11Os124/18x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Oberkontrollorin Trsek als Schriftführerin in der Strafsache gegen S***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. Juni 2018, GZ 180 Hv 34/18f 49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde S***** zweier Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 11. Februar 2018 in G***** E***** durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er seine Wohnung versperrte und den Schlüssel versteckte, sowie mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur zweimaligen Duldung des Beischlafs genötigt, und zwar
I./ gegen 3:00 Uhr morgens, indem er ihre Arme festhielt, sich auf sie legte und sie niederdrückte, nachdem sie mehrmals sinngemäß „nein, lass mich“ schrie, mit einer Hand ihren Hals erfasste, unter großer Kraftanwendung ihre Hose, Damenbody und Unterhose zumindest bis zu den Knien hinunterzog und mit seinem Penis gegen ihren Willen in ihre Scheide eindrang;
II./ gegen 11:00 Uhr durch die Äußerung: „Zieh dich aus, oder willst du, dass es wieder so wie gestern ist“, womit er die Tathandlung zu Punkt I./ meinte, und neuerlich den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog, wobei sie sich aufgrund der Aussichtslosigkeit dagegen nicht mehr zur Wehr setzte.
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Eine Tatsachenrüge (Z 5a) ist – soweit es ihr nicht um den Verfahrensaspekt unterlassener Beweisaufnahme geht ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 481) – nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie anhand konkreten Verweises auf in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweismaterial bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswürdigung dargelegt, welches von ihr angesprochene Verfahrensergebnis aus welchem Grund erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit welcher Feststellungen über entscheidende Tatsachen wecken soll (RIS Justiz RS0118780, RS0117749, RS0117446 [insbesondere T1, T10]), mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegt. Nur über dieser Schwelle liegende Bedenken sind Maßstab dieses Nichtigkeitsgrundes.
Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt das Beschwerdevorbringen zur Gänze.
Indem sich die Rüge gegen die Feststellung wendet, der Angeklagte habe das Mobiltelefon der E***** an einem für sie uneinsehbaren Ort in der Wohnung deponiert (US 4), spricht sie – wie die Beschwerde selbst einräumt – keine entscheidende Tatsache an (RIS Justiz RS0117499).
Nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientiert ist die durch Hervorheben einer Passage der Aussage des Opfers und der Verantwortung des Angeklagten (vgl US 9 ff) erhobene Kritik, dem Akteninhalt sei nicht zu entnehmen, dass die Wohnungstür versperrt war und E***** versuchte, die Wohnung zu verlassen (US 5, 7 ff). Gleiches gilt für den Einwand, die Konstatierungen zu I./ (US 4) würden in den Angaben der Zeugin E***** keine Deckung finden. Denn auch diesbezüglich bezieht sich die Beschwerde lediglich auf eine isolierte Aussagepassage der Frau und vernachlässigt deren weitere Schilderungen zum Ausziehen und Würgen durch den Angeklagten sowie dem von ihr verbal und körperlich geübten Widerstand (ON 27 S 3, 9; ON 2 S 15). Insgesamt wird (auch mit dem Hinweis darauf, dass das Opfer durch die Tathandlung keine Verletzungen erlitten hat – US 9) in dieser Form unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft.
Mit dem (offenbar) gegen die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubhaftigkeit der Zeugin gerichteten Hinweis auf deren Erklärung, sie habe beim Angeklagten übernachten, jedoch nicht mit ihm Geschlechtsverkehr haben wollen, verlässt die Beschwerde gleichfalls den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099649).
Der zu II./ erhobene Vorwurf, das Erstgericht habe zu Unrecht eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben im Sinn des § 201 Abs 1 StGB angenommen, kann dahinstehen, weil der Beschwerdeführer den Geschlechtsverkehr nach den – insoweit vernachlässigten (RIS Justiz RS0099810) – Urteilskonstatierungen auch in der – rechtlich gleichwertigen (RIS-Justiz RS0116655 [insbesondere T2], Philipp in WK² StGB § 201 Rz 3) – Begehungsform der Entziehung der persönlichen Freiheit erzwungen hat (US 5).
Insoweit der Beschwerdeführer zu I./ unter Anstellen eigenständiger beweiswürdigender Erwägungen die Heranziehung der „Mehrfachqualifikation“ (durch Anwendung von Gewalt und unter Entziehung der persönlichen Freiheit – US 13) kritisiert (nominell Z 10, der Sache nach Z 11 zweiter Fall), übergeht er prozessordnungswidrig die entsprechenden Konstatierungen und verkennt im Übrigen, dass die Feststellung des Strafzumessungssachverhalts vom zweiten und dritten Fall der Z 11 nicht erfasst ist (RIS Justiz RS0099810, RS0099869 [T16]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – wie schon von der Generalprokuratur ausgeführt – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.