“ sein sollte, erklärt die Beschwerde (Z 5 vierter Fall) nicht.

Soweit sie in diesem Zusammenhang (nach Art einer Aufklärungsrüge im Sinn der Z 5a) den Vorwurf erhebt, es sei mit dem Beschwerdeführer nicht erörtert worden, wie er in den Besitz der Trägerkarte kam und warum er diese aufbewahrte, legt sie nicht dar, wodurch der Genannte an entsprechender Antrags- oder Fragestellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre (RIS Justiz RS0115823).

Zum Schuldspruch I/E haben die Tatrichter – wie die Rüge selbst anführt – Unsicherheiten der Zeugin Adelheid S***** bei der Identifizierung des Beschwerdeführers berücksichtigt und (gestützt auf eine Reihe weiterer Verfahrensergebnisse) ausgeführt, aus welchen Gründen sie dennoch von der Glaubwürdigkeit ihrer letzten Aussage in der Hauptverhandlung (wonach sie sicher sei, die Angeklagten R***** und K***** bei der Flucht aus ihrem Haus beobachtet zu haben [ON 156 S 53 f]) ausgingen (US 14 f). Mit der Forderung nach einer „eingehenderen Begründung“ dieser Auffassung und dem Hinweis auf die „höchst unterschiedlichen Angaben der Zeugin vor der Polizei und dann sogar in der Hauptverhandlung“, macht die Beschwerde keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 geltend, sondern bekämpft bloß unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer im Schöffenverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (vgl dazu RIS Justiz RS0106588 [va T1, T13]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 431).

Die Feststellungen, nach denen sich die vier Angeklagten mit weiteren unbekannten Tätern bewusst und gewollt zumindest für einige Wochen zusammenschlossen, um in Österreich – in wechselnder Besetzung – gemeinsam Einbruchsdiebstähle in Wohnstätten zu begehen, und auch der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten beiden Taten mit darauf gerichtetem Vorsatz im Rahmen dieser kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung anderer Mitglieder derselben beging (US 8, 11, 16), beruhen entgegen dem weiteren Vorwurf der Mängelrüge nicht auf bloßen „Spekulationen“ und „durch nichts untermauerten Annahmen“ (Z 5 vierter Fall).

Diese Konstatierungen hat das Erstgericht vielmehr logisch und empirisch einwandfrei aus der tristen finanziellen Situation des Beschwerdeführers, den vielfachen (teils gemeinsamen) Reisebewegungen per Flugzeug unter Verwendung unterschiedlicher Dokumente trotz schlechter finanzieller Verhältnisse sämtlicher Angeklagter, der Charakteristik des modus operandi unter Beteiligung von jeweils mindestens drei Tätern (in Bezug auf I/D und E jeweils drei der hier Angeklagten), der wiederkehrenden Begehung gleichartiger Taten innerhalb kurzer Zeit sowie – in Bezug auf die subjektive Tatseite – insgesamt aus dem objektiven Täterverhalten abgeleitet (US 8 f, 16 f; vgl auch RIS Justiz RS0118317, RS0116882).

Mit der Behauptung des Fehlens von konkret den Beschwerdeführer betreffenden diesbezüglichen Beweisergebnissen wird einerseits verkannt, dass eine zwingende Begründung nicht erforderlich ist, sondern – wenn sie wie hier vertretbar sind – auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen berechtigen, und andererseits übersehen, dass auch

Indizienbeweise zulässig sind ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 449, 452; RIS-Justiz RS0098471, RS0098249 [T2]). Im Übrigen genügt für das Zustandekommen eines Zusammenschlusses im Sinn des § 278 StGB eine auf konkludentem Verhalten beruhende Willenseinigung, einer ausdrücklichen (mündlichen oder schriftlichen) Erklärung bedarf es – entgegen der im Rechtsmittel ersichtlich vertretenen Auffassung – nicht ( Plöchl in WK² StGB § 278 Rz 5).

Die – gleichfalls gegen die Annahme der Qualifikationen nach § 130 Abs 2 und 3 (jeweils iVm § 130 Abs 1 zweiter Fall) StGB gerichtete – Subsumtionsrüge (Z 10) verfehlt zur Gänze die Ausrichtung am Verfahrensrecht.

Soweit sie Urteilsannahmen „zur Art der kriminellen Vereinigung und deren konkreten Inhalt“, zum „Inhalt der Verabredung zwischen den angeblichen Mitgliedern der Gemeinschaft“ und zu deren „faktischen Handlungsweise“ sowie zur subjektiven Tatseite vermisst und behauptet, die Tatrichter hätten sich in Bezug auf die Beteiligung des Beschwerdeführers an der kriminellen Vereinigung für einen Zeitraum von zumindest mehreren Wochen mit der bloßen Verwendung der verba legalia begnügt, vernachlässigt sie sowohl die entsprechenden (hinreichend deutlichen) Urteilsannahmen zum objektiven Sachverhalt und zum Wissen und Wollen des Beschwerdeführers (vgl erneut US 8 ff, 11, vgl auch US 16), als auch den vom Erstgericht – insbesonders durch die detaillierte Darstellung seiner Reisebewegungen und Tathandlungen (vgl zur konstatierten Dauer seiner Zugehörigkeit zur kriminellen Vereinigung auch US 8 iVm 9 f) – hergestellten

Sachverhaltsbezug (RIS Justiz RS0119090), womit sie den Anknüpfungspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (RIS Justiz RS0099810).

Aus welchem Grund es darüber hinaus Feststellungen zu den

(an der angegebenen Kommentarstelle [ Plöchl in WK² StGB § 278 Rz 15, 18] angeführten) Indizien für das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung bedurft hätte, lässt die Rüge offen.

Mit der bloßen Bestreitung des Vorliegens der Voraussetzungen für die bekämpfte Subsumtion argumentiert sie ein weiteres Mal prozessordnungswidrig nicht auf Basis des festgestellten Sachverhalts.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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